Katholische Kirche:
Frauen ersetzen Pfarrer
Patricia Hinz und Simone Metz leiten Pfarreien – Sabina Schmidt ist Chefin des Gesamtverbands

Engagiertes Führungstrio: Patricia Hinz, Sabina Schmidt und Simone Metz (v.l.) haben Leitungsfunktionen in der katholischen Kirche in Wolfsburg übernommen.Foto: Britta Schulze
Wolfsburg. Die katholische Kirche in Wolfsburg zeigt Pioniergeist: Zum ersten Mal werden zwei Kirchengemeinden von einer weiblichen Doppelspitze und nicht von einem Pfarrer geleitet. Damit nicht genug: Auch der Gesamtverband der katholischen Kirchengemeinden Wolfsburg hat erstmals eine Geschäftsführerin. Das Führungstrio Simone Metz, Patricia Hinz und Sabina Schmidt sieht diesen „Systemwechsel“ als große Chance, um die Kirche von innen heraus zu modernisieren.

Bis Ende Juni war Dechant Thomas Hoffmann für die Leitung der Pfarreien St. Christophorus Wolfsburg, St. Marien Fallersleben, St. Michael Vorsfelde und St. Altfrid Gifhorn verantwortlich. Doch Hoffmann wechselte zum 1. Juli nach Hannover, wegen des Priestermangels konnte das für Wolfsburg zuständige Bistum Hildesheim keinen neuen Geistlichen nach Wolfsburg entsenden. Immerhin: Ein „moderierender Priester“ – Pater Nikolaus Nonn aus Hannover – ist als „geistlicher Begleiter“ eingesetzt. Denn: Das katholische Kirchenrecht fordert dann doch formal einen Geistlichen an der Spitze – auch wenn er direkt nicht ins Tagesgeschäft eingebunden ist.

Das Tagesgeschäft sieht so aus: Simone Metz (47) und Patricia Hinz (50) leiten die Pfarreien St. Christophorus und St. Marien gemeinsam. Die frühere Gemeindereferentin Hinz ist für die Leitung des pastoralen Teams und die Pfarrei St. Michael zuständig, die vorherige Verwaltungsbeauftragte Metz verantwortet nun den Bereich Immobilien, Finanzen und Personal als Verwaltungsleiterin. „Für die Gemeindemitglieder ist nach außen hin alles gleich“, betont Simone Metz. Und trotzdem ist alles neu: Bisher war für die Leitung einer Pfarrei ein Pfarrer zuständig. Er war qua Amt auch Vorsitzender des Kirchenvorstands und des Gesamtverbands.

Den Gesamtverband der katholischen Kirchengemeinden Wolfsburg leitet jetzt die studierte Diplom-Kauffrau Sabina Schmidt (39), die lange in der Wirtschaftsprüfung gearbeitet hat. Sie ist zuständig für zehn Kindertagesstätten und Familienzentren mit über 950 Kindern und aktuell 342 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zudem ist sie zuständig für zwei Ganztagsbetriebe in Grundschulen (Eichendorffschule, Käferschule) und für die Antonius-Holling-Stiftung, die vor allem benachteiligte Kinder fördert.

Sie ist dreifache Mutter und berufstätig: Damit, so heißt es bei St. Christophorus, kenne sie eher die Lage und die Probleme von Familien als kinderlose ältere Herren - gemeint sind katholische Pfarrer. Die 39-Jährige lächelt: „Ich glaube, dass Frauen eine andere Form der Kommunikation pflegen als viele Männer“, sagt sie.

Bleiben die Kirchenvorstände: In St. Christophorus (12.000 Mitglieder) wurde Michael Sothmann zum Vorsitzenden gewählt, in St. Marien Fallersleben (4.000 Mitglieder) Thorsten Zwittian und in St. Michael Vorsfelde (6.000 Mitglieder) Ingo Schmidt. In Vorsfelde leitet Patricia Hinz die Pfarrei, um die Verwaltungsaufgaben kümmert sich Ingo Schmidt. In St. Altfrid Gifhorn ist Margarete Laumann Verwaltungsleiterin, um das Pastorale kümmern sich zwei Ehrenamtliche und ein pastoraler Mitarbeiter.

Und wie kommt die weibliche Führungsriege bei den Gemeindemitgliedern an? „Viele empfinden einen gewissen Stolz, dass wir in Wolfsburg mit so einer Konstellation anfangen“, berichtet Patricia Hinz. Was sie vor allem überrascht, ist die positive Reaktion vieler älterer Katholiken: „Kürzlich hat mir eine Seniorin gesagt, dass sie ihr ganzes Leben lang auf diesen Moment gewartet habe.“ Ein schöneres Feedback könne es doch gar nicht geben.

Simone Metz bremst trotzdem zu viel Euphorie: „Wir werden von Wolfsburg aus nicht die ganze katholische Kirche revolutionieren.“ Das sei auch gar nicht das Ziel. Im Kern gehe es um eine bessere und effektivere Zusammenarbeit innerhalb der Kirche: „Wir wollen als Gemeinschaft sichtbar werden – nicht nur als einzelne Teile dieser Gemeinschaft." Die drei Führungskräfte setzen große Hoffnungen in den großen Neubau, der ab Anfang 2026 dort entsteht, wo heute noch der „Föhrenkrug“ steht.

„Dort können wir große, zentrale Veranstaltungen durchführen, etwa Elternabende oder Vorträge, die bisher jede Kita einzeln anbietet“, sagt Sabina Schmidt. Patricia Hinz betont: „Das neue Gebäude hilft uns, unsere Vielfalt zu stärken, indem wir alle an einem Ort zusammenführen.“ Für sie ist ein Gedanke von zentraler Bedeutung: „Kirche muss ein Ort sein und bleiben, wo jeder in einer Krise hingehen kann und Hilfe findet.“

Auch Simone Metz steckt große Hoffnungen in den Neubau: „Ich glaube, dass wir künftig auch ganz andere Menschen mit unseren Angeboten ansprechen können.“ An wachsende Mitgliederzahlen glaubt sie nicht, „aber an die Chance, die zu halten, die da sind“. Schon das wäre ein starkes Zeichen in Zeiten, in denen die Zahl der Kirchenaustritte zunimmt.

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