Marie B.: Kurz nach der
Baby-Nachricht war sie tot
Rietze-Prozess: Vorm Landgericht in Hildesheim sagen mehrere Freundinnen der Getöteten
und die Ex-Frau des Angeklagten aus - Opfer wollte mit den Kindern umziehen

Die Polizei durchsuchte im März bei einem Großeinsatz in Rietze auch den Hof des Angeklagten.Foto: Ralf Büchler
Hildesheim/Rietze. Sie wollte mit einer Freundin und den Kindern den Zoo besuchen, doch zum gemeinsamen Treffpunkt kam sie nicht. Sie war tot. Brutal erschlagen. Wer hat Marie B. in Rietze getötet? Angeklagt ist ihr Ex-Partner. Am vierten Prozesstag am Landgericht in Hildesheim sagten mehrere Freundinnen der Getöteten und die geschiedene Ehefrau des beschuldigten Landwirts H. aus. Letztere beschrieb ihren Ex als Mann mit zwei Gesichtern.

Versuchter Mord und Totschlag wird H. vorgeworfen. Er soll erst versucht haben, seine ehemalige Lebensgefährtin mit einem Insektizid im Kaffee zu vergiften. Das scheiterte. Der Landwirt aus Rietze beteuert seine Unschuld. Das Gericht will sich ein genaueres Bild vom Angeklagten machen und lud daher auch seine Ex-Frau als Zeugin.

Die schilderte, dass am Anfang ihrer Beziehung alles schön gewesen sei. Er habe ihr Wünsche erfüllt, man bekam eine gemeinsame Tochter. Doch: Im Laufe der Beziehung habe Eifersucht und Kontrolle eine große Rolle gespielt.

Die Ex-Frau warf H. unter anderem vor, er habe sie mit einer Wildtier-Kamera im Blumenkübel kontrollieren wollen. Sie hatte zudem den Verdacht, dass er nach der Trennung ihrem neuen Partner die Reifen am Auto zerstochen habe. Beweise habe es dafür aber nicht gegeben.

Als einerseits „ehrgeizig und verbissen“ charakterisierte sie ihren Ex-Partner, betonte aber zugleich, dass er „liebevoll zu den Kindern“ gewesen sei. Über Gefühle zu sprechen, sei nicht so sein Thema gewesen. Gewalt in der Beziehung habe es aber nie gegeben, betonte die geschiedene Frau.

Wenig erfreut habe er sich über die Höhe des festgelegten Unterhalts für das gemeinsame Kind gezeigt. „Da wurde um jeden Cent gestritten.“ Einen Antrag für Unterhalt für die gemeinsamen beiden Kinder soll auch Marie B. nach der Trennung von H. gestellt haben. Ein Brief soll kurz vor der Tat eingegangen sein.

Am vierten Prozesstag vor der Strafkammer sagte zudem die Freundin aus, die Marie B. darüber informiert hatte, dass ihr Ex-Partner zum vierten Mal Vater wird. Am Todestag hatten sich beide am Vormittag zufällig getroffen – kurze Zeit später war sie tot. Während der Beziehung zu Marie B. soll H. eine Affäre begonnen haben. Mehreren Freundinnen schrieb die Getötete am Vormittag per Nachricht auf dem Handy noch: „Sie ist schwanger.“

Jene Affäre war auch der Grund, warum es im vergangenen Herbst zwischen Marie B. und dem Landwirt gekriselt hatte. Sie hatte von dem Seitensprung erfahren und diesen von der anderen Partnerin bestätigt bekommen. Nach einer Auszeit und einer Fahrt mit den Kindern zu ihren Eltern kehrte Marie B. aber zurück nach Rietze. Eine Freundin sagte aus: „Sie hat geglaubt, dass sie das irgendwie wieder hinbekommen.“

Am 7. Februar soll dann aber die endgültige Trennung gefolgt sein. Die Freundinnen berichteten aus Chat-Nachrichten von Marie B.. Demnach sei H. von sich aus ausgezogen. Der Angeklagte hatte es am ersten Prozesstag anders geschildert: Marie B. soll ihn rausgeworfen haben. Das deckt sich aber nicht mit den Nachrichten, die die Getötete dazu ihren Freundinnen schrieb. Marie B. sei überrascht über den plötzlichen Auszug gewesen. „Das hat sie belastet.“

Sie sei bis zum Schluss davon ausgegangen, dass sie mit H. und den Kindern in die neu hergerichtete Wohnung des Angeklagten auf dem elterlichen Hof in Rietze einziehen werde. Doch dort zog stattdessen die Affäre des Landwirts ein. Die Staatsanwaltschaft hat in der Anklage als Motiv für die Tat ausgemacht, dass H. seine Ex-Partnerin zunehmend als Last empfunden habe.

Alle als Zeugin geladenen Freundinnen schilderten, dass Marie B. nach der Trennung beabsichtigt habe, aus dem Haus in Rietze auszuziehen. Sie habe bereits eine Wohnung besichtigt und zwei weitere Termine abgemacht. Ihr Ziel sei ein Umzug in ein Nachbardorf gewesen, damit die Kinder „nicht entwurzelt werden“.

Die Freundinnen berichteten zudem von einer irritierenden Nachricht in ihrer gemeinsamen Whatsapp-Gruppe auf dem Handy. Hier hatte Marie B. geschrieben, dass ihr zubereiteter Kaffee erbärmlich gestunken habe und blau gewesen sei. Sie habe die Kaffeemaschine daher lieber ausrangiert und weggestellt.

An jener Kaffeemaschine fanden die Ermittler offenbar Spuren des hochgiftigen Insektizids E605, das umgangssprachlich auch als „Schwiegermuttergift“ bezeichnet wird. Bei Durchsuchungen des Hofs des Angeklagten fand die Polizei das inzwischen verbotene Mittel.

Bei Nachfragen des Gerichts, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung spielten mehrere Themen immer wieder eine Rolle:

■ Die Haustür: Sie soll in der Regel nicht verschlossen gewesen sein, erläuterten die Zeugen.

■ Mögliche Internetbekanntschaften der Getöteten: Ja, sie hatte ein Profil bei einem Anbieter, bestätigten enge Freundinnen. Aber von einem neuen Mann oder einem Treffen sei ihnen nichts bekannt.

■ Hatte die Getötete Interesse am Garten? Nein, betonten Freundinnen. „Sie hatte nicht so den grünen Daumen.“ Der Angeklagte hatte am ersten Tag angegeben, Rosen am Haus mit dem Insektizid E605 behandelt zu haben, weil er nichts anderes gefunden habe. Seine Ex-Partnerin habe ihn darum gebeten, weil sie Läuse auf den Rosen gesehen habe.

Der Prozess wird am Mittwoch, 17. September, fortgesetzt.

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