„Wir haben die beste Ernte seit 25 Jahren“, sagt Landwirt Christian Schridde aus Sierße. Doch ein Grund zur Freude ist dies für ihn nicht. „Es gibt zu viel Kartoffeln auf dem Markt, keiner will sie haben“, sagt der Landwirt. Auf 40 Hektar baut er Industrie- und Speisekartoffeln an, über 2.000 Tonnen hat er in diesem Jahr vom Feld geholt.
Einen Teil vermarktet er selbst, hat einen Vertrag mit einem Supermarkt. Trotzdem musste er 400 Tonnen in Biogasanlagen fahren, weil er sie nicht anders los wird. Was Christian Schridde besonders ärgert: „Bis vor wenigen Wochen gab es keine abgepackten Kartoffeln aus Deutschland in einigen Supermärkten, obwohl wir das hätten bedienen können”, sagt er.
Die Kartoffelanbaufläche in Deutschland erreicht laut der Saatguterzeugergemeinschaft in Niedersachen mit 301.000 Hektar einen Höchststand. Dabei werden in Niedersachsen mit 140.100 Hektar (Vorjahr 133.800 Hektar) die meisten Kartoffeln angebaut.
„Die Kartoffel ist eine attraktive Frucht, mit der man in den letzten Jahren gut Geld verdienen konnte, deshalb wurde die Anbaufläche in diesem Jahr ausgeweitet“, sagt Christian Wohlenberg, stellvertretender Vorsitzender des Landvolks Braunschweiger Land. Und das ist ein Teil des Problems. Denn durch die erweiterte Anbaufläche und die gute Ernte gibt es einen Überhang auf dem Markt und die Preise fallen. „Die Landwirte mit Verträgen werden ihre Kartoffeln los. Wer keinen Vertrag hat, findet keine Abnahme im Großhandel“, sagt Wohlenberg. „Die Situation ist schwierig und kompliziert“, fügt er hinzu.
Landwirt Schridde will in den nächsten Tagen noch etwa 150 Tonnen Kartoffeln ernten. „Bei jedem Hektar, den ich abernte, lege ich 5.000 Euro drauf“, so Schridde weiter. Seinem Landwirt-Kollegen Fabian Behme aus Bortfeld geht es ähnlich. Er hat vor sechs Jahren den Betrieb von seinen Eltern übernommen und baut überwiegend Industrieware für Chips und Pommes an.
Seine Lieferverträge über 1.500 Tonnen Kartoffeln hat er längst erfüllt. Den Rest wird er nicht los und musste ihn zur Biogasanlage fahren. Wenn er Glück hatte, wurde ihm für eine Tonne Kartoffeln von den Biogasanlagen vor der Maisernte knapp 20 Euro gezahlt. „Heute darf man die Kartoffeln dort abgeben, bekommt aber nichts mehr dafür“, sagt Behme. Mit den rund 20 Euro pro Tonne kann er knapp die Kosten für die Rodung der Kartoffeln durch einen Lohnunternehmer decken.
Verluste fährt er ein, da er die Kosten für das Pflanzgut, den Dünger und die Bearbeitungszeit selber tragen muss. 200 Tonnen hat er schon zu Biogasanlagen gefahren, rund 300 Tonnen Kartoffeln sind noch in der Erde. Einen Teil davon kann er vermutlich als Futter an einen Bekannten verkaufen, den Rest wird er auf dem Acker umbrechen und dort im nächsten Jahr Mais anbauen.
„Der Preisdruck in diesem Bereich ist enorm hoch“, sagt Christian Wohlenberg vom Landvolk. Er hat von Betrieben in der Nähe von Uelzen gehört, die auf ihren Flächen Kartoffelmieten angelegt haben, in der Hoffnung, die Erdknollen zu einem späteren Zeitpunkt verkaufen zu können. „Wir rechnen mit erheblichen Gewinneinbrüchen und Verlusten. Für einige Betriebe kann es eng werden“, sagt Christian Wohlenberg.
Auch bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ist das Problem bekannt. Einige Zahlen und Fakten: Die Anbaufläche beträgt in diesem Jahr 139.670 Hektar. Die Anbaufläche stieg um mehr als 8.000 Hektar (6,1 Prozent). Betroffen sind alle Verwertungsrichtungen, also Speise-, Pommes-, Chips-, Stärke-, Pflanz- und Industriekartoffeln. Obwohl bundesweit mehr Kartoffeln gepflanzt wurden, behauptete Niedersachsen seine Position als bedeutendstes Kartoffel-Bundesland.
Die Erträge werden als durchschnittlich bis gut eingeschätzt. Zum Vergleich: Laut Landesamt für Statistik lag der durchschnittliche Hektar-Ertrag für Kartoffeln 2018 bis 2023 bei 42,4 Tonnen. In diesem Jahr werden es voraussichtlich etwa 45,5 Tonnen sein. Das ist zwar weniger als 2024 (45,8 Tonnen), aber wegen der angewachsenen Anbaufläche ist ein deutliches Mengen-Plus zu erwarten.
Der Ertrag steht im Kartoffelbau nicht immer an erster Stelle – die Qualität und mögliche Vermarktungswege sind angesichts der wachsenden Angebotsmengen in diesem Jahr wichtiger.
Die Kartoffelpreise in Niedersachsen sind zurzeit so niedrig wie lange nicht mehr. Zur Zeit gibt es für 100 Kilogramm (eine Dezitonne) 14 Euro bezahlt. Das sind fast 60 Prozent weniger als vor einem Jahr.
„Absatz-Schwierigkeiten haben zurzeit vor allem Betriebe, die freie Mengen im Angebot haben, also für bestimmte Kartoffel-Mengen im Vorjahr keine Lieferverträge mit festen Preisen vereinbart haben, weiß der Sprecher der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Wolfgang Ehrecke. Oft bleibe nur der Weg über die Verwertung in Biogasanlagen oder als Tierfutter - mit den oben beschriebenen finanziellen Folgen für die Landwirte.