„Echtes Abenteuer“: Klein Eddesserin fährt mit dem Rad nach Albanien
Petra Obert liebt die Herausforderung und meistert 2.800 Kilometer in nur 35 Tagen –Ihr Ziel: Aus wenig viel machen – Sie kommt mit rund 600 Euro auf der Reise aus

Sie liebt die Herausforderung und das Radfahren: Petra Obert aus Klein Eddesse ist mit ihrem Trekkingrad 2.800 Kilometer nach Albanien gefahren.fotos  privat
Klein Eddesse. Acht Länder, 2.800 Kilometer, 23.400 Höhenmeter und nur ein platter Reifen - Petra Obert hat es geschafft. Die 63-Jährige ist von ihrem Wohnort Klein Eddesse in nur fünf Wochen mit dem Fahrrad nach Albanien gefahren. Ohne Elektroantrieb! Ganz alleine! Schwer bepackt mit zwei großen Satteltaschen, zwei kleinen Vorderradtaschen und einem Zelt. „Es war ein ganz besonderes Erlebnis, ein echtes Abenteuer“, sagt sie.

Über wundervolle Landschaften, besonders gute Radwege in Slowenien und sehr freundliche Dorfbewohner in Albanien kann die Rentnerin nun schwärmen, aber auch von unerwarteten Hindernissen in Österreich und gefährlichen Buckelpisten in Kroatien berichten. Doch zunächst steht eine Frage über allem: Warum hat sie sich diese Strapazen mit diesen vielen Höhenmetern angetan?

„Der Reiz ist, dass ich öfter mal die besondere Herausforderung brauche. Es ist schön, sich alleine durchschlagen zu müssen. Man lernt viele Menschen kennen. Zudem habe ich einen Hang dazu, minimalistisch zu reisen, quasi aus wenig viel zu machen“, sagt die Klein Eddesserin.

Das ist ihr gelungen. Nur 380 Euro hat sie in den fünf Wochen für Übernachtungen ausgegeben. Sie zeltete im Ausland immer auf Campingplätzen, in Deutschland übernachtete sie auch mal bei Freunden und Bekannten. Ihr Abendessen kochte sie auf einem Spirituskocher, für unterwegs verpflegte sie sich mit Brot, Aufschnitt und Co im Supermarkt. Ausgaben fürs Essen: 250 Euro.

Im Schnitt 80 Kilometer strampelt sie täglich mit ihrem Trekkingrad, das ein treuer Begleiter ist. „Petra 2017″ hat sie sich beim Kauf auf den Rahmen drucken lassen. Die Klein Eddesserin hat seitdem schon viele Länder mit dem Rad bereist, war schon in Rumänien oder der Toskana. Dieses Mal waren es allerdings besonders viele Höhenmeter, die sie mit dem Rad klettern musste. „Klar, es ist eine Herausforderung, aber man wird belohnt“, sagt sie.

Und dabei muss sie auch an das Ende ihrer Tour denken. Als sie von oben einen Blick über dem Koman-Stausee in Albanien genießt oder die einzigartige Mischung aus Wasser und Bergen am Shkodrasee. „Es gab viele schöne Momente unterwegs. Aber dieses erhabene Gefühl, wie weit man gekommen ist, das ist schon etwas ganz Besonderes“, sagt sie.

Die Sonne schien nicht nur in Albanien. Mit „Hoch Petra“ war Petra Obert in Deutschland gestartet - wenn das kein gutes Omen ist. Rad und Gepäck wogen zusammen rund 40 Kilo. Extra-Trainingseinheiten hatte die Klein Eddesserin im Vorfeld nicht nötig, sie fährt ohnehin viel Rad. Die deutschen Mittelgebirge stimmten die Waden und Oberschenkel gut ein auf das, was noch folgte.

Die Tour hatte sie im Vorfeld zu Hause geplant, navigierte unterwegs mit einer App auf dem Handy. Werratalradweg, Dortmund-Ems-Kanal, Altmühlradweg, Alpe-Adria-Radweg, Parenzana-Radweg, Eurovelo 8 - so durchquerte sie Deutschland, Österreich, Slowenien, Italien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina und Montenegro, bevor sie am Ziel in Albanien ankam.

