Tagestreff Carpe Diem
sucht neue Bleibe in der Innenstadt
Die Örtlichkeit verhindert den Zugang für viele Hilfesuchende – steile Treppe wird zum Hindernis

Schwieriger Zugang: Über diese Treppe gelangt man zum Tagestreff.Foto: Britta Schulze
Wolfsburg. Im Tagestreff Carpe Diem in der Poststraße finden diejenigen Unterstützung, die wohnungslos sind oder auf andere Weise Hilfe brauchen. Unter anderem wird dort täglich ein Mittagessen zum Preis von 1,50 Euro angeboten, es besteht die Möglichkeit, dort zu duschen oder seine Wäsche zu waschen.

Doch nicht alle, die die Unterstützung gerne in Anspruch nehmen würden, haben Gelegenheit dazu. Der Grund ist den baulichen Gegebenheiten geschuldet. Wer in den Tagestreff gelangen möchte, muss zu Fuß über eine steile Treppe, die auch noch eine Kurve hat, nach oben laufen – dies ist nicht jedem möglich.

„Gerade Rentner sind immer mehr von Altersarmut betroffen“, berichtete Jasmin Hinze, Leiterin des Carpe Diem. „Doch viele Senioren kommen nicht mehr zu uns, weil sie die Treppe nicht hinaufkommen“, ergänzte sie. Dabei würden sie einen Tagestreff als unterstützende Maßnahme eigentlich benötigen.

Andere seien auf einen Rollator angewiesen. Selbst, wenn sie die Treppe noch bewältigen könnten, sei es ein Unsicherheitsfaktor, diesen unten stehenzulassen, da auch andere das Gebäude nutzen. Auch für Suchterkrankte, die möglicherweise zuvor etwas getrunken hätten und leicht torkeln würden, stelle die Treppe eine Gefahr dar.

Aus personellen und zeitlichen Gründen können die Mitarbeiter des Tagestreffs es gar nicht leisten, die Menschen über die Treppe zu begleiten. „Man hat ein Hilfesystem initiiert, das gar nicht in Gänze wirken kann“, sagte Hinze. Und das alleine wegen der baulichen Gegebenheiten.

Daher sucht der Tagestreff bereits seit Jahren nach neuen Räumlichkeiten, dies jedoch vergeblich. Hinze betont, dass es durchaus Angebote in Wolfsburg gegeben habe, diese seien jedoch nicht geeignet gewesen. Eine Bleibe in den Stadtteilen komme für das Carpe Diem nicht infrage, sagte die Leiterin. Denn: „Wer zu uns kommt, muss fußläufig erreichbare kurze Wege haben.“ Das Jobcenter, das Rathaus, der Bahnhof, der sozialpsychiatrische Dienst und das Gesundheitsamt seien die Hauptanlaufpunkte für die Klienten.

Da sich all diese Einrichtungen in der Innenstadt befinden, braucht auch das Carpe Diem Räume, die direkt in der Innenstadt liegen. Zwingend soll der Tagestreff ebenerdig und barrierefrei erreichbar sein. Wünschenswert wäre eine Größe von ungefähr 200 Quadratmetern. Doch Hinze macht deutlich, dass dies nur eine Richtgröße ist. Es komme auch auf den Schnitt der Räume an.

Sie nennt ein Beispiel der jetzigen Unterkunft. „Wenn wir nicht so einen langen Flur hätten, dafür mehr Quadratmeter in der Küche, würde uns das auch schon helfen.“ Derzeit haben die Räume rund 160 Quadratmeter. Ganz wichtig bei einer neuen Bleibe sei zudem, dass es einen Lagerraum für Lebensmittel gebe. Auch dies sei momentan nicht der Fall. Dagmar Alphei vom Tagestreff verdeutlichte die Problematik: „Wenn uns beispielsweise Restaurant übriggebliebenes Essen spenden wollen, können wir das nicht annehmen, weil wir keine Möglichkeit haben, es zu lagern.“

Bereits seit vielen Jahren unterstützt die Werker-Stiftung das Carpe Diem. Auch jetzt überreichten die Verantwortlichen wieder einen Scheck über 10.000 Euro an Dagmar Alphei. Die freute sich riesig über die Unterstützung.

„Wir geben monatlich durchschnittlich 2.500 Euro für Lebensmittel aus“, sagte sie. Mit einem Preis von 1,50 Euro für ein Mittagessen seien diese natürlich nicht gedeckt. „Mit der Spende kommen wir richtig weit“, fügte sie hinzu.

Die Einrichtung wie das Carpe Diem würde von Menschen besucht, die Hilfe benötigen, sagte Rolf Schnellecke, Vorstand des Stiftungsrates der Werker-Stiftung. „Es ist unsere Pflicht, für diese Menschen mitzusorgen“, unterstrich er, warum sich die Stiftung seit Jahren für diesen Zweck engagiert. Zudem lobte er das Engagement der Mitarbeiter und der Ehrenamtlichen. „Ihr Herzblut, ihre Kraft und ihr Einsatz sind es, die das Ganze so toll machen“, sagte er.

Alphei fügte hinzu, dass das Finden neuer Räume „wie Weihnachten und Ostern an einem Tag“ wäre. Nur drei Prozent der Klienten seien Wohnungslose, sagte sie. Die anderen Besucher bräuchten aus anderen Gründen Unterstützung. Zudem betonte sie, dass häufig in den Köpfen der Menschen ein falsches Bild von Einrichtungen wie dem Tagestreff herrsche und manch einer daher vielleicht diesen nicht in seiner näheren Umgebung haben möchte. „Wir sind keine verräucherte Siffbude“, widersprach sie einem häufig bemühten Klischee deutlich. Dies bestätigten auch die Verantwortlichen der Werker-Stiftung, die den Tagestreff als helle und freundliche Einrichtung mit einer netten Atmosphäre lobten.

„Die Stadt Wolfsburg unterstützt den Träger bereits seit einiger Zeit in Zusammenarbeit mit der WMG auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten“, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Bisher sei dies jedoch ohne den gewünschten Erfolg geblieben. Die Stadt werde die Suche aber auch weiterhin aktiv begleiten. Ein gemeinsamer Termin mit der WMG zur weiteren Suche nach geeigneten Räumlichkeiten im Innenstadtbereich sei mit dem Träger besprochen und befinde sich in der Abstimmung.

„Der Tagestreff Carpe Diem ist ein unverzichtbarer Ort der Menschlichkeit in unserer Stadt. Mit großem Engagement bietet das Team hier nicht nur praktische Unterstützung, sondern vor allem auch ein offenes Ohr und ein Stück Würde für Menschen in schwierigen Lebenslagen“, würdigt Oberbürgermeister Dennis Weilmann die Arbeit der Verantwortlichen.

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