„Ein Stück weit ist es wie nach Hause zu kommen“, sagt Michael Glawion. Er freue sich sehr, bald wieder in Peine zu sein, auch wenn er dies nicht wirklich geplant hatte. 1974 kam er in Peine zur Welt, wuchs in Stederdorf auf und besuchte in Peine die Schule. Vor 30 Jahren bestand er sein Abitur am Ratsgymnasium. Danach zog er zum Studium in andere Städte. Zunächst studiert er einige Semester Rechtswissenschaften in Hannover. „Erfolglos war ich dabei nicht“, sagt der 50-Jährige. Doch die Atmosphäre und der Umgang der angehenden Juristinnen und Juristen untereinander brachten ihn zum Nachdenken. Für den Entschluss, das Studienfach zu wechseln, benötigte er dann einige Zeit. Denn in den 1990-er Jahren gab es viele Theologen und die Chancen, nach dem Studium in den Pfarrdienst übernommen zu werden, standen ziemlich schlecht. Trotzdem entschied er sich, evangelische Theologie zu studieren, ging dafür nach Bonn und Wuppertal. Seine erste Stelle als Pastor trat er 2008 in Oerel bei Bremervörde an. Von 2017 bis 2023 war Michael Glawion Pastor in Buxtehude bevor er 2023 nach Hannover wechselte. Dort ist er noch bis Ende Januar 2025 als Referent des Stadtsuperintendenten tätig.
Dass die Stelle des Superintendenten in Peine neu besetzt werden musste, erfuhr Glawion erst, nachdem er sich für den Wechsel nach Hannover entschieden hatte. Sein Vorgänger Dr. Volker Menke im höchsten Leitungsamt eines Kirchenkreises wurde nach elf Jahren im Amt Ende April 2023 in den Ruhestand verabschiedet. „Gedanklich hatte ich mich schon länger damit beschäftigt, mich irgendwann einmal auf die Stelle eines Superintendenten zu bewerben“, sagt Glawion. Peine habe dabei auf der Liste seiner Wunschorte gestanden. Dennoch hatte er sich bei der ersten Ausschreibung der Stelle nicht beworben. „Der Zeitpunkt erschien mir zu früh, da ich mich gerade für die neue Stelle in Hannover entschieden hatte“, erklärt er. Allein aus Karrieregründen seine Zusagen nicht einzuhalten, kam für ihn nicht infrage. Als sich nach der ersten Bewerbungsfrist aber keine geeignete Person fand und die Stelle erneut ausgeschrieben wurde, begann Michael Glawion über eine Bewerbung nachzudenken. „Mein Heimatkreis liegt mir am Herzen. Ich hatte das Gefühl, dass es wohl so sein soll und der richtige Zeitpunkt gekommen ist“, sagt er. Ermutigt nach Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen bewarb er sich und wurde von der Kirchenkreissynode ausgewählt.
Herausfordernd wird seine neue Aufgabe sein, darüber ist sich Glawion bewusst. „Das, was auf mich zukommt, ist nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig“, sagt der 50-Jährige. Als Referent des Stadtsuperintendenten hat er in den anderthalb Jahren wertvolle Erfahrungen gesammelt und Einblicke in Themen erhalten, die ihn als Superintendent des Kirchenkreises Peine beschäftigen werden. Seine Amtszeit wird von Veränderungen geprägt sein: „Und die sind selten schön“, sagt der evangelische Pastor. Sichtbar wird dies sofort: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger wird er keinen Pfarrstellenanteil in St. Jakobi haben und damit auch nicht im Kirchenvorstand sitzen. Steigende Austrittszahlen, erwartete Einbrüche bei Finanzmitteln, immer weniger werdende Zahl der Pastorinnen und Pastoren beschäftigen die Landeskirche Hannover schon heute und werden auch für ihn eine Rolle spielen. Einige Gemeinden könnten bereits jetzt Pfarrstellen nicht mehr besetzen.
Wichtig ist Glawion, auf die veränderten Bedürfnisse und Wünsche der Menschen nach Begleitung oder Segen einzugehen. „Der Wunsch nach individueller Begleitung wird mehr und mehr zu einer Herausforderung werden, wenn es weniger Pastorinnen und Pastoren gibt - und doch wollen wir für die Menschen und ihre Bedürfnisse da sein“, sagt Michael Glawion. Eine erste Antwort auf diese Entwicklung seien sogenannte Kasualagenturen, die in Städten wie Hamburg, Berlin und Frankfurt am Main Menschen unabhängig von festen Gemeinden begleiten. Das Wort Kasualien stammt vom lateinischen Wort casus und bedeutet Fall oder Gelegenheit. Bei Kasualien oder Kasualhandlungen werden die Menschen an wichtigen Stationen in ihrem Leben begleitet und gesegnet. Dies können die Geburt eines Kindes, eine Eheschließung, aber auch die Einschulung oder ein runder Geburtstag sein.
