„Diese sechs jungen Männer sind etwas ganz Besonders“, sagt die Krankenschwester Miriam Höhne-Freitag, die die zentrale Praxisanleiterin in dem Pflegeheim ist. Hingebungsvoll würden sie sich um die Bewohner und Bewohnerinnen kümmern. „Sie sind so reinlich, sehr gründlich und so empathisch“, lobt Schwester Miriam ihren Nachwuchs, der nach dem ersten Blockunterricht seit dem 25. September 2024 in dem Pflegeheim ist. Auf jede Kleinigkeit würden die jungen Männer achten und sich liebevoll um die alten Menschen kümmern. Ihnen würde es sogar auffallen, wenn Ohren- oder Nasenhaare entfernt werden müssten und diese Aufgabe dann auch ohne Scheu übernehmen. Den Grund dafür sieht Schwester Miriam in der algerischen Kultur begründet. „Sie ehren ihre alten Menschen“, so Schwester Miriam und dies würde man merken.
„Die Bewohner sind unsere Omas und Opas. Wir pflegen mit Herz und Gefühl“, bestätigt der 28-jährige Ayyoub, der aus der nordwestalgerischen Großstadt Tlemcen stammt. In seiner Heimat würden die älteren Menschen von ihren Familien gepflegt – das ist für ihn völlig normal. Heimplätze gäbe es selten. In Algerien hatte er Biologie studiert und in einem Labor für medizinische Analysen gearbeitet. Fan von Deutschland sei er schon in der Kindheit gewesen, sagt er. Auf diese Ausbildung sei er jedoch durch seinen Freund und Nachbarn Younes gekommen. Younes ist einer von drei Auszubildenden, die im letzten Jahr im ersten Ausbildungskurs beim Pflegeheim-Betreiber Korian angefangen hat. „Er hat mir erzählt, wie gut es ihm gefällt“, sagt Ayyoub. Das Pflegestudium sei in Algerien hoch angesehen, fügt Ayyoub hinzu. „Nur die Schüler mit den besten Abiturnoten studieren Medizin oder Pflege“, sagt sein Mitauszubildender Mohammed (26).
Auch Mohammed hat in Algerien fünf Jahre studiert und seinen Master in Maschinenbau gemacht. Sein Traumberuf war jedoch Pfleger. Aus dem Internet habe er erfahren, dass Deutschland Arbeitskräfte in dem Bereich benötigt. Wie seine Mitauszubildenden absolvierte er einen sechsmonatigen Sprachkurs am algerischen International Institut für Studies and Cooperation (IISC) und legte eine Prüfung ab. Dann folgten Interviews und die Vermittlung nach Deutschland.
Auf diesem Weg ist auch der 23-jährige Djallil in das Haus Charlottenhof gekommen. Wie seine Mitauszubildenden gehört er zu Schülern der in Braunschweig neu gegründeten Pflegeklasse des Pflegedienstleisters Korian. In Kooperation mit der Akademie für Pflegeberufe und Management (apm) bildet Korian in Braunschweig seit dem 2. September 2024 seinen Nachwuchs in Niedersachsen selber aus. „Das ist eine sehr anspruchsvolle Ausbildung“, sagt Schwester Miriam. Die Auszubildenden durchlaufen in ihrer dreijährigen Ausbildung viele Stationen unter anderem in der ambulanten Pflege, der Psychiatrie, in Kindergärten, in Krankenhäuser und in Pflegeheimen. Deshalb bewundert sie die jungen Männer, die mit wenig Deutschkenntnissen den Mut haben, sich dieser Herausforderung zu stellen.
Mut haben die Auszubildenden bereits viel früher bewiesen, als sie ihre gewohnte Umgebung, ihre Freunde und Familien verlassen haben. Ein bisschen vermissen sie dies alles schon. „Meine Eltern haben aber meine Entscheidung unterstützt, da sie wissen, dass hier meine Zukunft ist“, sagt der 23-jährige Djallil. Sehr viele junge Menschen würde es in Algerien geben und nicht genügend Arbeitsplätze, sagt auch Ayyrub. Auch einer seiner Brüder will jetzt Pfleger werden und besucht schon einen Sprachkurs.
Den geeigneten Wohnraum für ihre sechs Auszubildenden zu bekommen, war eine große Herausforderung für Schwester Miriam. Noch im Oktober werden sie in zwei Wohnungen als Dreier-Wohngemeinschaften einziehen. Die gesamte Ausstattung für die Wohnung hat sie noch nicht zusammen, aber auf ihren Aufruf auf Facebook hat eine Peinerin für eine WG zwei neue Sofas von Ikea, Kissen, Hocker und Blumen gekauft und sie gespendet. „Sie war selber im Ausland und wusste, wie schwer ein Anfang in einem anderen Land sein kann“, sagt Schwester Miriam voller Dankbarkeit der Spenderin gegenüber. Noch fehlen zwar zwei Waschmaschinen und kleine Küchengeräte, Schwester Miriam hofft auch diese bald zu bekommen.
Für Miriam Höhne-Freitag sind die Auszubildenden aus Algerien eine Bereicherung in der Pflege, auch weil sie von den Bewohnern herzlich empfangen wurden. Und für die jungen Männer ist ihre Ausbildung eine Bereicherung – denn ihre Zukunft sehen sie in der Pflege in Deutschland.