Die Staatsanwaltschaft Braunschweig wirft dem 39-Jährigen vor, im April 2024 eine Verkäuferin in einem Café in Braunschweig mit einem Tortenmesser bedroht und die Trinkgeldkasse geklaut zu haben. Zwei Monate später soll er in einem Braunschweiger Supermarkt erst geklaut, dann eine Kassiererin mit einem Kaffeebecher beworfen haben. Zur letzten Tat soll es am 30. August 2024 in einem Wolfsburger Lebensmittelmarkt auf dem Laagberg gekommen sein. Nach einem Ladendiebstahl von zwei Polizisten angesprochen, leistete er Widerstand.
Der Angeklagte war sich bereits beim Auftakt des Prozesses keiner Schuld bewusst. Als Zeugin erinnerte sich eine Polizeibeamtin von der Polizeiinspektion Wolfsburg genau an den Einsatz gegen den vermeintlichen Ladendieb auf dem Laagberg. Der Angeklagte habe auf Ansprache nicht reagiert, sondern sich umgedreht und einen CD-Player nach ihr geschleudert. „Der hat mich knapp auf Kopfhöhe verfehlt“, erinnerte sich die Beamtin. Der CD-Player traf ein vorbeifahrendes Auto - der Fahrer fuhr weiter. Ihr Kollege wurde mit einer zuvor gestohlenen Feuerzeugpackung beworfen.
Extrem habe der Mann sich bei der Festnahme nicht gewehrt, aber immer wieder versucht, sich aus den Griffen der Beamten zu lösen. Er habe sie und dazukommende Beamten laufend beleidigt. Auch auf der Dienststelle sei dies so gewesen. Auffällig waren seine wirren Sätze, die er von sich gegeben habe. Auf die Frage nach seinen Personalien habe er „Drei mal drei 5.000 Rollstühle“ geantwortet, so die Zeugin weiter. Einen sehr aufgewühlten Eindruck habe er auf sie gemacht.
Der forensische Psychiater, Dr. Christian Wiedemann, aus einer Klinik in Bad Rehburg, war mit einem Gutachten über den Angeklagten beauftragt, hatte ihn bereits zweimal besucht. Nach dem Auftakt des Prozesses wurde er noch einmal in das psychiatrische Krankenhaus in Göttingen geschickt, indem der Angeklagte zurzeit untergebracht ist. Der 39-Jährige verweigerte jedoch eine Untersuchung durch den Psychiater.
Aus dem ersten Vorgespräch konnte der Psychiater berichten, dass der Angeklagte in Gelsenkirchen geboren und bis zu seinem 19. Lebensjahr in Braunschweig gewohnt hat. Mit 17 Jahren soll er an Schizophrenie erkrankt sein, die zwei Jahre später diagnostiziert wurde. Er sei 32-mal in psychiatrischen Kliniken gewesen, habe jedoch die ärztlich verordneten Medikamente nicht genommen. Regelmäßig habe er entgegen ärztlichen Rates die Kliniken verlassen. Wohnungen habe er in Braunschweig, Salzgitter und Berlin gehabt und auch in einer Therapie-Einrichtung in Wolfsburg gelebt. Die meiste Zeit seines Lebens habe er jedoch auf der Straße verbracht, sei obdachlos gewesen. Das zweite Vorgespräch musste der Psychiater abbrechen, da er von dem Angeklagten bedroht worden sei.
Der 39-Jährige würde sich als Opfer sehen. Er habe noch nie einen Diebstahl begangen, habe er bei der Untersuchung angegeben. Dagegen sprächen die vielen Einträge in dem Bundeszentralregisterauszug. „Ich habe noch niemanden mit so vielen Einträgen erlebt“, sagte der Psychiater. In mehr als 20 Jahren hätten sich insgesamt 89 Einträge in seinem Auszug aus dem Bundeszentralregister (BZR) angesammelt. Diebstahl, Erschleichen von Leistungen, Beleidigung und Bedrohung gehörten dazu. In den vergangenen Jahren habe man aber die Verfahren gegen ihn wegen seiner Schuldunfähigkeit eingestellt. Die Spur seiner Straftaten ziehe sich durch ganz Deutschland. Er beschäftigte die Gerichte unter anderem in Braunschweig, Hannover, Hildesheim, Potsdam, Berlin, Magdeburg, München, Regensburg, Dortmund, Halle und Leipzig.
Der Angeklagte würde in dem Moment leben, und ständig gegen Regeln verstoßen. Je mehr Abstand er zu seinen Medikamenten habe, je mehr steigere sich seine Symptomatik und seine Gefährlichkeit. „Bis wohin er seine Taten steigert, kann ich nicht sagen“, so der Gutachter weiter. Er sieht bei dem Mann „aber ein hohes Risiko für vergleichbare Straftaten“.
Seine Obdachlosigkeit erhöhe sein dissoziales Verhalten. Eine ambulante Behandlung sieht der Gutachter als nicht realistisch an. Krankheitsbedingt sei der Angeklagte nicht in der Lage, sein Verhalten zu steuern. Zumindest bei den Diebstählen in den Supermärkten sei seine Schuldunfähigkeit im Sinne des Paragrafen 20 des Strafgesetzbuches nicht mehr auszuschließen.
Am 14. März wird nach den Plädoyers entschieden, ob der Mann in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wird.