Die Gemeinden haben mit vielfältigen Herausforderungen zu kämpfen: Die Kirchengemeinden denken oft noch in den Strukturen einer klaren Zuordnung der Gemeindeglieder zu einer bestimmten Gemeinde. „Diese klare Zuordnung zu ihren Kirchengemeinen ist aber vielerorts bei den Kirchenmitgliedern verloren gegangen“, sagt der zukünftige Superintendent. Ihn beschäftigen auch Studien, die prognostizieren, dass die Finanzkraft der Kirche bis 2060 stark zurückgehen wird. Hier könnten die Kirchen-Immobilien zu Problemen führen. Kirchen, Gemeinde- und Pfarrhäuser müssen unterhalten werden und kosten jede Menge Geld. „Wir müssen uns gut überlegen, welche Immobilien wir brauchen und welche nicht“, sagt Michael Glawion. Gute Lösungen gäbe es bereits: Er verweist auf ein Beispiel aus Heyersum im Landkreis Hildesheim, wo das Gemeindehaus verkauft und stattdessen ein Gemeinderaum in die Kirche integriert wurde. „Solche Entscheidungen sind nicht leicht, aber sie bieten Chancen für gute Lösungen.“ Dabei ist ihm klar, dass die schwierigen Entscheidungen emotional viel mit den Menschen in den Gemeinden machen. Er vertraut aber darauf, dass in enger Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort die Probleme definiert und gelöst werden können. „Veränderungen wird es geben müssen – wir haben keine Wahl“, stellt Michael Glawion klar.
Trotz aller Herausforderungen geht Glawion zuversichtlich in sein neues Amt. Sein Ordinationsspruch gibt ihm dabei Kraft: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Timotheus 1,7). Dieser Vers begleitet ihn und ist zu seinem Leitspruch geworden. „Wir Menschen neigen dazu, uns von Furcht treiben zu lassen. Aber die Furcht führt uns nicht nach vorn, dagegen brauchen wir etwas und dies ist der Geist der Liebe“, sagt Michael Glawion. Wichtig sind ihm deshalb ein vertrauensvolles Miteinander und ein respektvoller Umgang. „Besonnenheit ist uns geschenkt. Gott hat uns mit Verstand gesegnet, um gute Entscheidungen zu treffen“, sagt Michael Glawion. Die Augen vor Problemen zu verschließen, sei die schlechteste aller Lösungen, so der zukünftige Superintendent. Humor ist für ihn ein wichtiger Begleiter, denn das Leben ist schon ernst genug. „Ich kann nicht gut mit Leuten arbeiten, die keinen Humor haben“, sagt er. Und er warnt schon einmal augenzwinkernd vor, dass in Sitzungen immer mit einem ironischen Spruch von ihm zu rechnen ist.
Michael Glawion betont, wie wichtig es ihm ist, Missstände offen anzusprechen und Veränderungen aktiv anzugehen. Als eine seiner Stärken beschreibt er, dass er wahrnimmt, wenn etwas nicht gut läuft. „Wenn mir etwas nicht gefällt, sage ich das. Wir brauchen Mut, Dinge zu benennen und zu verändern.“ Der aufmerksame Beobachtende wird schnell erkennen, wenn ihm etwas nicht gefällt: Sobald Michael Glawion seine Stirn in Falten legt oder besonders tief und lang einatmet, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ihm etwas nicht gefällt. In seinem neuen Amt will er Mutmacher für andere sein, aufrecht durchs Leben zu gehen und zu sagen, wofür sie stehen.
Am Sonntag, 9. Februar, wird er in einem Gottesdienst offiziell in sein Amt als Superintendent eingeführt. Die nächsten Monate wird Michael Glawion noch aus Hannover nach Peine pendeln, bis er dann voraussichtlich im Juli mit seinem Ehemann in die Peiner Dienstwohnung einziehen kann. „Spannend wird die kommende Zeit für alle – für mich und auch die Peiner“, sagt der zukünftige Superintendent und blickt mit Mut und Freude auf die vor ihm liegenden Aufgaben.