Ein Genuss sei der Abschnitt in Slowenien gewesen. „Dort gibt es eine ganz besondere Infrastruktur, was die Radwege betrifft, das ist ähnlich gut wie in Holland. Asphaltiert, gut ausgeschildert und die Landschaft ist auch wunderschön. Da möchte ich auf jeden Fall nochmal hin“, sagt die Bikepackerin.

Doch nicht alles lief so glatt wie in Slowenien. Die erste Herausforderung musste Petra Obert in Österreich meistern. Bei Salzburg erfuhr sie, dass die Tauernschleuse reparaturbedingt gesperrt ist. Sie musste die Alpen anders überqueren und hatte dabei auch etwas Glück. Den 21 Kilometer langen Anstieg zur Passhöhe des Radstätter Tauernpasses durfte sie mit einem öffentlichen Bus zurücklegen. „Eigentlich werden keine Fahrräder mitgenommen, doch der Busfahrer hat sich überreden lassen. Es war ohnehin nur noch ein weiterer Fahrgast an Bord.“ Alle anderen Kilometer meisterte Petra Obert mit eigener Muskelkraft.

Auch in Kroatien musste sie ihre Pläne ändern. Der Grund: Der Eurovelo 8 mutierte zu einer Mountainbike-Strecke. Dicke Steine machten ein Fahren mit Gepäck unmöglich. Petra Obert wechselte auf die Küstenmagistrale. Die Strecke war zwar asphaltiert, doch die Rad-Abenteurerin musste sich nun den Weg mit Autos und Lkw teilen.

Mitunter wurde ihr mulmig, wenn die Autos dicht an ihr vorbeifuhren oder hinter der Leitplanke zu sehen war, wie steil bergab es ging. Doch: „Es gab wunderbare Aussichten, das war phänomenal.“

Die Klein Eddesserin umrundete die Halbinsel Istrien und genoss tolle Ausblicke auf die Adria-Küste. Farbenfrohe Gebäude und enge Gassen der romantischen Stadt Rovinji oder das Amphitheater von Pula erfreuten sie unterwegs. „Zerklüftete Küstenabschnitte mit teilweise fjordähnlichem Charakter, felsige Buchten und auf der anderen Seite die Berge - das umgab mich täglich“, schildert sie anschaulich.

Weitere Höhepunkte: Die geschichtsträchtige Küstenstadt Dubrovnik mit ihren historischen Gebäuden oder die Bucht von Kotor in Montenegro. „Die beeindruckende Landschaft, gesäumt von hohen, sehr steilen Bergflanken und tiefblauem Wasser, wird oft als südlichster Fjord Europas bezeichnet“, weiß Obert. In Kroatien feierte sie auch ihren 63. Geburtstag und freute sich über viele Nachrichten auf dem Handy.

Ihre Reise endete nach 35 Reisetagen in Albanien. Die Bewohner des kleinen Landes bleiben ihr als besonders freundlich in Erinnerung. „Viele in den Dörfern haben gewunken oder mir den Daumen nach oben gezeigt.“ Unsicher habe sie sich nie gefühlt. „Ich bin auch nur tagsüber gefahren und habe ausschließlich auf Campingplätzen übernachtet.“ Dort gab es auch immer freies WLAN.

Fast jeden Tag telefonierte sie abends mit ihrem Mann Peter und nannte ihm den aktuellen Standort. Das konnte ihn zumindest etwas beruhigen. Denn: „Natürlich macht sich mein Mann Sorgen. Aber er weiß, dass er da wenig Chancen hat, mir das auszureden“, stellt Petra Obert schmunzelnd fest.

Mit dem Wohnmobil holte ihr Mann die Rad-Abenteurerin in Albanien ab, danach ging es nach einem gemeinsamen Urlaub zurück in den Peiner Nordkreis.

Petra Obert träumt schon von den nächsten Rad-Zielen. Nach Griechenland möchte sie gerne mal, aber auch England und Schottland oder Frankreich und Spanien reizen sie. Geplant ist aber zunächst nur eine „kleine“ Tour. Die Klein Eddesserin will ihre Tochter in Berlin mit ihrem Gravel-Rad besuchen. Rund 260 Kilometer sind das. Wie viele Tage Petra Obert für die Fahrt einplant? Einen einzigen!

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