Es ist ärgerlich, wenn jemand mitten in einem Gespräch plötzlich nicht mehr zuhört und stattdessen auf seinem Handy scrollt. Leider ist genau das aber auch längst ein Alltagsphänomen. Es gibt sogar einen Begriff für dieses Verhalten, und zwar „Phubbing“: ein Wortspiel mit den englischen Wörtern „phone“ für Telefon „snubbing“, was so viel wie jemanden vor den Kopf stoßen, jemanden ablehnen oder ignorieren bedeutet. Studien zeigen, dass Phubbing nicht nur einfach grob unhöflich ist. Es kann Beziehungen schaden und unser Wohlbefinden beeinträchtigen.
Die DAK-Gesundheit und das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) haben vor wenigen Tagen neue Daten zur Medienutzung von Kindern und Jugendlichen veröffentlicht. Demnach neigen mehr als 25 Prozent aller zehn bis 17-Jährigen zu einer „riskanten oder pathologischen Nutzung sozialer Medien“. Sechs Prozent aller Jungen und rund drei Prozent aller Mädchen gelten als abhängig, bei ihnen liegt laut DAK eine Mediensucht vor.
Für die jährlich erfolgende Erhebung wurden Kinder und Jugendliche, sowie deren Eltern erstmals auch zum Phubbing und seinen Auswirkungen befragt. Dabei war Phubbing als die „unangemessene Nutzung des Smartphones in sozialen Situationen“, beispielsweise bei Gesprächen definiert.
Mehr als jede dritte Kind (35 Prozent) und fast jeder dritte Erwachsene (29 Prozent) fühlen sich demnach zumindest gelegentlich durch die Smartphone Nutzung anderer ignoriert. Die Angaben bezogen sich sowohl auf das „Peer-Phubbing“, also das Ignorieren durch Gleichaltrige, was laut Erhebung insbesondere für Kinder und Jugendliche von Bedeutung sein dürfte. Als auch auf das „Eltern-Kind-Phubbing“, welches in beide Richtungen auftreten kann. Etwa jedes vierte Kind (25 Prozent) und 28 Prozent der Eltern gaben an, dass das Phubbing durch ihr Gegenüber bereits zu Konflikten geführt habe.
„Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass Phubbing nicht nur das Gefühl der Ignoranz verstärkt, sondern auch das Konfliktpotenzial erhöht und somit Spannungen in zwischenmenschlichen Beziehungen verursachen kann“, heißt es in der Veröffentlichung. 37 Prozent der Eltern hätten Phubbing schon einmal angesprochen, während das nur 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen schon einmal getan hatten.
Kinder und Jugendliche, die besonders stark Phubbing ausgesetzt waren, berichteten zudem öfter, dass sie sich einsam fühlten und ein schlechteres psychisches Wohlbefinden hatten, unter Ängsten, Stress und Depressivität litten.
Der Studienleiter und Suchtexperte Rainer Thomasius betonte in einer Stellungnahme die negativen Folgen einer durch Phubbing gestörten Kommunikation für die psychische Gesundheit: „Es gibt hier eine sichtbare Verbindung zu psychischen Belastungen wie Depressivität“, so Thomasius. „Wir erleben im klinischen Alltag, dass die digitale Welt zunehmend auch als störend empfunden wird“, so der Ärztliche Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
In der Veröffentlichung warnen Thomasius und die anderen Autoren und Autorinnen vor möglichen Spätfolgen, wenn die Kommunikation ständig durch die digitalen Geräte gestört wird. „Insbesondere für Heranwachsende sind reale soziale Interaktionen und direkter zwischenmenschlicher Kontakt für ihre Entwicklung von entscheidender Bedeutung. Sie bilden die Grundlage für den Erwerb sozialer Kompetenzen, Empathie und emotionaler Intelligenz“, heißt es dort. „Die zunehmende Verlagerung zum digitalen Konsum auf Kosten realer Interaktionen gefährdet somit die psychosoziale Reifung von Heranwachsenden.“
Phubbing führt aber auch bei Erwachsenen dazu, dass die Kommunikation beeinträchtigt wird, und Gespräche an Bedeutung und Intensität verlieren. Das konnten schon frühere Studien zeigen. So wurde in einer Untersuchung gemessen, wie oft und wie lange sich Studierende während einer zehnminütigen intimen Unterhaltung mit ihrem Smartphone beschäftigten. In 62 von 100 Unterhaltungen kam es zum Phubbing: Die Gesprächspartner, die ihr Handy nutzten, taten das während der zehn Minuten im Durchschnitt dreimal. Die durchschnittliche Dauer der Handynutzung lag bei 99 Sekunden.
Als sie im Anschluss befragt wurden, erinnerten sich die Versuchteilnehmenden kaum daran, wie oft sie auf ihr Handy geschaut hatten. Dabei wirkte sich das ganz klar negativ auf die Kommunikation zwischen den Studierenden aus: Gesprächspartner und -partnerinnen derjenigen, die während des Gesprächs auf ihr Handy schauten, empfanden die Unterhaltung als weniger persönlich.
Forschende der Baylor University’s Hankamer School of Business haben ein Verhalten untersucht, das sie als Partner-Phone-Snubbing oder kurz „Phubbing“ bezeichneten. Phubbing definierten sie allgemein als das Ausmaß, in dem sich Personen durch ihr Smartphone ablenken ließen, während sie mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin zusammen waren.
Dazu gehörten nicht nur Verhaltensweisen, wie während einer Unterhaltung auf das Handy zu schauen. Sondern auch, es ständig in der Hand zu halten. Oder es stets so hinzulegen, dass man es im Blick behält, wenn man mit dem Partner oder der Partnerin zusammen ist. In der Studie wurde dann verglichen, wie zufrieden Personen in Beziehungen waren, in denen Pphubbing an der Tagesordnung war.Das Ergebnis der Untersuchnung fasste einer der Autoren, James Roberts, so zusammen: „Was wir herausfanden, ist, dass es zu Konflikten und weniger Zufriedenheit in der Beziehung führt, wenn jemand merkt, dass er von seinem Partner oder seiner Partnerin gephubbt wird. Diese geringere Zufriedenheit in der Beziehung führte zu einer niedrigeren Lebenszufriedenheit und letztlich einem höheren Ausmaß von Depressionen.“
In einer anderen Untersuchung fand Roberts heraus, warum es so schwierig ist, Phubbing dauerhaft zu vermeiden – obwohl es uns und unseren Beziehungen schadet. Es liegt daran, wie die meisten Menschen auf Phubbing reagieren. Wenn sich unser Gegenüber auf sein Smartphone konzentriert, fühlen wir uns ausgeschlossen und zurückgesetzt – und nehmen dann selbst das Handy in die Hand, um auf Social Media nach Bestätigung durch Likes und Klicks und einem Gefühl von Zugehörigkeit zu suchen. Wodurch sich wiederum die andere Person zurückgesetzt fühlt, sobald Aufmerksamkeit zu uns zurückkehrt.
Phubbing führt also zu einem Teufelskreis – aus dem wir nur dann aussteigen können, wenn wir in Gesprächen selbst konsequent das Handy zur Seite legen.