Flugzeugunglück:
Anwohner hörten
heulende Töne
Nach tödlichem Absturz in Edemissen
sind die Ermittlungen angelaufen

Spezialisten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung ermittelten am Unglücksort. Direkt hinter den Büschen und Bäumen liegt ein Edemisser Wohngebiet. THW-Kräfte bargen das Wrack des abgestürzten Kleinflugzeugs.Foto: Ralf Büchler
Edemissen. Die letzten Trümmerteile sind geborgen, die Landstraße zwischen Edemissen und Oedesse ist wieder freigegeben, nur ein zersplitterter Stamm eines Baumes und viele Markierungskreuze auf der Straße erinnern noch an das tragische Unglück vom Sonntag am Edemisser Ortsausgang. Ein Kleinflugzeug war hier in eine Baumgruppe und Büsche gekracht und am Boden zerschellt. Der 58-jährige Pilot aus Hessen kam ums Leben. Bei Bewohnern aus den benachbarten Wohngebieten in Edemissen ist der Absturz aber noch lange nicht vergessen – er ist weiterhin das Gesprächsthema.

Hauke Christiansen chillte an jenem späten Sonntagnachmittag auf dem Sofa im Neubaugebiet „Oppermanns Mühle“ und daddelte an seinem Handy - bis ihn ein merkwürdiges Geräusch aufschreckte, das er sonst nur aus Filmen kannte. „Es klang so wie eine Doku über den 2. Weltkrieg“, sagte er. Er meinte eine Doku, in dem die heulenden und ratternden Töne von Bomberflugzeugen im Sturzflug zu hören sind. Dann habe er einen lauten Knall gehört.

Der 26-jährige Werkstudent war bei seinen Großeltern zu Besuch, aus dem Haus hat er einen guten Blick bis nach Berkhöpen und Oedesse. Mit seiner ebenfalls aufgeschreckten Oma sah er aus dem Fenster. Doch den Grund für den Knall konnte er zunächst nicht ausmachen. Wenig später sah er jedoch, dass Autos auf der Straße nach Oedesse stoppten und ein Wagen mit Anhänger die komplette Strecke bis zum Kreisel in Edemissen wieder rückwärtsfuhr. „Das macht keiner freiwillig, da hatte ich eine Ahnung, dass da etwas Schlimmeres passiert sein könnte.“ Seine erste Vermutung bewahrheitete sich wenig später tatsächlich: Das klang nicht nur wie ein Flugzeug, das war auch eines.

Eine Grafik der Deutschen Flugsicherung zeigt nicht nur, dass der Pilot mit der Unglücksmaschine ungewöhnliche Kreise und Schleifen über Röhrse, Abbensen und Oedesse drehte, sondern auch immer weiter an Höhe verlor. Während die Maschine über Sievershausen noch in einer Höhe von 3000 bis 2750 Metern flog, geriet sie bei Oedesse in den roten Bereich – die Aufzeichnung endet bei 300 Metern. Es kam zum tragischen Unglück, die Maschine krachte auf ein Feld und zerschellte in einer Baumgruppe.

Die Trümmerteile flogen mehrere Meter weit. So weit, dass sie sogar laut Polizei Schäden an einem Haus im benachbarten Wohngebiet „Rodenkamp“ verursacht haben.

Zeugen des Unglücks gibt es kaum. Das lag vor allem an den Wetterverhältnissen. Anwohner berichten von einem Gewitter und einem heftigen Platzregen, der für eine schlechte Sicht sorgte. Da wollte sich niemand freiwillig draußen aufhalten. Zahlreiche Anwohner berichteten von einem lautstarken Knall, vermuteten darin zunächst aber einen Donnerschlag vom Gewitter. Erst als Sirenen zu hören waren und immer mehr Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei eintrafen und dafür auch in den Straßen der benachbarten Wohngebiete parkten, ahnten die Anwohner, dass etwas Schlimmeres passiert sei. Die meisten gingen zunächst von einem Autounfall oder einem Blitzeinschlag aus.

Ein Autofahrer schilderte der Polizei, dass er dachte, der Blitz habe in sein Fahrzeug eingeschlagen, als es über ihm krachte. Doch das waren wohl schon umherfliegende Wrackteile, die das Auto beschädigten. Bald sprach sich der wahre Grund des Unglücks herum. Am Abend hörten Anwohner Spürhunde anschlagen, die nach Leichenteilen suchten und vernahmen laute Bergungsgeräusche.

Ein abgebrochenes Rad, völlig zerstörte Teile des Flügels – die verteilten Wrackteile waren am Montag noch die stillen Zeugen des tragischen Unglücks. Kräfte vom Technischen Hilfswerk (THW) in Peine und Wolfsburg hatten am Montag die Aufgabe, die Trümmerteile zu räumen. Mal mit der Hand, mal mit schwerem Gerät. Die Wrackteile wurden danach mit einem Laster zur Bundesstelle für Fluguntersuchung (BFU) nach Braunschweig gefahren. Die Experten der BFU ermitteln - auch, ob womöglich ein Blitz die Maschine traf. Genauigkeit ist das oberste Prinzip. Zum jetzigen Zeitpunkt könne zu möglichen Ursachen noch nichts mitgeteilt werden. „Einen Zwischenbericht wird es in drei bis vier Monaten geben“, kündigte BFU-Pressesprecher Germout Freitag an. Ein abschließender Bericht soll sogar vermutlich erst im kommenden Jahr vorliegen.

Der Bergungseinsatz für THW und Feuerwehr war hart – für Körper und Geist. Auch Leichenteile waren zu sehen. „Angesichts der belastenden Situation an der Einsatzstelle wurde bereits vor Ort das Einsatz-Nachsorge-Team alarmiert. Diese Spezialisten des THW stehen den Helfern nach herausfordernden und psychisch belastenden Einsätzen in persönlichen Gesprächen zur Seite“, erläuterte der Peiner THW-Ortsverband.

Belastend sei bereits der Einsatz am Sonntagabend gewesen. „Der Einsatz bei Tageslicht erwies sich als noch belastender als die nächtliche Arbeit.“ Daher sei auch am Montag das Einsatz-Nachsorgeteam informiert ­worden, um die beteiligten Helfer bestmöglich zu betreuen.

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