Alles begann vor rund 3,5 Jahren. „Ich hatte unerklärliche und unaushaltbare Schmerzen“, erinnert Malcher. Ein Marathonlauf an Arztbesuchen ergab die Diagnose „Brustkrebs“. Ihr Onkologe habe bereits unzählige Metastasen in den Organen finden können, was Anlass zu den schlimmsten Befürchtungen gegeben habe. Die Ärzte prognostizierten, dass sie Weihnachten 2021 nicht mehr mit ihrer Familie verbringen werde. Vor zwölf Jahren hatte die Edemissenerin bereits zum ersten Mal mit Brustkrebs zu kämpfen.
Nun setze sie alles auf alternative Behandlungsmethoden. Doch die Barmer, die sämtliche Zusatzleistungen ablehne, mache ihr einen Strich durch die Rechnung. „Die Krankenkasse nimmt einem die Hoffnung, obwohl man starken Lebensmut hat“, kritisiert Malcher. So habe sie beispielsweise eine Haushaltshilfe während ihres Krankenhaus-Aufenthaltes aufgrund einer Leber-Biopsie beantragt. Dieser Anspruch, den gesetzlich Versicherte auf diese Leistung hätten, sei zunächst abgelehnt wurden. „Erst nach vielen unschönen Telefonaten, wenig Verständnis und Empathie seitens der Barmer wurde der Antrag bewilligt“, erklärt die Edemissenerin.
Laut der Barmer habe sie neben der Finanzierung einer Haushaltshilfe auch eine Pflegeleistung erhalten. „Ein gleichzeitiger Bezug beider Leistungen ist rechtlich zwar grundsätzlich nicht möglich“, sagt Julia Franz, Landpressesprecherin der Barmer, „Frau Malcher konnte jedoch geltend machen, dass sie nach Erhalt des Bewilligungsbescheides für Haushaltshilfe auf dessen Rechtmäßigkeit vertrauen durfte.“ Aus Gründen des Vertrauensschutzes sei daher von einer Rückforderung der Haushaltshilfe abgesehen worden.
Ihr Onkologe habe Agnes-Katharina Malcher außerdem zu einer lokalen Hyperthermie geraten, mit der sie gute Überlebungs-, gar Heilungschancen habe. Die Patientin machte sich große Hoffnung, doch das Ergebnis fiel schockierend aus. „Man investiert nicht in Menschen, die keine Chance auf Heilung haben“, habe eine Barmer-Mitarbeiterin am Telefon erklärt. „Da fällt einem die Klappe aber mal ganz weit nach unten“, beschreibt Malcher ihre Reaktion auf das Gespräch. Schriftlich sei der Antrag seitens der Krankenkasse der Begründung, es handele sich um „eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode“ abgelehnt wurden. Ähnlich sei es auch mit der Beantragung einer Kühlkappe gewesen.
Nach Angaben der Barmer sei ein positiver Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Voraussetzung für die Übernahme von Zusatzleistungen durch die Krankenkasse. „Für die Ganzkörper-Hyperthermiebehandlung sowie die Kühlkappentherapie liegen positive Entscheidungen des G-BA nicht vor“, so Franz, „Insoweit mussten leider ein ablehnender Bescheid und ein ablehnender Widerspruchsbescheid erteilt werden.“
Doch damit nicht genug: Die Barmer-Mitarbeiterin habe ihr weiterhin dazu geraten, dass ihre 24-jährige Tochter das Studium abbrechen solle, um ihre Mutter besser im Alltag unterstützen zu können. „Die Barmer ist unmenschlich in ihren Aussagen“, findet Malcher. Den Umgang der Krankenkasse mit ihr sehe sie als Mobbing an. Aus ihrer Sicht handele es sich bei den Maßnahmen um „gezielte Nackenschläge“. „Die Behauptung, Mitarbeitende hätten gegenüber der Versicherten die wiedergegebenen Äußerungen sinngemäß oder wortwörtlich getätigt, müssen wir ganz entschieden zurückweisen“, betont die Barmer-Sprecherin. Schließlich würden die Gesprächsprotokolle, die zu Dokumentationszwecken erstellt würden, keinerlei Anhaltspunkte auf jene Aussagen ergeben.
Nach Widersprüchen seitens der Patientin habe die Barmer ihr das Angebot gemacht, die Hyperthermie mittels eines dauerhaften klinischen Aufenthalts in Süddeutschland durchzuführen.
Doch für diesen Schritt hätte die 51-Jährige ihren Vollzeitjob aufgeben und ihre Familie verlassen müssen. „Das wäre doch kein Leben“, findet Malcher. Das fanden auch einige ihrer Kundinnen und Kunden, die sich mit Briefen für die krebskranke Frau einsetzten. So auch Tim Katscher, Standortleiter des Action-Logistikzentrums in Peine, der schon viele Jahre mit Agnes-Katharina Malcher zusammenarbeite.
Die Diagnose sei auch für Katscher ein großer Schock gewesen. „Ich finde es aber total mutig, wie Frau Malcher damit umgeht und sich nicht kleinkriegen lässt.“
Das Verhalten seitens der Barmer habe auf ihn so gewirkt, als ob man wenig Rücksicht auf die Patientinnen und Patienten nehme. „Da wird man mit Bürokratie überhäuft, wenn es einem sowieso schon schlecht geht“, kritisiert Tim Katscher. Das Engagement hatte ein Patienten-Kommitee zur Folge, welches gegen die Edemissenerin entschied.
Eine Anforderung der Unterlagen zeigte, dass dem Kommitee jedoch lediglich die schriftlichen Widersprüche Malchers, nicht aber ihre Krankenakte für diese Entscheidung vorgelegen habe. „Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren vor dem Ausschuss nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ergeben sich nicht“, erklärt Julia Franz, „Beide Bescheide sind mit einer hinreichenden rechtlichen Begründung versehen worden.“
„Mein Körper ist voller Metastasen und ich bin trotz Schmerzen zur Arbeit gegangen“, sagt Malcher, die nicht verstehen kann, warum sie so wenig Unterstützung seitens der Barmer erfährt. Aus ihrem Umfeld kenne sie zwei Frauen, die all die Zusatzleistungen finanziert bekämen. Seit Mittwoch, 13. Dezember, sei sie krankgeschrieben. „Ich möchte mir eine physische und psychische Auszeit gönnen“, begründet sie.
Doch vor rund zwei Wochen der nächste Schock: Die Barmer wolle sie zwangsberenten. „Von dem wenigen Geld, was mir dann noch bliebe, könnte ich aber noch nicht mal meine Medikamente bezahlen“, betont sie. Auf PAZ-Anfrage weist die Barmer jedoch ihre Zuständigkeit für diesen Bereich zurück. „Über die Bewilligung beispielsweise einer Erwerbsminderungs- oder Altersrente entscheidet der jeweils zuständige Rentenversicherungsträger“, erklärt Franz.
Malcher bangt nicht nur um ihr Leben, sondern auch um ihre Existenz. Aber dennoch ist Aufgeben keine Option für sie. „Es kann jeden treffen: Sichert euch ab und klärt zu gesunden Zeiten, welche Leistungen eure Krankenkasse übernimmt“, rät sie allen Peinerinnen und Peinern.