Die Ursachen für den Vormarsch der Laubholz-Mistel sind nicht ganz klar, eine Rolle spielt aber der Klimawandel. „Die Gründe für eine gefühlte starke Ausbreitung der Mistel sind nicht gänzlich belegt. Vermutet wird der Klimawandel mit wärmeren Wintern und den damit verbundenen positiven Auswirkungen auf das Wachstum der immergrünen Mistel“, erklärt Ralf Schmidt, Pressesprecher der Stadt Wolfsburg auf Anfrage.
Klar ist aber, dass von dem besseren Wachstum der Mistel wiederum Vogelarten profitieren. Für sie sind die weißen Beeren der Mistel eine wichtige Nahrungsquelle. Durch ihren Kot verbreiten Misteldrossel, Seidenschwanz, Wacholderdrossel und Co. wiederum den Samen auf die Äste von weiteren Bäumen, sodass sich die Mistel einen neuen Wirt erschließen kann.
Der Samen keimt dann in der Rinde der Bäume und versucht, in seinem Wirtsbaum Wurzeln zu schlagen. Gesunde Bäume wehren sich gegen den Befall. „Vermutlich hemmen auch Trockenstress und Hitze die Abwehrkräfte der Bäume und erleichtern so der Mistel das Eindringen ins Holz“, sagt Schmidt. Die charakteristischen immergrünen Mistelkugeln sind dabei nur das sichtbarste Zeichen eines Mistelbefalls. „Zusätzlich zu den augenscheinlich klar erkennbaren Misteln, sind häufig auch die Äste mit unscheinbaren Jungmisteln befallen“, heißt vonseiten der Stadt auf Anfrage. Laut dem NABU dauert es mehrere Jahre, bis die Misteln ihre typische Kugelform erreichen.
Genau diese lange Zeit macht es zunächst schwierig zu erkennen, ob ein Baum von einer Mistel befallen ist. Wobei die Stadt Wolfsburg nur dann eingreift, wenn die Misteln die Gesundheit ihrer Wirtspflanzen beeinträchtigten. Ein Rückschnitt der Misteln bedeutet auch für den Baum eine immense Belastung. „Um eine einzelne Mistel dauerhaft zu entfernen, ist ein massiver Rückschnitt von mindestens 50 Zentimetern in das nicht befallene Holz notwendig. Diese Alternative bietet sich jedoch nur bei gering befallenen Bäumen an“, erklärt Schmidt. Und der Rückschnitt kann nur bis zum Laubaustrieb erfolgen.
Misteln tauchen über das gesamte Wolfsburger Stadtgebiet recht gleich verteilt auf. Besonders ins Auge fallen, stark befallene Bäume wie an der Schlosskreuzung oder im Allerpark. Generell gilt, dass Misteln eher Bäume mit weicherem Holz befallen. Laut der Stadt gibt es einen auffallend starken Befall unter anderem an Pappeln, Weiden und Linden. Auch Birken und Apfelbäume sind betroffen.
Die Stadt Wolfsburg liegt fast an der Grenze des geschlossenen Verbreitungsgebiets der Mistel. Das Gebiet der Samtgemeinde Brome gilt als nördlicher Abschluss. Inzwischen breitet sich der Halbschmarotzer aber auch weiter in Richtung Norden aus.
Hat die Stadt vor, die Mistelbekämpfung zu intensivieren? Die Antwort darauf lautet Nein. Der Grund: Zwar können Misteln ihrem Wirt schädigen, weil sie Wasser und Nährstoffe entziehen, aber gleichzeitig kommt den Pflanzen eine wichtige ökologische Bedeutung zu. Laut NABU haben mindestens 27 Vogelarten Mistelbeeren auf ihrem Speiseplan.
Auf diese positiven Aspekte der Mistel verweist die Stadt. „Sie bieten Nahrung und Lebensraum für viele Tiere, wie Vögel, Insekten und Fledermäuse. Sie fördern die biologische Vielfalt und die genetische Variation der Pflanzen. Sie sind auch ein wichtiger Bestandteil der traditionellen Kultur und des Brauchtums“, heißt auf Anfrage.
Daher wäre es aus Sicht der Stadt nicht sinnvoll, sämtliche Misteln im Stadtgebiet zu entfernen. „Eine vollständige Entfernung wäre sehr aufwendig und teuer, weil Misteln schwer zu erkennen und zu erreichen sind. Außerdem würde sie die natürliche Balance des Ökosystems stören und die Artenvielfalt verringern“, sagt Schmidt.
In Wolfsburg wird selektive Entfernung gesetzt, bei der nur Misteln beseitigt werden, die eine ernsthafte Gefahr für die Wirtspflanzen darstellen oder die Sicherheit der Menschen gefährden. Die Standsicherheit von Bäumen ist laut Stadtverwaltung durch einen Mistelbefall nicht gefährdet. Bei einer Bewertung des müsse immer die Art der Wirtspflanze mit einbezogen werden. Einige Baumarten seien toleranter gegenüber Misteln als andere.
Was kann ich aber tun, wenn zum Beispiel mein Apfelbaum im eigenen Garten einen Mistelbefall hat? Der NABU rät, die Äste mit Mistelbefall um 30 bis 50 Zentimeter ins gesunde Holz abzusägen. „Damit kann die Ausbreitung der Pflanze in der Regel gestoppt werden, wenn der Baum noch nicht zu stark angegriffen ist. Andere Bekämpfungsmethoden, wie etwa das Abschneiden der Misteln oder ihr Abdecken mit schwarzer Folie, haben sich nicht als erfolgreich erwiesen“, heißt es auf der Homepage des NABU. Besonders häufig betroffen seien Apfelbäume sowie Ebereschen. Keine Gefahr bestehe für Birnen, Kirschen, Pflaumen oder Zwetschgen.