Jubel und scharfe Kritik:
Reaktionen auf A39-Kehrtwende
Autobahnausbau für die einen wichtiger Standortfaktor,
für andere Umweltsünde und Geldverschwendung

Der Ausbau der A39 soll nun doch erfolgen. Die Entscheidung der Bundesregierung spaltet die Gemüter im Landkreis Gifhorn.Foto: Sebastian Preuß
Gifhorn/Wolfsburg. Kehrtwende in Sachen Autobahn: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) haben sich nun offenbar doch geeinigt, den Bau der umstrittenen A39 zu finanzieren. „Wir sind uns in der Koalition einig, alles, was bei Straße und Schiene baureif ist und in den nächsten Jahren baureif wird, muss auch finanziert werden können“, erklärt das heimische Mitglied im Bundesverkehrsausschuss, Alexander Jordan (CDU). Die A39 stelle die größte Lücke im deutschen Autobahnnetz dar, und ihre Wirtschaftlichkeit sei längst nachgewiesen. „Jetzt gilt es, für dieses Projekt Flagge zu zeigen und die Realisierung konsequent voranzubringen“, sagt Jordan.

„Gute Nachrichten für unsere Region“, freut sich Bundestagsabgeordneter Hubertus Heil (SPD). Er bezeichnet die Entscheidung als „wichtiges Signal nach einigen Irritationen“ der vergangenen Wochen. „Wir werden bei den Beratungen zum Bundeshaushalt dieser Absprache Taten folgen lassen und die notwendigen Haushaltsmittel bereitstellen müssen. Dafür werde ich mich in Berlin mit aller Kraft einsetzen“, verspricht Heil.

„Das ist ein ganz wichtiges Zeichen für unsere Region. Es zeigt sich, dass Schuldzuweisungen nichts bringen, sondern dass nur eine konstruktive Zusammenarbeit zählt“, äußert sich Landtagsabgeordneter Philipp Raulfs (SPD).

Für Andreas Kirschenmann, Präsident der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) ist die A39 „das wichtigste Infrastrukturprojekt für unsere Region.“ Der Autobahnlückenschluss zwischen Lüneburg und Wolfsburg stehe für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftschancen. „Die Zusage des Bundes zeigt: Politik kann liefern, wenn sie will. Jetzt wird es Zeit für die nächsten Schritte bis hin zum konkreten Baustart.“

Dass die Bundesregierung nun Handlungsbereitschaft signalisiert, sei nicht nur ein wichtiges Zeichen an die Wirtschaft, sondern auch für die Bevölkerung, die seit Jahrzehnten auf den Lückenschluss der A39 warte, betont Kirschenmann: „Unsere Unternehmen brauchen endlich Klarheit und Verlässlichkeit. Ein Hin und Her zerstört Vertrauen – und ohne Vertrauen investieren Betriebe nicht. Mit dem klaren Bekenntnis zur A39 beweist die Bundesregierung, dass sie verstanden hat, worauf es ankommt: Infrastruktur ist das Rückgrat unserer Wirtschaft.“ Gerade die A39 sei nicht nur ein regionales Projekt, sondern auch sicherheitspolitisch und strategisch von Bedeutung – als Bypass zur A7 und für die Industrie- und Forschungsstandorte in Wolfsburg und Unterlüß, die auch im Krisenfall wichtige Industriegüter produzieren.

Auch Detlef Bade, Präsident der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade, begrüßt die Entscheidung zugunsten des A39-Ausbaus: „Gerade das Handwerk ist auf zuverlässige Verkehrswege angewiesen, ob für Materiallieferungen, die Erreichbarkeit von Baustellen oder die tägliche Arbeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Die Handwerkskammer sehe in dieser Entscheidung einen wichtigen Schritt, um die Zukunftsfähigkeit des Handwerks und des gesamten norddeutschen Mittelstands zu sichern.

Bei der BUND-Kreisgruppe ist man natürlich nicht gerade erfreut darüber, dass die Bundesregierung an ihrem Bauvorhaben festhält. „Wir stehen weiterhin gegen einen Ausbau der A39“, sagt Manfred Michel, Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe Gifhorn. Die Kreisgruppe klage daher zusammen mit dem BUND-Landesverband schon zum zweiten Mal am Bundesverwaltungsgericht gegen den geplanten Ausbau. „Ein Ausbau wäre allein wasserrechtlich nicht in Ordnung“, so Michel. „Der geplante Abschnitt 7 liegt im Wasserschutzgebiet, Und auch unter Berücksichtigung des Klimaschutzgesetzes kann man mit dem Autobahnausbau nicht einverstanden sein.“

Der BUND-Landesverband kritisiert: „Die Mittel aus dem Sondervermögen sollten nicht dafür verwendet werden, veraltete, naturzerstörende und klimaschädliche Autobahnpläne zu verwirklichen. Eine Finanzierung von Autobahn-Neubauvorhaben wie die A 39 lehnt der BUND daher vehement ab. Es wäre fatal für die Mobilität in unserem Land, jetzt Mittel von der Sanierung von Brücken, Schienen und Straßen umzuschichten. Auch privates Kapital für den Bau von Autobahnen einzusetzen, ist nicht akzeptabel.“ In der Regel kämen solche Projekte die Steuerzahlende durch garantierte Einnahmen für die Investoren teuer zu stehen.

„Wenn Landesverkehrsminister Tonne von „baureifen“ Autobahnprojekten spricht, können damit nur planfestgestellte Vorhaben gemeint sein", so der BUND-Landesverband. „Dabei gilt es zu beachten, dass an der A39 bisher nur zwei von sieben Abschnitten planfestgestellt sind. Von einem Bau der A 39 ist man in Niedersachsen noch weit entfernt. Alles andere ist Augenwischerei.“

Kostengünstiger und nachhaltiger als ein Neubau sei der Ausbau bestehender Straßenabschnitte, „sollte es tatsächlich einen Bedarf für eine Straßenerweiterung geben“. Der vom BUND vorgeschlagene stellenweise dreistreifige Ausbau der B4 zwischen Lüneburg und Wolfsburg würde beispielsweise nur ein Viertel des geplanten Neubaus der A39 kosten. Die umweltverträglichste Lösung wäre aus Sicht des BUND-Landesverbandes jedoch eine Verlagerung des Güterverkehrs auf Schienen- und Wasserwege.

Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) ist mit der Entscheidung der Bundesregierung nicht einverstanden: „Es ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar, dass in unserem Land weiter Brücken und Straßen unter unseren Füßen wegbröseln, während nun weitere Milliarden in teure, klimaschädliche neue Straßenbauprojekte investiert werden, die zuvor nicht vom Bundeshaushalt gedeckt waren“, kritisiert Hans-Christian Friedrichs, stellvertretender Landesvorsitzender des VCD Niedersachsen.

Besonders irritiere ihn eine mögliche Finanzierung der insgesamt vier Autobahnprojekte durch Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP). Dabei ist seit Jahren wissenschaftlich belegt, dass diese Finanzierung von privater Seite mit deutlich höheren Finanzierungskosten für die öffentliche Hand verbunden ist. Wir fordern Minister Klingbeil daher auf, dieses Finanzierungs-Wirrwarr zu stoppen und das Geld lieber in die klimafreundliche Schiene oder den Erhalt von Straßen und Brücken zu investieren!“ so Friedrichs.

Druckansicht