Gänsekot: Kann diese neue Idee das Problem am Allersee lösen?
Nabu-Vorsitzender will bis September einen nachhaltigen Fünf-Punkte-Plan erarbeiten - Hilft ein Strandreiniger?

Was tun gegen die Gänse und ihre Hinterlassenschaften am Allersee?Foto: Roland Hermstein
Wolfsburg. Die Wolfsburger lieben den Allersee - die Gänse auch. Doch dass sich Mensch und Tier das Erholungsgebiet teilen müssen, sorgt immer wieder für Unmut. Und das schon seit etlichen Jahren. Denn überall liegt Kot: auf Wiese, Strand und im Wasser. Wie die Gänse vergrämt werden können - auch darüber wird in Wolfsburg unermüdlich diskutiert. Nach Drohnen, Gänsezaun und Schwimmketten kommen jetzt angeleinte Hunde ins Spiel. Und der nächste Vorschlag wird vom Naturschutzbund (Nabu) bereits vorbereitet. Mit Vorurteilen über das Verhalten der Gänse will Andrea Herweg, PUG-Mitglied im Ortsrat Nordstadt aufräumen.

Angeleinte Hunde als Lösung für die „Gänseinvasion“ am Allersee - diesen Vorschlag brachte jüngst die PUG-Fraktion im Stadtrat ein. Anblick und Geruch des Hundes würden die Gänse vergrämen. Der Antrag wurde beschlossen. Hunde dürfen jetzt an der kurzen Leine am Strand und auf den Liegewiesen geführt werden. Die SPD fordert hingegen von der Stadt ein umfassendes und nachhaltiges Konzept zur Reduzierung und Vergrämung. Für die AfD ist gar die Bejagung kein Tabu mehr, heißt es in einer Vorlage.

Auf die Gänse zu schießen, das hält der Wolfsburger Nabu-Vorsitzende Michael Kühn jedoch für zu gefährlich. Zu fast allen Zeiten hielten sich Spaziergänger, Jogger und Badegäste am See auf, ein „Querschläger könnten dort einen großen Schaden anrichten“, sagt er.

Doch wie kann eine Lösung aussehen? Kühn will dazu einen 5-Punkte-Plan erarbeiten. „Ich suche nach einer nachhaltigen und langfristigen Lösung, damit das Thema nicht jedes Jahr wieder diskutiert wird“, sagt der Nabu-Experte. Die wichtigste Frage sei doch: „Warum besiedeln die Gänse den Allersee?“ Und er hat eine Antwort: „Das Areal hat drei perfekte Zonen für die Tiere“, „eine Wasserfläche, einen Strand und eine Rasenfläche.“ Die Vögel könnten sich am Allersee ausruhen, fressen und auf das Wasser fliehen. Und dabei liegen alle Bereiche für die Tiere komfortabel erreichbar nebeneinander. Und noch eins mache den See attraktiv für die Vögel: Die Gänse können am Allersee sehr weit sehen, drohende Gefahr könne gut erkannt werden.

Ziel müsse also sein, das Nordufer unattraktiv für Gänse zu machen, etwa mithilfe von Begrenzungen, welche die Tiere nicht überwinden können. Dabei spiele die Mauser der Gänse dem Vorhaben in die Karten, denn genau während des Wechsels des Federkleids verweilen sie am Allersee und fliegen dann nicht. Über die genauen Maßnahmen sei Kühn gerade mit anderen Nabu-Experten im Austausch. Im Umweltausschuss im September will er sie vorstellen.

Doch mit einem Wunschdenken will Kühn aufräumen: „Der Allersee wird nicht zu 100 Prozent gänsefrei werden.“ Dennoch glaubt er daran, dass sich der größte Teil des Bestandes an anderer Stelle ansiedele. Er hofft, an der renaturierten Aller.

Dass die angeleinte Hunde am Allersee ausreichen, um die Gänse zu vergrämen, davon geht Kühn nicht aus, aber sie könnten eine ergänzende Maßnahme sein.

Die Gänse einfach dort lassen, wo sie jetzt sind: diesen Vorschlag macht Andrea Herweg, PUG-Mitglied im Ortsrat Nordstadt und vertritt damit eine andere Meinung als die PUG-Ratsfraktion. Bereiche am Allersee und am Neuen Teich sollten mit einem Strandreiniger und Rasenkehrmaschine gesäubert werden. Weiterer Vorschlag: die Vögel umsiedeln, etwa in ein Ausgleichsgebiet an den Steimker Gärten.

Vom Vergrämen der Gänse hält sie nichts. Ohnehin sei die angebliche Plage nur für zwei Monate am Allersee zu beobachten, eben während der Mauser. Nach dem Federwechsel würden die Tiere von ganz allein wieder verschwinden.

Für den Unmut der Erholungssuchenden am Allersee hat die Kommunalpolitikerin kein Verständnis. „Es ist doch ein Naturbereich, da gehören Tiere hin“, betont sie, „wir müssen endlich lernen, damit im Einklang zu leben.“

Im Übrigen würden die Gänse nur ins Wasser koten, wenn sie dorthin gescheucht würden. Denn: Gänse würden schnell verdauen. „Fressen sie Gras an Land, hinterlassen sie dort ihren Kot“, sagt Herweg. Auf dem Wasser würden sie hingegen seltener Futter aufnehmen, außer hin und wieder etwas Schilf.

Als „Ammenmärchen“ bezeichnet die Wolfsburgerin, dass die Gänse andere Wassertiere wie Schwäne, Haubentaucher oder Enten vertreiben würden. „Das wird gerne behauptet, entspricht aber nicht den Tatsachen“, so Herweg. Die Schwanpopulation sei angestiegen und auch die Haubentaucher sowie die Blässhühner ließen sich von den Gänsen nicht stören. Ohnehin hätten alle verschiedene Brutbereiche. Das habe sie mehrmals beobachtet und mit Fotos und Videos vom Allersee und vom Neuen Teich dokumentiert.

Diese Einschätzung teilt auch der Nabu-Experte. „Gänse sind friedliebende Tiere, sie greifen andere Vögel nicht an und sie vertreiben sie nicht. Es sei denn, ihr Nachwuchs wird bedroht“, so Kühn.

Druckansicht