Werner Scholz erklärt merkwürdige Wendschotter Straßennamen
Ortsheimatpfleger stellt dritten Teil der Dorfchronik vor - Wie Baugebiete Gemeinschaft verändern

Fleißig: Ortsheimatpfleger Werner Scholz hat den dritten Teil der Wendschotter Geschichte veröffentlicht. Erhältlich ist die Broschüre gratis im Niedersachsenhaus.Foto: Roland Hermstein
Wendschott. Werner Scholz hat es wieder getan: Der Ortsheimatpfleger von Wendschott hat seine dritte historische Broschüre über die Geschichte des Ortes veröffentlicht: „Wendschott: Vom Acker- und Weideland zum Bauland“. Diesmal widmet er sich vor allem der Bedeutung von Straßennamen.

„Eigentlich hatte ich gar nicht vor, eine weitere Broschüre zu veröffentlichen“, berichtet der 82-Jährige der WAZ. Doch dann sei er Zeuge eines Gespräches zwischen Wendschotter Neubürgern geworden, die sich über Straßennamen wie „Zum Rottenföhr“ gewundert haben. Wenn man Besuch habe, so das Fazit des Gesprächs, könne man seinen Gästen gar nicht erklären, wo die „merkwürdigen Straßennamen“ herkommen.

Für den ehemaligen Lehrer und leidenschaftlichen Hobbyhistoriker Werner Scholz war dieses Gespräch die Initialzündung dafür, wieder aktiv zu werden. Eine sehr große Hilfe seien dabei die Aufzeichnungen von Wilhelm Brauleke (1909 bis 1999) gewesen, sagt Scholz. Brauleke sei ein alteingesessener Wendschotter gewesen, der sein ganzes Leben aufgeschrieben habe. „Für mich ein großer Schatz“, betont Scholz.

Denn: Aus Wilhelm Braulekes Aufzeichnungen habe er ganz viel lernen können über das Wendschotter Alltagsleben in den vergangenen Jahrzehnten. „So habe ich beispielsweise erfahren, dass der heutige Schulteich in den 1960er Jahren ein Gänseteich gewesen ist.“ Noch früher hätten Wendschotter dort Frösche gefangen. Was im Ersten Weltkrieg dazu geführt habe, dass Bürger bei französischen Soldaten gefangene Frösche gegen Biscuit eingetauscht hätten.

Das habe ihn angespornt, noch einmal tiefer in die Wendschotter Ortsgeschichte einzutauchen und nach der Bedeutung von Straßennamen und Flurbezeichnungen zu forschen. Etwa Kleitsche Straße: „Im Prinzip ist eine Kleitsche eine slawische Straße, die von jungen Eichen umrandet ist“, sagt Scholz. „Man könnte auch ‚Feldweg‘ sagen." Oder „Zum Rottenföhr“: Gemeint ist ursprünglich eine Furche zum Wässern von Flachshalmen.

Oder „Mitjätgensanger“: Es bedeutet eine von Ameisen bewohnte landwirtschaftliche Grasfläche. Interessant auch die Bedeutung von „Am Schulzenhof“. Hierzu schreibt Werner Scholz: „Im Jahr 1759 war Johann Heinrich Meyer Dorfschulze (Bürgermeister) in Wendschott. Nach ihm wurde die Straße ernannt.“

Hinter anderen Straßennamen stecken tragische Geschichten - etwa hinter der Wilhelm-Behrens-Straße: Wilhelm Behrens war von 1945 bis 1946 Bürgermeister in Wendschott. Als er einen Schweinedieb verfolgte, wurde er „in Ausübung seines Amtes erschossen“.

Damit nicht genug: Werner Scholz erklärt auch, wieso Wendschott einst ein Rundlingsdorf war - weil bei allen Häusern die „Grote Dör“ (die große Dielentür) zur Straße hin zeigte. Hinter den Häusern waren Wiesen für das Vieh, dahinter kamen die Felder. Die Gebäude mit Weise nannte man auch Grashöfe - woraus sich der Straßenname Grashof ableiten lässt.

Werner Scholz erklärt den Einfluss des Drömling auf die Landwirtschaft rund um Wendschott (zunächst verheerend) und den Jahreskalender von Bauern. Er erläutert auch, warum St. Martin noch heute eine große Bedeutung für das bäuerliche Wirtschaftsjahr hat. Und warum eigentlich die Spargelsaison ausgerechnet am 24. Juni endet.

Anhand von Luftaufnahmen aus verschiedenen Jahren lässt sich nachvollziehen, wie in Wendschott im Laufe der Zeit aus Weidefläche Bauland wurde. „Wendschott ist längst kein Rundlingsdorf mehr“, sagt Werner Scholz. Ein Dorf ist es in seinen Augen auch nicht mehr. Denn: Die Einwohnerzahl sei auf mittlerweile über 4.000 gewachsen, 1974 seien es nicht einmal 1.900 gewesen. Auch die typischen Fachwerkhäuser würden mehr und mehr aus dem Ortsbild verschwinden. Damit raube man Wendschott seine Identität.

Er hofft, mit „Wendschott: Vom Acker- und Weideland zum Bauland“ Neu- und Altbürger gleichermaßen zu erreichen: „Neubürger können ihre neue Heimat, das Dorf Wendschott, erkunden. Die anderen Bürger erfahren durch die Broschüre vielleicht auch etwas Neues.“ Sogar die Wendschotter Grundschule bekommt einen Klassensatz der Broschüre. Ansonsten gibt es die Broschüren „Ein Dorf im Wandel“ (2015), „Ein Dorf wächst“ (2020) und „Vom Acker- und Weideland zum Bauland“ (2025) kostenlos im Niedersachsenhaus oder direkt bei Werner Scholz (Zur Wipperaller 20). Im dortigen Heimatmuseum können Interessierte auch die große Wendschotter Flurkarte sehen. Gesponsert hat die Broschüren der Wendschotter Günther Rippel.

Wendschotts Ortsbürgermeister Siegfried Leu (CDU) ist beeindruckt vom Arbeitseifer von Scholz: „Ich finde das toll.“ Allerdings zeige die Broschüre auch eine andere Seite der Medaille: Durch den Wegfall von Ackerflächen und Bauernhöfen und die Ausweisung von Neubaugebieten habe sich das Zusammenleben in Wendschott deutlich verändert. Er vermisse das Wendschotter Gemeinschaftsgefühl früherer Jahre...

Druckansicht