Stefan Henneberg: 39 Jahre bei
der VW-Werkeisenbahn
1985 in der Polsterei angefangen - Denkwürdiger Moment in der Kantine - 1.000 PS-Lok gefahren

Besonderer Moment: Stefan Henneberg erinnert sich noch genau an seine erste Fahrt mit der Lok der VW-Werkeisenbahn.Foto: Volkswagen
Wolfsburg. Im Wolfsburger Volkswagen-Werk rollt die Werkeisenbahn rund um die Uhr über rund 60 Kilometer Gleise. Damit fährt sie über das größte private Schienennetz der Auto-Industrie und ermöglicht unter anderem die Just-in-Time-Belieferung der Produktionsanlagen. Die VW-Eisenbahner sind eine eingeschworene Truppe, sehen sich selbst als „Elite-Einheit“. Stefan Henneberg (58) ist seit 39 Jahren Teil dieser Truppe und mächtig stolz darauf.

Zur Einordnung: Rund 2,5 Millionen Tonnen Fracht transportiert die Wolfsburger Werkseisenbahn jedes Jahr. Das entspricht rund 400 Eisenbahnwaggons pro Tag. Auf diesen Waggons werden etwa riesige Stahlrollen (Coils) und andere Materialien angeliefert, die die rund 12.000 Beschäftigten in der direkten Autoproduktion für den Bau von Golf, Tayron und Tiguan an den Montagebändern benötigen. Die externen Loks stoppen am sogenannten Vorbahnhof - von dort holen die Werkeisenbahner die Waggons mit eigenen Loks ab und verteilen sie im Werk.

Andererseits schieben die Werkeisenbahn-Loks Waggons voller Neuwagen aus dem Werk - „draußen“ werden sie von externen Triebwagen angekuppelt und etwa zum Emder Hafen transportiert. Von dort werden sie in alle Welt verschifft.

Von all dem habe er nichts gewusst, als er vor 40 Jahren bei Volkswagen als Jungarbeiter in der Näherei angefangen habe, berichtet Stefan Henneberg jetzt in einem VW-internen Blog. Im Juni 1985, an seinem 18. Geburtstag, wechselte er in die Polsterei. Nach einem Jahr habe es dann „diesen Moment gegeben, der meinen beruflichen Weg komplett verändert hat“.

Er habe in seiner Mittagspause in der Kantine gesessen, als ihm eine Gruppe von Männern aufgefallen sei: „Sie trugen schwarze Jacken mit gelben Streifen und gelbe Helme. Als sie die Kantine betraten, wurde es für einen Moment still. Alle schauten sie an. Sie hatten eine besondere Ausstrahlung, wirkten stark, selbstbewusst und ja, fast unantastbar.“ Schnell habe er herausgefunden: Das sind die Männer von der Wolfsburger Werkeisenbahn. Ihm sei sofort klar gewesen: „Ich will dazugehören“, schreibt Henneberg sehr anschaulich in seinem Blog. Er sei direkt zum Unterabteilungsleiter der Werkeisenbahn gegangen und habe folgendes zu hören bekommen: „Du willst zur Elite-Einheit des Volkswagen-Werks? Hier geht’s rau zu - aber wir sind wie eine Familie.“ Sechs Wochen später sei er Teil der Eisenbahnerfamilie geworden - das sei jetzt 39 Jahre her. Angefangen habe er als Rangierer. Rangierer oder heute „Rangierbegleiter“ kuppeln Waggons an oder ab, bedienen Weichen, sichern Waggons und stehen mit dem jeweiligen Lokführer in Funkkontakt. „Das ist ein spannender Job, bei dem man mittendrin ist, direkt an den Waggons, mit dem Funkgerät in der Hand und immer unter Zeitdruck“, betont Stefan Henneberg. 1990, mit gerade einmal 22 Jahren, sei er Rangierführer geworden. „Das war damals ziemlich ungewöhnlich, so jung Verantwortung zu übernehmen, aber ich war ehrgeizig und wollte zeigen, dass ich es kann“, fährt er fort.

2000 machte Stefan Henneberg eine Weiterbildung zum Lokführer. Noch heute blickt er begeistert zurück: „Das erste Mal eine Lok zu steuern, das Gefühl der Kraft unter meinen Händen - das war etwas ganz Besonderes.“

Zur Einordnung: Ein Zug besteht in der Regel aus 20 bis 25 Waggons, eine Lok hat rund 700 bis 1.000 PS und muss den bis zu 700 Meter langen Zug bewegen. Die Loks besitzen Hybridmotoren und lassen sich auch per Funkfernbedienung steuern. Das heißt: Der Lokführer kann den Zug aus einiger Entfernung rangieren und hat einen besseren Überblick dabei. Dafür ist eine Weiterbildung zur Funkfernsteuerung nötig, die Stefan Henneberg ebenfalls absolviert hat. „Diese Technologie erleichtert vieles“, sagt er.

Heute arbeitet der 58-Jährige als Waggonverteiler. „Meine Aufgabe ist es, die eingehenden Waggons zu kontrollieren und systemmäßig zu bearbeiten. Ich sorge dafür, dass alles da ankommt, wo es hingehört, damit die Produktion reibungslos läuft“, so Henneberg. Diese Aufgabe erfordere vor allem Genauigkeit.

39 Jahre in einer Abteilung - das ist bei Volkswagen selten geworden. Natürlich werde er oft gefragt, warum er so lange bei der Werkeisenbahn geblieben ist, sagt Henneberg. Seine Antwort: „Weil ich es liebe. Die Werkeisenbahn ist nicht nur ein Arbeitsplatz, sie ist Teil meines Lebens geworden“, betont er. „Hier bin ich nicht irgendeine Nummer, hier bin ich ein Teil von etwas Großem.“

Nun rücke der Ruhestand immer näher, aber er sei gespannt, wie es mit der Werkeisenbahn weitergeht. „Die Digitalisierung, neue Technologien, nachhaltige Lösungen - die Zukunft der Werkeisenbahn wird spannend.“ Auch, wenn er bald nicht mehr selbst mit anpacke, werde er die Entwicklung natürlich weiter verfolgen. „Und dann werde ich mit einem Lächeln daran zurückdenken, wie alles begann...“

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