„Das ist schade“: Nachbarn und Kunden werden Uhren Keiser vermissen
Silke Wagner von „Grossartig“ möchte wieder einen Nachbarn, der Kunden in die Innenstadt zieht

Ein Geschäft mit Tradition schließt: Silke Wagner von "Grossartig" wünscht sich einen guten Nachbarn wie Uhren Keiser.Foto: Gero Gerewitz
Wolfsburg. Ob Kunde oder Nachbar: Jeder, den man zur Schließung von Uhren Keiser anspricht, sagt erstmal: „Schade.“ Velten Keiser, der gemeinsam mit seiner Schwester Gesellschafter des Familienbetriebs ist, möchte das Geschäft in der Porschestraße in einigen Monaten schließen. Die Leiter der benachbarten Läden sind traurig, dass jetzt eines der letzten inhabergeführten Geschäfte aus der Innenstadt verschwindet.Viele Passanten blickten am Samstag wehmütig in die Schaufenster. Im Laden standen die Kunden an der Kasse bereits Schlange. Seit Donnerstag, 27. November, läuft der Räumungsverkauf. „Die regulären Preise sind durchgestrichen und durch günstigere ersetzt, der Laden ist gut besucht. Das ist normal“, so Velten Keiser. Am Samstag war sowieso einiges in der Fußgängerzone los, der Weihnachtsmarkt und der Black Friday zogen viele Passanten in die Innenstadt.

Doch so viel viel wie am ersten Adventswochenende sei in der Innenstadt sonst selten los, sagt Keiser. Besonders in den letzten zwei Jahren sei die Kundenfrequenz stark rückläufig gewesen. Zudem würden die Kunden weniger Geld ausgeben. Und dann mache das Internet den Rest: „Die Kunden wurden dazu erzogen, im Internet einzukaufen.“

Stammkunden bei Keiser waren Susanne Schneidereit und ihr Mann. Im Laufe der Jahrzehnte habe das Paar Uhren, Ketten, Armbänder und Ohrringe in dem Geschäft gekauft. Nun stand der vielleicht letzte Einkauf bei dem Juwelier an: Ein Ring soll für Susanne Schneidereit Heiligabend unter dem Tannenbaum liegen. „Es ist so schade, dass das Geschäft schließt. Aber wenn die Leute nur im Internet kaufen, müssen sie sich nicht wundern, wenn die Innenstädte aussterben“, sagt sie.

Hasso Keiser gründete das Unternehmen und wagte 1951 den Schritt nach Wolfsburg. Witwe Brunhilde Keiser sorgte für die glorreichen Jahre des Geschäfts. Sie ist mit ihren 87 Jahren noch nahezu täglich im Geschäft.

Silke Wagner ist mit ihrem Modegeschäft „Grossartig“ seit zwei Jahren neben Uhren Keiser. „Schade, dass das Geschäft nicht weitergeführt wird. Deshalb hoffe ich jetzt auf neue gute Nachbarn“, so die Inhaberin des Geschäfts. Die Geschäftsfrau kann gut nachvollziehen, warum das Traditionsgeschäft aufgegeben wird. Auch sie hat festgestellt, dass „wirklich wenig Laufkundschaft“ in die Innenstadt kommt. „Ich muss viel tun, damit mein Laden läuft. Neben Werbung schreibe ich die Stammkunden an, ohne die wäre es sehr schwer“, sagt Wagner. Ein Geschäft zu führen, sei viel mehr als das reine Verkaufen, sagt Wagner. Als Einzelhändler müsse man selbst in jeder Lage stets das Beste geben. Dazu gehöre es eben auch, Gespräche zu führen. „Die Kunden müssen mit einem guten Gefühl nach Hause gehen, damit sie wieder ins Geschäft kommen.“

Eine etwas andere Einschätzung zur Frequenz in der Fußgängerzone hat Thi Hlion Giang Le, die kürzlich an der Porschestraße 44a ein neues Nagelstudio eröffnet hat. Sie findet, dass die Innenstadt „häufig gut besucht ist“. Das sei eben auch der Grund gewesen, weshalb sie neben Uhren Keiser eingezogen ist. Thi Hlion Giang Le wünscht sich, dass in das Juwelier-Geschäft wieder ein Laden einzieht, der viele Kunden anzieht.

Auch die Geschäftsführerin von „A & H Mode“, die namentlich nicht genannt werden möchte, ist es wichtig, dass es zeitnah wieder eine Vermietung gibt. Ihr Geschäft befindet sich bereits seit 14 Jahren direkt neben Uhren Keiser.

Was die Zukunft tatsächlich bringt, ist noch unklar. Zu einer möglichen Nachnutzung liegen Velten Keiser keine Informationen vor. Nur so viel: Uhren Keiser wird voraussichtlich im Frühjahr 2026 geschlossen – je nachdem, wie der Räumungsverkauf läuft. Und damit verliert Wolfsburg eines seiner letzten inhabergeführten Traditionsgeschäfte.

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