Mit der Geschichte des Kanals habe sich Wandschneider befasst, „weil sich zum 80. Geburtstag der Stadt Wolfsburg niemand um den Mittellandkanal kümmerte“, obwohl der damals ebenfalls 80 Jahre alt geworden sei. Denn endgültig fertiggestellt wurde er 1938, also im Gründungsjahr Wolfsburgs.
„Bereits Napoleon wollte einen Kanal bauen, der die östlichen Gebiete erschloss“, sagt Wandschneider über die Geschichte des Mittellandkanals. „Doch es gab viele Widerstände. Zum Beispiel die Braunschweiger Opposition, die gegen einen Kanal votierte und dadurch die frühere Entwicklung verhinderte.“
Der Bau begann schließlich im Jahr 1906. Rund 325 Kilometer lang, ist der Mittellandkanal „die längste künstliche Wasserstraße Westeuropas“, erklärt Wandschneider. „Es ist eine Wirtschaftsader, die auch in trockenen Zeiten, wenn der Wasserstand der Elbe sinkt und die Schifffahrt dort großflächig eingeschränkt wird, weiterhin schiffbar ist.“
Der Bau der Kanalbrücken sei oft erfolgt, während unter diesen noch kein Wasser war. Große Gerüste seien entsprechend nicht nötig gewesen. „Man nahm das Land unter der Brücke weg, indem man dort Erdbau betrieb“, erklärt Wandschneider.
Gebaut worden sei viel von Hand, vor allem von Arbeitern des Reichsarbeitsdienstes, mit Lorenbahnen und Dampflokomotiven. „Die Erdbewegungen betrieb man alle mit Lorenbahnen, es war also eine kleine Dampflokomotive darauf und mit vielen Kipploren wurde die Erde hin und her transportiert“, schildert Wandschneider. Dafür habe man viele Gleise verlegen müssen - etwas, das heute so nicht mehr denkbar wäre. „Es war eine andere Zeit. Auch wenn man die Arbeiter sieht. Im Sommer hatten sie ihre weißen Westen aus Leinen an und im Winter waren es eben dicke Jacken. Heute hat man High-Tech-Kleidung“, sagt der 74-Jährige.
Wie die Lokomotiven hatten auch die ersten Bagger, die beim Bau des Mittellandkanals eingesetzt wurden, hinter dem Führerstand einen Dampfmaschinenraum. „Die Bagger wurden eingeheizt und dann wurde mit Wasserdampf die Kraft für die Maschine gewonnen. Und die Bagger hatten dann auch entsprechende Größen“, sagt Wandschneider.
Im Laufe der Zeit hat der Mittellandkanal viele Ausbaustufen erfahren. Denn ursprünglich sei er für Schleppzüge konzipiert gewesen, bestehend aus jeweils einem Schlepper mit mehreren Schuten dahinter. Bei einer Schute handelt es sich um einen antriebslosen Kahn, mit dem Güter transportiert werden können. Später habe sich der Motorschiff-Bereich entwickelt, erläutert Wandschneider. Ab dann habe es mit der Zeit immer größer werdende Binnenschiffe gegeben. Die Europaschiffe wurden ab Ende der 1960er Jahre entwickelt, sie sind im Normalfall 85 Meter lang, 9,5 Meter breit und haben einen Tiefgang von 2,5 Metern. Damit diese Schiffe überhaupt auf dem Mittellandkanal fahren konnten, seien viele Ausbauten nötig gewesen.
Verändert habe sich im Laufe der Jahre auch die Ladung der Schiffe, erzählt Wandschneider. „Eine Zeitlang wurde sehr viel Schrott vom Volkswagen-Werk transportiert. Da die Automobilindustrie sich aber im Produktionsverfahren gewandelt hat, entfällt das jetzt - und nun wird mehr Getreide transportiert, ebenso wie Düngemittel.“
Und weiter betont er: „Der Kanal war als Wirtschaftsader stets im Wandel. Im Wolfsburger Abschnitt führten in den frühen Jahren Stahlbrücken in die Eingänge des Volkswagen-Werkes. Die Brücken wurden später durch zwei Tunnel ersetzt, die unter dem Kanal durchgetrieben wurden.“ Damit habe der Seeweg grundsätzlich bereits eine spannende Geschichte hinter, aber auch vor sich.