Der iPod wurde irgendwann durch das Smartphone abgelöst. Das Medium Podcast hingegen ist heute erfolgreicher denn je: Ganze Branchen haben sich um das Audioformat entwickelt, bekannte Podcast-Hosts erreichen wöchentlich ein Millionenpublikum. Dass aus dem Format überhaupt mal ein Massenmarkt werden würde, hätte anfangs kaum jemand für möglich gehalten: Das Internet ist noch jung, die Bandbreiten sind gering – und das Medienangebot ist fest in den Händen von TV-Konzernen, Zeitungsverlagen und Radiostationen.
Dennoch gibt es schon damals Pioniere des Podcastings: Tristan Louis und Dave Winer gelten heute als Erfinder der ersten selbst veröffentlichten Audioshow, als erster Podcast-Host gilt der MTV-Moderator Adam Curry. Sie entwickeln ein Programm, mit dem sich Onlineradiosendungen aus dem Internet direkt auf Apples iPod herunterladen lassen. Mit der Podcast-Integration in iTunes beginnen auch erste Prominente, das Medium zu nutzen – etwa der britische Comedian Ricky Gervais.
Auch in Deutschland gibt es Pioniere: Die Journalistin Larissa Vassilian veröffenticht ab 2005 „Schlaflos in München“. Das „Küchenradio“ ist ab 2005 das erste Podcast-Format von unter anderem Philip Banse, der heute durch den Politik-Podcast „Lage der Nation“ bekannt ist. Noch immer aktiv sind Produktionen wie der „Whocast“ über „Doctor Who“ (ab 2006), das „Chaosradio“ vom Chaos Computer Club (ab 2006) oder auch die „Medienkuh“ über die Fernsehbranche (ab 2009).
Auch die öffentlich-rechtlichen Sender beginnen, ausgewählte Radioformate oder Talkshows als Podcast anzubieten. Bleibt das Medium zunächst noch eine Nische, gelingt dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) einige Jahre später aber ein Coup: Die Radiosendung „Sanft & Sorgfältig“ mit Jan Böhmermann und Olli Schulz mausert sich zur ständigen Nummer eins der Podcasts-Charts und ebnet den Weg für das heute erfolgreiche Genre des „Laberpodcasts”.
Mehr noch: Die Nachfolgeproduktion mit Böhmermann und Schulz („Fest & Flauschig”) ist 2016 auch der erste Podcast, der auf dem schwedischen Musikstreamingdienst Spotify landet. Wenig später folgen Exklusiv-Produktionen mit einem Bezahlabo. Anbieter sind hier etwa Audible von Amazon oder der dänische Dienst Podimo.
Mit den Hobbykeller-Produktionen hat die Podcast-Branche heute kaum noch etwas zu tun. Neben Plattformen und Podcast-Stars haben sich auch zahlreiche Produktionsfirmen und Vermarkter etabliert. Verlässliche Zahlen zum Erfolg gibt es nicht – Abrufzahlen sind nicht einsehbar. Eine Untersuchung der Medienberatungsfirma Owl & Co geht davon aus, dass sich der aktuelle Werbeumsatz der Branche weltweit auf 7,3 Milliarden US-Dollar jährlich beläuft.
Auch inhaltlich ist das Angebot heute sehr viel breiter gefächert: Laut Spotify-Chart hört das deutsche Publikum am liebsten Comedy-Podcasts wie „Gemischtes Hack“, gefolgt von True-Crime-Formaten wie „Mordlust“ und Promi-Podcasts wie „Kaulitz Hills“. Ebenfalls beliebt sind zahlreiche Influencer-Podcasts wie der „Edeltalk“ oder „Dick & Doof“. Politik-Podcasts wie „Lanz und Precht“, „Ronzheimer“ und „Apokalypse & Filterkaffee“ finden sich ebenfalls auf den oberen Rängen genauso wie lange Erzählformate mit mehreren Episoden. Ein aktuelles Beispiel ist die Produktion „Die Peter Thiel Story“ des Deutschlandfunks.
Ein bisschen ungewöhnlich ist der Hype um die Audioshows durchaus – schließlich bricht er mit sämtlichen Entwicklungen der restlichen Medienwelt. Während Kurzvideos auf TikTok, Instagram und Youtube boomen, die Aufmerksamkeitsspanne immer geringer zu werden scheint, kontert das Format seit Jahren mit ausgeruhten Gesprächsformaten. Podcasts laufen kaum Gefahr, dass jemand zwischendrin abschalte, sind nicht getrieben von Algorithmen. Es gibt keinen Sendeschluss oder eine zeitliche Begrenzung. In kaum einem anderen Format kann so ausführlich über Themen debattiert werden wie in diesem.
Gerade weil Hörerinnen und Hörer so viel Zeit mit ihren Lieblings-Podcasts verbringen, ist das für die Werbebranche besonders attraktiv: Eine enge Verbindung zum Publikum gilt beim Kampf um die Aufmerksamkeit als besonders wertvoll. Auch politische Akteure haben das erkannt: Im US-Wahlkampf galt Donald Trumps Präsenz in langen Podcastformaten und Twitch-Streams als ein Faktor, warum der heutige Präsident insbesondere bei jungen Männern ein gutes Wahlergebnis einfahren konnte.
Dass die Podcast-Branche auch in zehn Jahren noch so aussehen wird wie heute, ist so gut wie ausgeschlossen. Seit Beginn sind Podcasterinnen und Podcaster mit dem ständigen Wandel ihres Mediums konfrontiert. Die Kommerzialisierung und das Aufkommen der Exklusiv-Podcasts Mitte der 2010er Jahre gehörte dazu.
Ein weiterer Trend sind Video-Aufnahmen. Waren Podcasts über Jahre reine Audioproduktionen, setzen inzwischen viele Produzentinnen und Produzenten auch auf begleitende Bewegtbilder. Manche zeichnen ihre Gespräche vor der Webcam auf, andere haben sich gar aufwendige Kulissen gebaut, die denen einer Fernsehtalkshow in nichts mehr nachstehen. Kurze Videos, die aus Podcast-Aufnahmen herausgeschnitten werden, fluten inzwischen die sozialen Medien und bilden dort fast ein eigenständiges Genre. Die erfolgreichsten Formate auf Youtube-Plattform haben alle begleitendes Bewegtbild.
Der Trend dürfte Auswirkungen auf eine ganz andere Branche haben wird: das Fernsehen.Laut YouTube-CEO Neal Mohan haben TV-Bildschirme in den USA erstmals das Smartphone als Gerät für die häufigste Youtube-Nutzung abgelöst, angesichts der wachsenden Zahlen haben auch Videopodcasts dazu beigetragen.
Gut möglich, dass sich das altbewährte Podcast-Format gerade von einem Nebenbei-Medium zu einem wandelt, das man sich auch abends Zuhause auf dem Sofa anschaut. Für viele Konsumentinnen und Konsumenten dürften die langen Gesprächsformate in ihren schicken Studios längst eine Alternative zur klassischen Fernseh-Talkshow sein. Videopodcasts bieten genau das, was es in turbulenten Zeiten am nötigsten braucht: einen ausgeruhten Blick auf Themen, ohne Zeitdruck und Effekthascherei.