Wasser und Strom bezieht die Familie über die Nachbarn, im Haus gibt es ein mobiles Waschbecken, vor der Tür steht ein Dixi-Klo. Unterstützung gibt es zudem von den Eltern von Christin Schultz-Lex, die in der Nähe wohnen. Hier duscht die Familie und kehrt am Wochenende dort zum Mittagessen ein.
Doch allmählich nervt die Familie das Provisorium. „Wir wissen nicht, wann es hier weitergeht. Es gibt keinen Zeitplan“, sagt Christin Schultz-Lex. Und auch der Druck, dass alles fertiggestellt werde, fehle.
Auch Hannes Gifhorn besitzt ein Grundstück an derselben Straße wie die junge Familie. Er berichtet, dass er im Januar 2023 seinen Bauantrag für seinen Neubau bei der Stadt Wolfsburg eingereicht und diese ihn im März 2023 genehmigt habe.
Zu diesem Zeitpunkt sei die Planung des Erschließungsträgers PVS Projektgesellschaft mit Sitz in Herford gewesen, dass das Baugebiet im Oktober 2023 fertig erschlossen werden sein sollte. Er sei unter dieser Prämisse das Wagnis eingegangen, ohne Baustrom und Bauwasser im März 2023 mit dem Bau zu beginnen. Doch anschließend hätten sich die Erschließungsarbeiten hingezogen. Alle zwei Monate seien die Termine zur Fertigstellung der Erschließung laut Gifhorn nach hinten verschoben worden. Erst im Frühjahr 2024 seien die Bauarbeiten nach und nach gestartet. Mittlerweile sei ein Ende der Arbeiten für April angekündigt worden, doch ob man das noch glauben könne, wisse er angesichts der Vorgeschichte nicht. Die Projektgesellschaft PVS erklärt, dass die Familie ihr Grundstück nicht von der Erschließungsgesellschaft, sondern von einem privaten Verkäufer erworben habe. Allerdings sei dies laut Gifhorn als ein Teil des Baugebietes Heidkamp B geschehen, und die Kosten für die Erschließung seien dafür auch an die PVS entrichtet worden.
Die Projektgesellschaft weist darauf hin, dass sie - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter Hinweis darauf, dass es möglicherweise negative Folgen geben könne, indem das Haus fertiggestellt sei, die Erschließung aber eventuell noch nicht - der Familie erlaubt habe, mit ihrem Bauvorhaben zu beginnen.
Die Familie habe die Erschließungsgesellschaft im April vergangenen Jahres erstmals darüber informiert, im Juli in den Neubau einziehen zu wollen. Der Kanalbau sei zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht am Grundstück angekommen und der Straßenname nicht vergeben gewesen. Laut Gifhorn sei den Grundstückseigentümern eine Fertigstellung für Ende August vergangenen Jahres prognostiziert worden.
„Ich habe ab April intensiv darüber informiert, dass die Versorger die Arbeiten am sogenannten Versorgergraben eigenständig ausschreiben und den Auftrag auf deren Rechnung an den günstigsten Bieter vergeben“, sagt Lars Ternien, technischer Leiter bei PVS.
Mit den Arbeiten an der Versorgertrasse sei im September vergangenen Jahres begonnen worden, was bedeute, dass sie mindestens bis April dauern werden. Dieser zeitliche Horizont sei ihnen erst Mitte Dezember vergangenen Jahres kommuniziert worden, so die beiden Familien. Laut PVS hätten sich beide Familien für einen atypisch frühen Baubeginn entschieden. „Ein Wohnhaus kann zu Wohnzwecken jedoch erst bezogen werden, wenn dieses an die Netze der Versorger (Strom, Wasser) und das Abwasser angeschlossen ist“, so Ternien.
„Die Arbeiten zum Ausbau der Mittelspannungsinfrastruktur wurden mit Einbindung einer neuen Trafostation im Oktober abgeschlossen“, teilt der Energieversorger LSW auf Anfrage mit. Die Verlegung der Ortsnetzinfrastruktur sei generell dem Kanalbau nachgelagert. Die Stromversorgung in den Planstraßen A, B und E und teilweise C sei bis Mitte Dezember vergangenen Jahres verlegt worden. Die Erschließungsarbeiten im Bereich des noch ausstehenden nördlichen Baugebiets der Planstraßen C (teilweise) und D würden in Abhängigkeit von der Witterungslage aufgenommen und schnellstmöglich fertiggestellt, so die LSW.
Der für die Trinkwasserversorgung zuständige Wasserverband Vorsfelde erklärt auf Anfrage, dass nach aktuellem Stand im gesamten Erschließungsgebiet noch keine Trinkwasserversorgung zur Verfügung stehe, da Tiefbauarbeiten noch nicht abgeschlossen sind. In Abhängigkeit von den Witterungsverhältnissen werde mit einer Fertigstellung spätestens im März gerechnet.
Dass das derzeitige Wetter dazu führe, dass die Firma Benckendorf im Baugebiet ihre Arbeiten vorübergehend eingestellt habe, teilte das Bauunternehmen dem Erschließungsträger am 10. Januar mit. „Wir werden die Arbeiten bei geeigneter Witterung selbstständig wieder aufnehmen“, so das Unternehmen.
Ortsbürgermeisterin Angelika Jahns äußert Verständnis für die schwierige Lage der Familie, verweist gleichzeitig aber darauf, dass die Familie darauf hingewiesen worden sei, dass sämtliche Absprachen zwischen Stadt und Erschließungsträger getroffen wurden und es mit Privatverkäufern keine Absprachen hinsichtlich der Erschließung gegeben habe. Entgegen aller Warnungen sei mit dem Bau begonnen worden.
Der Ortsrat habe bisher mit dem Erschließungsträger sehr gut zusammengearbeitet. Der Investor habe sich viel Mühe gegeben, stets noch Dinge zu berücksichtigen, auf die der Ortsrat hingewiesen habe.
Laut Hannes Gifhorn habe der Investor sowohl der LSW als auch dem Wasserverband wiederholte Male mangelhafte Planungsunterlagen vorgelegt, sodass alle nachgelagerten Prozesse ins Stocken geraten seien. Beide Versorger hätten in direkten Gesprächen miteinander angegeben, dass sie solch eine unprofessionelle Zusammenarbeit in den vergangenen 20 Jahren noch nicht erlebt hätten. Den Familien sei seitens des Investors immer wieder Hoffnung gemacht worden, dass die Fertigstellung in Sichtweite wäre. Letztlich seien sie jedoch wieder mit einer neuen Wartezeit von zwei Monaten vertröstet worden. Das Warten geht weiter.