„Wir haben eine Wohnfläche von rund 60 Quadratmetern“, sagt Marvin Fick. Das wird durch einen Trick erreicht: Auf beiden Seiten sind bewegliche Elemente montiert, die mittels einer Hydraulik ein- und ausgefahren werden können. Reisebereit ist der Wagen etwa 14 mal 2,5 Meter groß und damit noch für den allgemeinen Straßenverkehr tauglich. Ausgezogen kommt er auf eine Grundfläche von rund 13 mal 4,5 Metern und bietet von der Einbauküche über die Wohnlandschaft bis zur Badewanne alles, was in jeder üblichen Wohnung zu finden ist. Auf modernen Komfort muss die junge Familie nicht verzichten.
An einem Ende ist das kleine Zimmer der dreijährigen Helen. Dort gibt es zwar ein Doppelstockbett, aber zurzeit hat sie den Raum noch für sich allein. Ihr kleiner Bruder Johann ist erst zweieinhalb Monate alt und schläft zurzeit noch bei den Eltern, die auf der gegenüberliegenden Schmalseite des Gefährts ihr Schlafzimmer haben. „Wir leben das ganze Jahr über im Wohnwagen. Im Sommer sind wir unterwegs, und in den Wintermonaten steht er in unserem Heimatort Nienburg an der Weser auf dem Grundstück meiner Schwiegereltern“, erzählt Jenna Schmitz.
Den kleinen Johann hat sie in Lüneburg zur Welt gebracht. Das war an einem Mittwoch. Am Freitag sind Mutter und Kind nach Hause in den Wohnwagen gekommen, über das Wochenende war dort ein Fest, bei dem das „Heroes Action Karussell“ der jungen Familie im Einsatz war. „Am Dienstag sind wir zur nächsten Veranstaltung gereist. Da war ich schon wieder als Fahrerin in den Betrieb eingeplant“, sagt die 30-Jährige. Sie steuert das Auto, das den Wohnwagen der beiden festen Mitarbeiter zieht. Für den eigenen wird eine größere Zugmaschine gebraucht, zwei weitere für den Transport des Fahrgeschäfts.
Doch bevor es auf die Straße geht, heißt es nicht nur, das Karussell abzubauen. Auch der Wohnwagen muss reisefertig gemacht werden. Da geht es nicht nur um den Strom- und Wasseranschluss. Im Inneren werden die Teppiche hochgenommen, alle beweglichen Elemente gesichert und die Seitenteile eingefahren. „Das alles dauert rund zwei Stunden. Am neuen Standort sind wir ebenso lange beschäftigt, um alles wieder herzurichten“, erklärt das Paar. Sich bei fast jedem Einkauf in einem anderen Supermarkt zurechtfinden zu müssen oder unterwegs einen Termin bei einem Kinderarzt zu bekommen, seien weitere Herausforderungen des Alltags. Trotzdem kann und will sich das Paar kein anderes Leben vorstellen. „Wir stammen beide aus Schausteller-Familien und sind das von klein auf gewohnt“, sagen sie.Helen ist jetzt im Kindergartenalter. „Regelmäßig in eine Einrichtung schicken können wir sie natürlich nicht. Aber bei Veranstaltungen, die über mehrere Wochen gehen, gibt es oft eine Kinderbetreuung. Da wird sie dann hingehen, um in Kontakt mit Gleichaltrigen zu kommen“, blicken die Eltern nach vorn. Schwieriger wird es mit der Schule. „Manche Schausteller-Kinder reisen mit und wechseln entsprechend häufig die Schule. Bei mir war es so, dass ich bei meiner Uroma gelebt habe und nur in den Ferien mit meinen Eltern unterwegs war“, schildert Fick. „Meine Familie hat nur umliegende Veranstaltungen bedient und konnte pendeln, so dass ich auch eine feste Schule hatte“, erklärt seine Partnerin. Wie sie den Schulbesuch ihrer Kinder organisieren werden, stehe noch nicht fest.
„Wir reisen mit unserem recht besonderen Fahrgeschäft durch ganz Deutschland, und die Route ändert sich jedes Jahr. Ich muss jedes Mal alles neu planen und aufeinander abstimmen. Das ist ein enormer Aufwand, der mit rund 500 Bewerbungen einhergeht“, macht Fick deutlich. Sein Bestreben sei es, die täglichen Fahrtstrecken möglichst moderat zu halten. Lange Touren seien nicht nur – insbesondere mit zwei so kleinen Kindern – eine Strapaze, sondern auch teuer. „700 Kilometer mit dem Fuhrpark zurückzulegen kosten uns etwa 3.000 Euro“, rechnet der 30-Jährige vor.
Doch nicht nur deshalb freut er sich sehr darüber, dass er diesmal beim Peiner Freischießen berücksichtigt wurde, das für Schausteller-Verhältnisse von Nienburg aus quasi um die Ecke liegt. „Das Fest hat überregional einen sehr guten Ruf, und für uns hat sich das bislang bestätigt. Die Absprachen im Voraus liefen reibungslos und die Atmosphäre ist sehr familiär. Wir haben uns schon beim Ankommen wohlgefühlt.“
Eine ganz große Bitte haben die Schausteller an die Feiernden, nicht nur in Peine: „Wir bewegen immense Werte über die Straße“, macht Marvin Fick deutlich. Allein ein neuer Wohnwagen in der Ausführung, wie ihn seine Familie nutzt, koste rund 600.000 Euro. Deshalb sei es sehr ärgerlich, wenn es zu Beschädigungen komme. „Schon eine kleine Delle an der Außenwand macht es mitunter schwierig bis unmöglich, das entsprechende Seitenelement einzufahren. Da ist alles auf den Millimeter genau angepasst. Bei den Fahrgeschäften verhält es sich ähnlich“, erklärt der junge Familienvater. Deshalb wünscht er sich auch im Namen seiner Berufskollegen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Dass nicht nur den Schaustellern, sondern auch deren Eigentum wertschätzend begegnet wird.