Als Leiter einer Grund- und Hauptschule kennt Schönaich die Probleme von Kindern und Jugendlichen. „Durch Handy, Playstation und Co. geht viel Bewegung verloren“, weiß der Lehrer. „Wir sind früher auf Bäume geklettert und haben irgendwo Buden gebaut. Welches Kind macht das heute noch? Besser gesagt: Welches Kind darf das heute noch machen? In der Öffentlichkeit werden solche Aktivitäten heute doch eher als störend empfunden.“
Das Resultat: Der natürliche Bewegungsdrang, die eigene Körperwahrnehmung und das Erlernen der eigenen Selbsteinschätzung gehen verloren. „Diese Probleme müssen heute in den Schulen aufgefangen werden“, sagt Schönaich. „Schulen müssen sich aufmachen, Bewegung in den Alltag einzubauen.“ Auch an seiner Schule gebe es Kinder, die stark übergewichtig sind. „Es sind bislang noch Einzelfälle“, so Schönaich. „Fehlendes Wissen über gesunde Ernährung und Bewegungsmangel betrifft aber sehr viele Kinder.“
Das belegen auch die Zahlen des Robert-Koch-Instituts. Aktuell sind nach der letzten „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS) genauso viele Kinder und Jugendliche übergewichtig oder adipös wie vor zehn Jahren. 15,4 Prozent der Mädchen und Jungen im Alter von 3 bis 17 Jahren sind aktuell übergewichtig oder adipös, 5,9 Prozent haben eine Adipositas, also starkes Übergewicht. Dabei würden sich keine geschlechterspezifischen Unterschiede zeigen.
Und die Studie zeigt auch: Je älter Kinder werden, desto größer ist der Anteil der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen in den verschiedenen Altersgruppen. Unter den Drei- bis Sechsjährigen sind 10,8 Prozent der Mädchen und 7,3 Prozent der Jungen übergewichtig. Bei den 14- bis 17-Jährigen steigt der Anteil bei Mädchen auf 16,2 Prozent und bei Jungen auf 18,5 Prozent. In Niedersachsen gab es im Jahr 2022 rund 22.000 Kinder im Alter bis zu neun Jahren, die an Adipositas erkrankt sind. Das ergab der aktuelle Arztreport der Barmer-Krankenkasse. Darin heißt es auch: „Fettleibigkeit erhöht das Risiko für diverse Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“
Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, werden in Kindergärten und Schulen immer häufiger spezielle Sport- und Ernährungsangebote gemacht. Ein weiterer Punkt auf der langen Agenda der Lehrkräfte, die ohnehin immer häufiger Bereiche der Erziehung übernehmen. Doch ist das der richtige Weg? „Letztendlich fehlen oft die Vorbilder im Elternhaus“, erklärt Schönaich, der bei Projekten wie dem beliebten „Schulobst“, bei welchem Schulen frisches Obst gespendet bekommen, auch die Kehrseite der Medaille sieht. „Wenn Eltern sehen, dass die Kinder in der Schule mit Obst versorgt werden, landet am Morgen kein Apfel mehr in der Brotdose. Sie müssen sich die Mühe ja nicht mehr machen“, hat Schönaich beobachtet. „Das wird den Kindern auch so vermittelt. Sie kommen dann kaum noch mit der Zubereitung in Berührung. Es wird ihnen nicht vorgelebt.“
Der Pädagoge geht dabei sogar noch einen Schritt weiter. „Wenn Kinder es nicht lernen, werden sie es später auch nicht machen“, so Schönaich. „Und die geben es dann wiederum irgendwann an die eigenen Kinder so weiter.“ Ein Teufelskreis, den viele Schulen durchbrechen wollen. An der Burgschule etwa wird unter anderem regelmäßig der „Messer-Führerschein“ gemacht, um den richtigen Umgang mit dem wichtigen Küchenutensil zu lernen. Außerdem werden dort sämtliche stark zuckerhaltigen Lebensmittel und Getränke „einkassiert“, wie der Schulleiter sagt. „Wir nehmen am Projekt ’Wasserschule’ der fit4future foundation Germany teil und haben mobile Wasserspender aufgestellt, an denen die Kinder und Jugendlichen jederzeit ihre eigenen Flaschen auffüllen können.“
Lehrkräfte übernehmen heute gut 60 Prozent Erziehungsarbeit und 40 Prozent intellektuelle Ausbildung, schätzt Schönaich. Früher habe Letzteres mit 80 Prozent deutlich überwogen – zumindest bei seiner Schulform, so der Pädagoge. An seiner Schule, wie an vielen weiteren Schulen im Landkreis Peine auch, bemühen sich die Lehrkräfte um immer mehr Angebote, um Kinder entsprechend zu fördern. Ob Sportförder-Unterricht, bewegte Pause oder Spielangebote – dass Bewegung wichtig ist, rückt bei immer mehr Schulen in den Fokus. „Bewegung ist ja nicht nur wichtig für die Gesundheit. Sie fördert auch die Konzentration und die Aufnahme für Lerninhalte“, verdeutlicht Schönaich. „Schulen müssen sich Konzepte einfallen lassen, es müssen Angebote her.“
Der Frontalunterricht ist an der Burgschule vielmals durch offene Unterrichtsformen ersetzt worden. Starre Stühle etwa wurden durch sogenannte „Kipper“ ersetzt, die ein Wippen ermöglichen. „Kinder brauchen einfach Bewegung. Wir alle brauchen mehr Bewegung. Da nehme ich mich nicht von aus“, sagt Schönaich. „Die digitale Welt erleichtert es, vieles vom Platz aus zu erledigen. Auch wir Erwachsene müssen an uns arbeiten.“