Wenn Peiner Eulen Ringe tragen:
zu Besuch bei Nachtjägern
Wenn Karl-Reiner Jeffe zur Eulenberingung kommt, wird jede Feder zum Zeugnis gelebten Naturschutzes

Flauschig und schläfrig: Ferdinand, Helene, Charlotta und Jolina (von links) zeigen auf dem Bauernhof der Familie Lauenstein stolz die vier frisch beringten Schleiereulen-Küken.Foto: Ralf Büchler
Bodenstedt. Vier junge Schleiereulen, ein Bauernhof in Bodenstedt und ein 74-jähriger Rentner mit Ringzange und einem großen Herz für Tiere: Wenn Karl-Reiner Jeffe zur Beringung kommt, wird aus einem unscheinbaren Termin ein kleines Naturwunder. Doch was passiert, wenn die Mäuse fehlen und warum Schleiereulen manchmal lieber scheinbar tot als lebendig sind.

Ein stiller Moment auf dem Hof von Carsten Lauenstein in Bodenstedt. Die Sonne taucht die alten Gemäuer in warmes Licht, als aus einem Beutel vier flauschige Schleiereulenküken zum Vorschein kommen. Aufgeregtes Kinderflüstern mischt sich mit dem sachlichen Ton von Karl-Reiner Jeffe, der mit ruhiger Hand einen Metallring vorbereitet. Die kleinen Eulen sind schläfrig und träge. Es ist eine natürliche Schutzhaltung.

„Die sind ganz entspannt“, erklärt er. „Die stellen sich tot – das schützt sie in der Natur vor Fressfeinden.“ Für den 74-jährigen Eulenbetreuer aus Lengede ist das Beringen ein vertrauter Handgriff, den er seit Jahrzehnten mit Hingabe ausführt. Rund 230 junge Schleiereulen hat er im Landkreis in Spitzenjahren markiert. Dieses Jahr werden es wohl deutlich weniger sein.

Die Ringe, die Jeffe mit einer speziellen Zange am Bein der Tiere befestigt, stammen von der Vogelwarte Helgoland. Jeder trägt eine individuelle Nummer. Wird ein Tier später gefunden, können Ort, Alter und Herkunft nachvollzogen werden.

„Manche fliegen bis in die Niederlande oder nach Belgien. Die meisten bleiben aber im Umkreis von 15 Kilometern“, erklärt Jeffe. Nur an ihren Geburtsort kehren sie nicht zurück, das verhindere Inzucht.

Die vier Küken sind zwischen 24 und 32 Tage alt. „Das älteste hat schon ordentlich Gewicht. Sie alle wirken gut genährt – ein gutes Zeichen in einem Jahr, das eigentlich kein gutes für Eulen ist.

„Wegen der Hochwasser gibt es weniger Mäuse“, berichtet Jeffe. „2022 hatten wir neun Junge allein in diesem Kasten. Jetzt sind es nur vier.“ Schleiereulen sind stark abhängig vom Nahrungsangebot. Gibt es viele Mäuse, legen sie mehr Eier und ziehen manchmal sogar eine zweite Brut auf. „Die wird es dieses Jahr nicht geben“, vermutet der Experte. „Vier bis sechs Mäuse braucht ein Jungtier jeden Tag“, sagt Jeffe. „Wenn Futter knapp ist, bricht die Eule die Brut nicht ab wie andere Arten. Aber sie legt einfach weniger Eier.“

Was treibt einen 74-Jährigen dazu, auf Leitern zu steigen und durch Felder zu fahren, um Vögeln Metallringe anzulegen? Die Antwort liegt in der eigenen Kindheit: „Meine Eltern haben mich zur Natur hingeführt“, erinnert sich Jeffe. „Wir hatten einen Starrenkasten, da gab’s 50 Pfennig für den, der den ersten Vogel sieht. Das war damals viel Geld.“ Heute erkennt kaum noch jemand eine Amsel von einem Star, bedauert er.

Neben Eulen betreut Jeffe auch Amphibien, Turmfalken, Dohlen und Störche. Im Frühjahr bringt er Hunderte Kröten und Frösche sicher über die Straße. „Am Dalwanberg hatten wir dieses Jahr 2018 Amphibien.“

Auch bei anderen Arten merkt der Lengeder die Folgen der Witterung. Die Dohlen, einst selten im Südkreis, haben sich ausgebreitet. „Vor zehn Jahren gab es hier kaum welche. Jetzt habe ich vier Bruten mit 17 Jungen gezählt und beringt.“

Die Turmfalken dagegen brüten seltener. „Sechs Bruten, 21 Jungvögel. Das ist verhältnismäßig wenig.“ Turmfalken starten bei Nahrungsmangel gar nicht erst mit der Brut, erklärt Jeffe. „Anders als Schleiereulen.“ Und sie jagen auch tagsüber Singvögel, während Eulen strikt nachtaktiv sind.

Die Störche im Südkreis gehören ebenfalls zu Karl-Reiner Jeffes Aufgabenbereich. Als Storchenbetreuer für Lengede und Vechelde kennt er jedes Nest. „Wir haben 13 Storchennester, davon waren dieses Jahr zehn besetzt. In Lengede, Broistedt und Klein Lafferde kamen acht Jungstörche zur Welt. In Vechelde insgesamt 26.“

Dass dieses Engagement ehrenamtlich geschieht, ist kaum zu glauben angesichts der Organisation, des Fachwissens – und der Zeit, die es beansprucht. „Ich betreue 28 Ortschaften mit 61 Nistkästen“, sagt Jeffe. „Im Frühjahr fahre ich alle ab. Dann weiß ich, wann ich wo beringen muss.“ Bei Eulen ist das einfacher. Die lassen sich mit 35 Tagen gut beringen. Bei Turmfalken und Dohlen muss der Fachmann schneller sein. Ihm bleiben nur 14 Tage, bis die Tiere flügge werden.

Trotz rückläufiger Zahlen sei die Schleiereule nicht vom Aussterben bedroht. Und weitere Nistkästen braucht es auch nicht: „In jedem Ort stehen mindestens zwei. Das reicht.“

Jeffe sagt das nicht klagend. Er wirkt eher zufrieden, wenn er auf dem Hof steht, mit den Eulenküken in der Hand, umgeben von staunenden Kindern. „So lernen sie, was draußen in der Natur passiert“, sagt er leise. Und dann schmunzelt er: „Vögel können übrigens nicht riechen – Rehkitze aber schon. Die sollte man besser nicht anfassen.“



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