Stück für Stück verschwindet
das Kraftwerk Mehrum
Um das Kesselhaus im Frühjahr 2026 sprengen zu können, müssen Nebengebäude abgerissen werden

Der Rückbau des Kraftwerks Mehrum geht weiter: Nachdem fast alle asbesthaltigen Fassadenplatten entfernt wurden, sind Stahlgerippe zu sehen.Fotos: Ralf Büchler
Mehrum. Vor genau einem Jahr, am 26. Oktober 2024, kippten die ersten Gebäudeteile des Kraftwerks Mehrum nach der geplanten Sprengung zur Seite. Dabei hüllten die beiden Asche-Silos das gesamte Gelände in eine dicke Staubwolke. Seitdem verändert sich das Gelände von Woche zu Woche.

Zurzeit sind die Stahlgerippe der restlichen Gebäude zu sehen, durch die der Wind weht. Es ist klar, dass dies die Vorbereitungen auf die nächste Sprengung sind.

Einiges ist auf dem Kraftwerksgelände in den letzten Monaten passiert: Am 12. April 2025 wurde der 130 Meter hohe Kühlturm aus dem Jahr 1979 punktgenau zum Einsturz gebracht. Der Sprengmeister setzte 150 Kilogramm Sprengstoff ein und so wie geplant, fiel der Kühlturm in sich zusammen. Schritt für Schritt schreitet seitdem der Rückbau des ehemaligen Kohlekraftwerks voran.

Damit wie geplant das Kesselhaus im nächsten Frühjahr gesprengt werden kann, müssen einige Bauten links und rechts neben dem 130 Meter hohen Kesselhaus weichen. Abgerissen sind bereits die Rauchgasreinigung, das Elektrofiltergebäude und das Maschinenhaus - Sprengstoff wurde hier nicht eingesetzt.

Die Sprengung des Kesselhauses ist für den Sprengmeister technisch aufwendig, da das Kesselhaus mit seiner Größe europaweit einzigartig ist. Allein der Kessel im Inneren wiegt 50.000 Tonnen. „Um erste Konzepte für die Sprengung auszutauschen, ist Mitte November ein Meeting mit allen Verantwortlichen geplant”, sagt Armin Fieber, Geschäftsführer des Kraftwerks Mehrum.

Fast fertig ist bereits das Abhängen der Fassadenplatten an den restlichen Kraftwerksgebäuden. Dafür musste eine Spezialfirma engagiert werden. Deren Mitarbeiter arbeiteten in den letzten Wochen in Schutzkleidung und Masken an der Fassade und entsorgten jede Platte in sogenannten Big-Bags, da sie asbesthaltig sind. Denn beim Bau des Kraftwerks, der 1962 mit dem ersten Block startete und 1979 mit dem dritten Block endete, wurden Faser-Asbestzementplatten für die Gebäudeverkleidung verwendet. Diese Platten zeichneten sich durch Langlebigkeit und Hitzebeständigkeit aus und wurden bis Anfang der 1890er-Jahre verbaut, bis die Gesundheitsgefahren durch Asbest bekannt wurden.

Wenn diese Platten unsachgemäß behandelt und beschädigt werden, können Asbestfasern freigesetzt werden, die zu schweren Erkrankungen führen können. Deshalb musste die Spezialfirma händisch jede einzelne Platte von der Fassade entfernen. „Jetzt sieht man überall die Metallstruktur der Gebäude, durch die der Wind weht”, so Armin Fieber.

Der Rückbau des ehemaligen Kohlekraftwerks liegt nach Auskunft des Geschäftsführers im Zeitplan. Bis zur nächsten großen Sprengung in der Zeit von April bis Juni 2026, wird das Gelände weiter geräumt. Wenn dann das Kesselhaus so wie geplant zum Einsturz gebracht wurde, muss sich der Sprengmeister mit dem 250 Meter hohen Schornstein beschäftigen. Geplant ist, ihn zum Jahreswechsel 2026/2027 zu Fall zu bringen. Im 2027 soll dann von den imposanten Kraftwerks-Gebäuden nichts mehr zu sehen sein und das Gelände frei sein für eine zukünftige Bebauung.

■ Das Kraftwerk wurde im Dezember 2021 aus dem kommerziellen Betrieb genommen, hielt aber bis 2022 Reservekapazitäten vor. Nach der Energiekrise durch den Überfall der Ukraine durch Russland wurde das Kohlekraftwerk im Jahr 2022 vorübergehend reaktiviert. Endgültig außer Betrieb gesetzt wurde es im Frühjahr 2024.

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