Bei dem verheerenden Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg am 20. Dezember 2024 wurden sechs Menschen getötet und mehr als 300 weitere verletzt. Darunter befanden sich auch zahlreiche Schwerverletzte und Kinder. Für viele Betroffene ist der körperliche Schmerz nur das sichtbarste Zeichen. Die traumatischen Folgen bleiben, das Vertrauen ist zerstört und der Weg zurück ins Leben ist lang und steinig.
Niclas Brauer aus Peine gehört zu jenen, die diesen Weg gehen müssen. Der heute 16-Jährige wurde schwer verletzt. Er meidet seitdem Menschenansammlungen, Geräusche und Enge lösen bei ihm Erinnerungen aus. In kleinen Schritten kämpft er sich zurück, mit Reha, Therapie und unterstützt von seiner Familie, die ihm Sicherheit und Raum geben will für Heilung. Ein weiteres Ziel für ihn: Der Schulabschluss. Den möchte der Teenager so schnell wie möglich an der Peiner Burgschule nachholen.
Die Familie von Niclas legt derweil großen Wert darauf, nicht Teil einer Nebenklage zu sein und keinen Kontakt zum mutmaßlichen Täter zu haben. Aus ihrer Sicht ist klar: Für Niclas ist persönlicher Abstand essenziell, damit er sich auf das, was weiterhin vor ihm liegt, konzentrieren kann: auf eine Genesung, auf Klarheit, nicht auf Auseinandersetzung.
Was für die Opfer des Anschlags und auch Familie Brauer wie ein Schlag ins Gesicht anmutet: Der Prozess gegen Taleb A., den mutmaßlichen Attentäter, verzögert sich weiter. Was seit Monaten offen ist: Die Justiz muss klären, ob das Verfahren als Staatsschutzverfahren geführt wird. In diesem Fall würde sich auch die Zuständigkeit ändern.
Im Klartext bedeutet das: Am vergangenen Mittwoch, 17. September, entschied das Landgericht Magdeburg, das Verfahren an den Generalbundesanwalt zu übergeben. Die Begründung: das Gericht geht davon aus, dass ein Staatsschutzverfahren vorliegt. Damit wäre nicht mehr Magdeburg zuständig, sondern das Oberlandesgericht Naumburg.
Sollte der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit ablehnen, könnte der Prozess wie ursprünglich geplant in Magdeburg am 22. Oktober 2025 beginnen. Bislang liegt keine Bestätigung vor, ob der Generalbundesanwalt tatsächlich übernimmt. Die Frist zur Entscheidung läuft noch.
Trotz der und parallel zu den Verhandlungen über die Zuständigkeit laufen in Magdeburg massive bauliche Vorbereitungen. Die bestehenden Gerichtssäle genügen nicht den Anforderungen für einen derartigen Mammutprozess. Angesichts der Vielzahl Verletzter, der zahlreichen Nebenkläger (mindestens 80, aber womöglich deutlich mehr) und des öffentlichen Interesses sind die Kapazitäten vor Ort zu gering.
Aus diesem Grund errichtet das Land Sachsen-Anhalt derzeit ein Interims-Gerichtsgebäude in Leichtbauweise. Das Gebäude wird auf einem landeseigenen Grundstück in Magdeburg gebaut und soll alle Sicherheits-, Medien- und Kapazitätsanforderungen erfüllen. Geplant sind dort Plätze für etwa 700 Personen. Der Neubau soll Ende September 2025 fertiggestellt werden.
Selbst wenn alles nach Plan läuft, hängt der Prozessstart maßgeblich davon ab, wie der Generalbundesanwalt entscheidet und wie schnell die baulichen Voraussetzungen geschaffen werden.
Für die Opfer wie Niclas Brauer aber bedeutet jede Verzögerung, weiteres Warten und oft Unsicherheit – nicht nur juristisch, auch emotional.