Laut Anklage der Staatsanwaltschaft war die Angeklagte am 15. September vergangenen Jahres mit ihrem Tiguan auf der B188 in Fahrtrichtung Vorsfelde unterwegs. An der Kreuzung zur L290 (sogenannte Westumgehung) übersah sie die rote Ampel und kollidierte mit dem Pedelec-Fahrer, der - vom Allersee kommend - die Fußgänger-/Radfahrer-Ampel in Richtung Wendschott überquerte. Der lebensgefährlich verletzte Radfahrer wurde mit einem Rettungswagen ins Klinikum gefahren, wo er an seinen schweren Verletzungen starb.
Seine Mandantin sehe sich nicht in der Lage, etwas zu dem Vorfall zu sagen, erklärte der Verteidiger der 62-Jährigen. Sie sei sich jedoch sicher gewesen, dass die Ampel an jenem Tag für sie grün gezeigt hätte. „Nach Aktenlage dürfte das eher ausgeschlossen sein“, schob der Anwalt gleich zu Beginn der Verhandlung hinterher. Die Witwe des Verstorbenen trat in der Verhandlung als Nebenklägerin mit ihrem Anwalt auf. Zudem erläuterte ein Sachverständiger, welche Feststellungen er zu dem Unfall treffen konnte. Ein 34-jähriger Polizist gehörte zu den ersten Einsatzkräften, die bei dem Unfall vor Ort waren. Er schilderte, welch dramatische Situation sich ihm geboten hat. „Bei unserem Eintreffen wurde der Radfahrer reanimiert“, sagte er. Zunächst sei es daher darum gegangen, den Schwerverletzten in den Rettungswagen zu bringen, dann habe die Unfallaufnahme begonnen. Die 62-Jährige habe in ihrem Auto gesessen und deutlich und unter Schock gestanden. Sie sei von einem Ersthelfer betreut worden. Noch vor Ort habe sie ausgesagt, dass die Ampel für sie grün gezeigt habe.
Die Beamten hätten sich die Ampel angeschaut und keine Unregelmäßigkeiten bei der Schaltung feststellen können, sagte er. Auch ein Gutachter sowie die VW-Unfallforschung seien vor Ort gewesen. Der 51-jährige Sachverständige beschrieb die Situation, die er vor Ort antraf. So sei ein ovaler Fleck zu sehen gewesen, der erkennen ließ, wo sich das Fahrrad befunden habe. Der Motor und der Akku des Pedelecs seien aus dem Rad geschleudert worden. Auf der Straße habe es noch Ablagerungen von Blut und Erste-Hilfe-Material gegeben.
Am Tiguan sei die komplette Front beschädigt und die Frontscheibe zersplittert gewesen. Der Wagen sei zuvor mit etwa sechs bis acht Kilometern pro Stunde mehr statt der erlaubten 70 unterwegs gewesen. Über eine halbe Sekunde vor der Kollision sei abgebremst worden. Alle Ampeln seien intakt gewesen, für den Radfahrer sei die Kollision unvermeidbar gewesen. Die Angeklagte hätte bei Rot nicht fahren dürfen. Die Ampel habe etwa vier Sekunden schon Gelb gezeigt und etwa fünfeinhalb Sekunden Rot, bevor die Angeklagte sie überfahren habe.
Mehrere Zeugen schilderten übereinstimmend, dass am Morgen des Unfalls die Sonne sehr tief gestanden und geblendet habe. „Ich musste den Sonnenschutz herunterklappen, um die Ampel sehen zu können“, sagte ein 44-Jähriger, der Richtung Wendschott/Vorsfelde nach links abbiegen wollte. Er sagte genauso wie ein 66-jähriger Zeuge aus, dass die Ampel für den Radfahrer Grün gezeigt habe. Eine 51-jährige Polizistin fasste das Ergebnis der Ermittlungen zusammen: „Sie muss die für sie rot zeigende Ampel überfahren haben.“
Die Angeklagte gab sich während der Verhandlung sehr wortkarg und hatte offensichtlich akustische Schwierigkeiten. Mehrfach musste ihr Verteidiger Fragen des Richters für sie wiederholen. Erst in ihrem Schlusswort betonte sie, „mir tut es wirklich leid, es war keine Absicht“. Nächtelang habe sie aufgrund des Vorfalls selbst nicht schlafen können. Weil ihr die Sache so zu schaffen gemacht habe, habe sie sich zudem im April dieses Jahres für etwa vier Wochen in stationäre Behandlung begeben.
Weder strafrechtlich noch verkehrsrechtlich hat sich die Angeklagte bislang zuvor etwas zu Schulden kommen lassen. Dies betonte ihr Verteidiger. Die Tempoüberschreitung sei minimal gewesen, Tests auf Alkohol und Drogen waren negativ ausgefallen. Dennoch sah auch er in der Verhandlung den Nachweis geführt, dass die Ampel für seine Mandantin Rot gezeigt haben muss. „Sie kann nur Rot gehabt haben“, sagte er. Menschliches Versagen müsse man ihr vorwerfen, das nicht hätte passieren dürfen, aber passiert sei. „Die Konsequenzen sind tragisch.“
Auf die dramatischen Folgen ging auch der Richter ein. „Eine richtige Reaktion des Rechtes gibt es auf so eine Situation nicht“, sagte er. Es handele sich um einen Rotlichtverstoß, dessen Folgen jedoch sehr schwer seien.