Das Robert-Koch-Institut hat postuliert, dass Menschen ab 84 Jahren durch Sommerhitze besonders gefährdet sind: weil das Durstgefühl im Alter nachlasse - und ein Mangel an Körperflüssigkeiten das Blut zähfließender mache, was anstrengend fürs Herz sei, denn es muss mehr pumpen. Weniger Flüssigkeit im Körper bedeute aber auch weniger Schweißproduktion für die Kühlung des Körpers, was wiederum zu Kreislaufproblemen - bis hin zum Kollaps - führen könne. „Pflegebedürftige Menschen gehören zu den Hochrisikogruppen für hitzebedingte Erkrankungen wie Sonnenstich und Hitzeschlag, die sogar bis zum Tode führen können“, erklärt die Pflegedienst-Betreiberin Bettina Tews-Harms.
Insbesondere Menschen mit kognitiven Einschränkungen sind nach ihren Worten gefährdet, weil sie „die Gefahr nicht mehr erkennen und deshalb auch nicht adäquat reagieren können“. Umso wichtiger sei es deshalb, dass pflegende Angehörige und professionell Pflegende darauf achteten, dass diese Menschen ausreichend geschützt werden.
Cooler Tipp zur Flüssigkeitszufuhr: „Kleine Eiswürfel mit dem Lieblingsgetränk einfrieren, die über den Tag gelutscht werden können.“ Weiter geht‘s mit dem Tragen einer Kopfbedeckung mit Nackenschutz sowie leichter Kleidung. Die Wohnung kühl halten durch frühmorgend- und spätabendliches Lüften, Vorhänge und Ventilatoren oder Klimageräte. Pflegende Angehörige sollten sich über Wetterdienste zu Hitzewellen informieren, „um gut vorbereitet zu sein“. Weitere Tipps aus der Praxis: Buch führen über Trinkmengen und „wenn der Urin sehr konzentriert riecht, wurde vermutlich zu wenig getrunken“. Auf Anzeichen des Körpers achten wie trockene Haut, trockener Mund, roter heißer Kopf, Schwindel, Übelkeit, Unruhe und Erregung, Verwirrtheit oder ungewöhnliche Müdigkeit, Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit.
Außerdem sollte die Raumtemperatur gemessen werden und - in Absprache mit dem Arzt - gegebenenfalls eine bestehende Medikation an die veränderten Bedingungen angepasst werden. „Kühlpacks, feuchte Tücher auf Stirn und Nacken oder kühlende Fußbäder können helfen, die Körpertemperatur zu senken“, so die Expertin, die bei Bettlägerigkeit empfiehlt, ein Laken als Zudecke und „so wenig Kissen wie möglich“ zu verwenden, letzteres mit einem saugfähigen Handtuch zu bedecken und wenn möglich auf Einwegwindeln zu verzichten und stattdessen eine Netzhose mit Einlage zu verwenden. Für noch mehr Infos empfiehlt Tews-Harms pflegenden Angehörigen die Broschüre „Pflege und Hitze“ des bayrischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. In Pflegeeinrichtungen würden zusätzlich Hitzeschutzpläne erstellt und das Pflegepersonal speziell geschult. „Und es wird teilweise in Renovierung und Sanierung mit hitzepräventiven Baumaßnahmen investiert“, berichtet Tews-Harms.
Die Stadt Wolfsburg verweist zum Thema Hitze und Senioren auf den „Hitzeknigge“, der unter anderem auf ihren Internetseiten zu finden ist. Auch er bietet „Tipps für heiße Tage“: von der Vermeidung körperlicher Aktivitäten über „leichtes, frisches und kühles Essen“, luftige Kleidung sowie eine Kühlung des Körpers durch Fußbad oder Thermalwasserspray bis zur richtigen Lagerung von Medikamenten - kühl. „Aktuell arbeitet die Stadt noch an einem Hitzeaktionsplan, der die kommunalen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und deren Umsetzung bündelt“, wie Pressesprecher Ralf Schmidt erklärt.
„Konkrete Hilfsangebote zum Hitzeschutz für Senioren gibt es bei uns nicht“, erklärt auf Anfrage auch sein Kollege Fabian Laaß vom Landkreis Peine und empfiehlt, was Tews-Harms rät oder der gesunde Menschenverstand: Allem voran extreme Hitze meiden, die Wohnung und den eigenen Körper kühl halten und genug Flüssigkeit zu sich zu nehmen. „Mehr Bänke im Schatten zum Ausruhen mit Lehnen, damit man besser aufstehen kann“, wünscht sich die Peiner Seniorenbeirats-Vorsitzende Ingrid Hoyer. Für die 84-Jährige selbst sei Hitze nicht so schlimm: „Ich kann das gut vertragen.“ Auch die Schaffung öffentlicher „Trinkmöglichkeiten“ wie Trinkbrunnen befindet Hoyer für gut: „Damit sich Senioren nicht mit Trinkflaschen abschleppen müssen.“ Eine andere Idee wäre, an heißen Tagen Örtlichkeiten zu öffnen wie das Forum in Peine oder die ehemalige Gaststätte Weißer Schwan, „wo man sich abkühlen kann“.
Der Landkreis Gifhorn hat zum 1. Juni ein „Hitzetelefon“ gestartet. Senioren, die sich zuvor dafür angemeldet haben, werden im Falle einer offiziellen Hitzewarnung des Deutschen Wetterdienstes angerufen, um sie über präventive Maßnahmen zu informieren. „Bislang haben sich 17 Personen über 65 Jahre registriert“, so Landkreissprecherin Anja-Carina Riechert. Nach der Anmeldung erfolgte eine ausführlichere Erstberatung und der „Hitzeknigge“ wurde versandt. Über Hitzewarnungen informiert wurden die Registrierten bisher zweimal. „Bei Nichterreichen wurde ein weiteres Mal angerufen“, so Riechert. Eine Anmeldung fürs Hitzetelefon sei per E-Mail an hitzetelefon@gifhorn.de oder telefonisch unter (05371) 828840 möglich.
„Das Hitzetelefon ist überflüssig, purer Aktionismus“, poltert indes Friedhelm-Hubertus Voigt. Der 78-Jährige ist nicht nur Vorsitzender im Seniorenbeirat der Samtgemeinde Isenbüttel und des Landkreises Gifhorn, sondern auch im Vorstand des Landesseniorenrats. Ältere Menschen, die noch alleine lebten, wüssten, „wie sie sich bei Hitze zu schützen haben“. Und weiter: „Ihnen braucht man nicht zu sagen, wie sie sich benehmen sollten“. Auch stehe der zu treibende personelle Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Wirklich wichtig sei Hitzeschutz - insbesondere baulicher Art - in Alten- und Pflegeheimen: „Da muss noch viel gemacht werden.“ Für gut befindet Voigt ansonsten die Initiative der Deutschen Umwelthilfe, die 190 deutsche Städte anhand des Vergleichs von Grün- und versiegelten Flächen auf ihre „Hitzetauglichkeit“ untersucht und „rote, gelbe und grüne Karten verteilt hat“.