Wegen des Weihnachtsmarktes war der Versammlungsort in der Rothenfelder Straße neben einem Eingang des Geschäfts. Bis viertel vor eins ist keine Angestellte vor die Tür gekommen. Stattdessen schaute die Filialleiterin durch die Eingangstür zum Stand von Verdi. Ein Statement wollte sie der Zeitung nicht geben. Der Vertreter von der Gewerkschaft sprach von „Einschüchterungsversuchen“, um die Beschäftigten kleinzuhalten. „Das sind wir gewohnt. Mit diesen Blicken soll der Austausch zwischen den Mitarbeitern unterbunden werden“, so Jäger.
Das haben die Vorgesetzten aber nicht geschafft, wie Jäger nach dem Ende der Aktion berichtete. Vier Mitarbeiterinnen seien noch gekommen. Dabei haben sie für insgesamt acht Beschäftigten ein rotes Armband mitgenommen, welches sie auf der Arbeit getragen haben. Damit sollte auf die Forderung nach einem Tarifvertrag aufmerksam gemacht werden. Die Mitarbeiter unterhielten sich mit Jäger und erzählten erschreckendes. „Den Mitarbeitern wurde am Samstag mit einer Abmahnung gedroht, wenn sie zum Stand von Verdi kommen“, sagt der Gewerkschaftssekretär.
Verdi hat zur Aktion aufgerufen, weil die Beschäftigten in Deutschland nicht nach den geltenden Tarifverträgen des Einzelhandels bezahlt werden. „Einer Verkäuferin bei C&A gehen damit im Monat teilweise mehr als 400 Euro verloren. Die Angst vor Altersarmut sitzt den Menschen damit spürbar im Nacken“, kritisiert Sabine Gatz, Verdi-Landesfachbereichsleiterin Handel in Niedersachsen-Bremen. Verdi hat in diesem Jahr eine Branchenbefragung in Auftrag gegeben. Laut der Befragung geben 77 Prozent der rund 12.000 Teilnehmer an, ihren Lohn nicht für angemessen zu halten. Der Gewerkschaft zufolge müsste eine Verkäuferin im siebten Berufsjahr 19,75 Euro pro Stunde erhalten.
Jedoch sei Tarifflucht besonders im Einzelhandel ein großes Problem. „In kaum einer anderen Branche steht dem Reichtum der Eigentümer die Armut der Beschäftigten so skandalös gegenüber“, erklärt die Gewerkschafterin. Nach Angaben von Verdi gehört das Unternehmen C&A zu Europas größten Textileinzelhändlern und die Eigentümerfamilie Brenninkmeijer zu den reichsten Großfamilien der Welt. Im Vergleich zu anderen Unternehmen gibt die Familie nur wenig über sich preis. „Business Insider“ berichtete vor einem Jahr, dass die Gründerfamilie wieder das Unternehmen betreibt. Der Berichterstattung zufolge ist C&A nur eine von mehreren Firmen, die über die Dachgesellschaft Cofra verwaltet werden. Demnach verwaltet die Holding in der Schweiz ein Vermögen von über 30 Milliarden Euro.C&A ist nach Angaben von Jäger ein beliebtes Modehaus. Filialen seien in vielen Innenstädten, zum Beispiel in Peine, Braunschweig, Göttingen, Duderstadt, Goslar und Hameln. Die Beschäftigten von insgesamt acht Filialen in Niedersachsen machten mithilfe der Gewerkschaft auf ihre Forderung nach einem Tarifvertrag aufmerksam. In Hannover, Laatzen, Langenhagen, Celle, Lüneburg, Soltau und Osnabrück sollten die Beschäftigten ebenfalls symbolisch ein rotes Armband tragen. Zusätzlich gab es an den größeren Standorten Hannover, Celle, Lüneburg, Osnabrück und Wolfsburg einen Verdi-Stand. „Insgesamt war es in Niedersachsen ein richtig guter Auftakt, um ein Zeichen zu setzen“, sagte Marc Jäger von der Gewerkschaft Verdi.