Chaos vor dem Schultor:
Wie Elterntaxis zur Gefahr werden
Vor Peiner Grundschulen staut sich morgens der Verkehr. Eine Idee soll die Lage entzerren

Viel los vor der Grundschule: Eltern bringen ihre Kinder häufig mit dem Auto.Foto: Roger Grabowski
Peine. Morgens kurz vor acht vor einer Grundschule im Landkreis Peine. SUVs rollen im Schritttempo an, Türen fliegen auf, Kinder springen heraus und irgendwo hupt es. Was nach einem geordneten Bringdienst klingt, ist in der Realität oft genau das Gegenteil. Elterntaxis, wie der morgendliche Fahrservice im Volksmund heißt, sorgen seit Jahren für Diskussionen und das nicht nur in Peine.

Die Debatte wird emotional geführt. Sie berührt sensible Ebenen. Es geht um Sicherheit, Erziehung, Alltagspraxis und gesellschaftliche Erwartungen. Und jeder ist in irgendeiner Form betroffen.

Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto bringen, sehen sich oft als Beschützer. Wer schlechte Erfahrungen mit gefährlichen Kreuzungen, dichtem Verkehr oder sogar Mobbing gemacht hat, setzt auf das vermeintlich sichere Auto. Doch machen nicht gerade viele Elterntaxis den Bereich vor Schulen erst gefährlich? Durch unübersichtliche Situationen und riskante Wendemanöver?

Hinzu kommt ein Grundsatzkonflikt: Selbstständigkeit gegen Fürsorge. Für viele Pädagogen ist der Schulweg ein wichtiger Lernschritt. „Wer sein Kind fährt, vermittelt unbewusst: Du kannst den Weg nicht allein schaffen“, sagen sie. Eltern verweisen dagegen auf Zeitdruck. Oft liegt die Schule ohnehin auf dem Weg zur Arbeit.

Eine Lösung für das morgendliche Chaos könnten Hol- und Bringzonen – auch Elternhaltestellen genannt – sein. Dies sind speziell eingerichtete, sichere Haltebereiche in der Nähe von Schulen.

Sie liegen 100 bis 300 Meter vom Haupteingang entfernt, damit der direkte Bereich vor der Schule frei bleibt, befinden sich an verkehrsberuhigten Straßen oder in ausgewiesenen Parkbuchten mit sicherer Gehwegverbindung und dort gilt ein Halteverbot für längeres Parken, um Staus zu vermeiden.

Die Idee dahinter ist simpel: Kinder gehen das letzte Stück zu Fuß, stärken ihre Selbstständigkeit und entlasten gleichzeitig den Verkehr.

Im Landkreis Peine gibt es Hol- und Bringzonen bislang nur vereinzelt. In Trägerschaft der Stadt Peine wurde an der VGS Stederdorf eine eingerichtet. Weitere sollen an der „Grundschule in der Südstadt“ sowie an der „Grundschule unterm Regenbogen – Grundschule Schmedenstedt/Woltorf“ entstehen.

Eine leicht abgewandelte Variante nutzt die Burgschule in Peine seit einiger Zeit erfolgreich. „Wir haben vor der Schule fünf Parkbuchten freigestellt“, berichtet Schulleiter Jan-Philipp Schönaich. Morgens und in der Mittagszeit können Eltern dort kurz parken, ihre Kinder absetzen oder einsteigen lassen und weiterfahren.

„Eltern wollen die Gewissheit, dass ihr Kind die Schule sicher erreicht hat“, erklärt Schönaich hinsichtlich der Nähe zur Schule. Und: „Dadurch kommt es auch zu keinen Blockierungen für die Schulbusse.“

Auch ohne spezielle Zonen versucht die Stadt, für Sicherheit zu sorgen. „Die Stadt Peine als Schulträgerin kann hier nur begrenzt einwirken, da Ursache von Risiken oftmals das Verhalten der Eltern ist“, teilt Petra Neumann, Sprecherin der Stadt Peine mit. „Mitunter werden der städtische Ordnungsaußendienst und die Polizei durch Kontrollen tätig. Verstöße werden auch geahndet.“

Die Schulen selbst setzen auf Aufklärung. Kinder lernen, wie sie sicher Straßen überqueren, Eltern werden in Briefen und Gesprächen sensibilisiert. Zudem arbeitet die Stadt mit Polizei, Landkreis und Verkehrswacht zusammen.

Polizeisprecher Matthias Pintak warnt speziell vor Gefahren beim Aussteigen direkt vor der Schule: „Kinder zwischen parkenden Autos sind für andere Autofahrer kaum sichtbar.“ Auch er rät zu mehr Hol- und Bringzonen: „In sicherer Entfernung absetzen und das Kind das letzte Stück zu Fuß gehen lassen. Das stärkt die Selbstständigkeit und macht den Schulweg übersichtlicher – für alle.“

Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, appelliert zum Schuljahresbeginn an Eltern, auf das Elterntaxi zu verzichten, wo immer es möglich ist. Auch Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), betont: „Das morgendliche Elterntaxi-Chaos birgt vor allem für Kinder ein großes Unfallrisiko.“

Kurioses am Rande: Während der Corona-Pandemie 2020 schlug die Peiner Kreisverwaltung vor, Elterntaxis mit 30 Cent pro Kilometer zu bezuschussen, um übervolle Schulbusse zu entlasten. Die Idee scheiterte – nicht zuletzt, weil Umweltschützer darin einen Rückschritt sahen. Selbst Niedersachsens damaliger Ministerpräsident Stephan Weil zeigte sich „überrascht“.

Rund um den Start des Schuljahres 2025/26 will die Stadt Peine die Verkehrssituation vor Schulen und Kitas besonders genau beobachten. Ob Hol- und Bringzonen das morgendliche Gewusel langfristig entschärfen können, wird sich zeigen. Aber: Weniger Stau vor dem Schultor bedeutet mehr Sicherheit für alle und ein entspannterer Start in den Schultag.

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