Einsturzgefährdete Scheune: Straße in Edemissen seit zwei Monaten gesperrt
Denkmal-Gebäude als Sicherheitsrisiko eingestuft – Anwohner fürchten juristisches Tauziehen

Sackgasse: Die Wipperstraße in Edemissen ist teilweise gesperrt, da eine Scheune als einsturzgefährdet gilt. Man könnte vermuten, das marode Gebäude gehört zum angrenzenden Hof auf der rechten Seite, das ist aber nicht so.Foto: Ralf Büchler
Edemissen. Die schmale Wipperstraße in Edemissen ist eine echte Rarität im Landkreis Peine – hier reiht sich Baudenkmal an Baudenkmal, die gesamte Straße ist ein Denkmal-Ensemble. Ob Mauern, Bauerngarten, Scheunen oder Wohnhäuser – hier ist alles quasi Geschichte zum Anschauen. „Die Wipperstraße ist die Keimzelle der Ortschaft“, weiß Gemeinde-Sprecher Oliver Völkening. Kirche, Höfe und eine Kneipe – auf kurzer Strecke hatten die Bewohner hier früher alles, was sie brauchten. Doch gerade ist die historisch so bedeutende Wipperstraße offenbar auch ein gefährlicher Ort.

Der Landkreis Peine hat angeordnet, dass Teile der Straße abgesperrt werden. Seit fast zwei Monaten verhindern Baken nun schon die Durchfahrt – und manch Edemisser fürchtet, dass das noch ewig so bleiben wird.

Der Grund für die Sperrung ist eine laut Landkreis Peine einsturzgefährdete Scheune, die einst ein Schafstall gewesen sein soll und direkt an die Straße grenzt. Spaziergängern waren hier schon länger wackelige Dachziegel aufgefallen, sie wechselten mitunter die Straßenseite. Der Landkreis Peine begutachtete die laut Denkmal-Atlas fast 200 Jahre alte Scheune und sah die öffentliche Sicherheit gefährdet. „Aus diesem Grund war eine Sperrung der betroffenen Flächen unumgänglich“, betont Kreissprecher Fabian Laaß.

„Als Gefahrenabwehrbehörde haben wir in Amtshilfe die Straße absperren müssen“, bestätigt Völkening im Namen der Gemeinde Edemissen. Der Kreis merkt an, dass er zudem das Dach des Gebäudes so abgesichert habe, „dass eine zusätzliche Gefahr von herabstürzenden Dachziegeln nicht mehr gegeben ist“. Eine XXL-Schutzplane wurde über das Dach gezogen. Sie soll auch verhindern, dass das Ständer-Holz weiter dem Regen ausgesetzt ist.

Seit zwei Monaten sind Teile der Wipperstraße nun schon gesperrt. Viele vermuten, die 1833 erbaute Scheune gehört zum unmittelbar angrenzenden Hof auf der gleichen Straßenseite, doch dem es nicht so. Das Gebäude gehört kurioserweise zu einem Grundstück auf der anderen Straßenseite. Die Lage scheint verzwickt, viele Edemisser fürchten eine lange juristische Auseinandersetzung zwischen dem Eigentümer der Scheune und den Denkmalschutzbehörden. Der Landkreis ist die Untere Denkmalschutzbehörde und verweist darauf, dass er mit dem Eigentümer im Austausch zu den weiteren Möglichkeiten sei. „Aus datenschutzrechtlichen Gründen können jedoch keine Details zum Verfahren genannt werden.“

Ziel sei es aber, gemeinsam mit dem Eigentümer „schnellstmöglich eine Lösung zu finden“, um die Sperrung aufzuheben. „Hier ist die Behörde allerdings auf die zügige Zuarbeit des Eigentümers zum weiteren Vorgehen angewiesen“, merkt Kreissprecher Laaß an.

Die Folgen und die Ungewissheit ärgern auch Wolfgang Spandau, der in der angrenzenden Straße „Am Pfarrgarten“ zu Hause ist. „Eine lange Sperrung im alten Ortskern von Edemissen ist nicht akzeptabel“, sagt er und verweist etwa darauf, dass Lieferfahrzeuge für Gewerbetreibende in der Straße ebenso zu Umwegen gezwungen seien wie Besucher des Wipperhofes.

Wer den Veranstaltungsort mietet, kann hier zum Beispiel Hochzeiten oder Geburtstage in historischem Ambiente feiern. Einige ortsunkundige Gäste sollen schon von der Bake ausgebremst worden seien und mussten wenden. Anwohner der Wipperstraße haben mitunter schon ihre Einfahrt mit Gittern versperrt, um Wendemanöver auf ihren Höfen zu verhindern.

Spandau beobachtete zudem, dass die Fahrzeuge der Müllabfuhr nur noch rückwärts in den jeweiligen Straßenabschnitt einfahren können, weil ein Wenden nicht mehr möglich sei. Auch der Besuch des Gottesdienstes in der Kirche sei für einige Edemisser nun mit Umwegen verbunden. Und: Die Plane auf der Scheune sorge laut Spandau bei Wind für erhebliche Lärmbelästigung. Er hofft daher auf eine schnelle Lösung. Wie die aussehen könnte? Abriss oder zügige Sanierung.

Doch ist der Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes überhaupt möglich? Ja, aber nur unter strengen Auflagen und mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn das Denkmal so stark verfallen ist, dass eine Sanierung nicht mehr sinnvoll ist oder den Eigentümer die Kosten für eine Sanierung unzumutbar belasten würden.

Edemissens kommissarischer Ortsheimatpfleger Reinhard Bartels gerät über die historische Bedeutung der Wipperstraße zwar ebenfalls gerne ins Schwärmen, doch aufgrund des maroden Zustands der Scheune hält er einen Abriss für vertretbar. „Für mich ist das eine ganz klare Geschichte: Das Gebäude ist nicht mehr haltbar, es dient keinem Zweck und wurde auch nicht mehr genutzt. Wenn ein moderner Neubau an die gleiche Stelle käme, würde das aber auch nicht passen“, betont er.

Der Landkreis Peine könnte als Untere Denkmalschutzbehörde allerdings theoretisch einem Denkmalbesitzer auch Erhaltungsmaßnahmen anordnen und Zwangsgelder aufbrummen, wenn sie nicht umgesetzt werden. Kreissprecher Fabian Laaß weist zudem darauf hin, dass Denkmaleigentümer Fördergelder etwa beim Landesamt für Denkmalpflege für den Erhalt eines Denkmals beantragen können.

So oder so: Der Edemisser Wolfgang Spandau hofft, dass der Fall nicht jahrelang Rechtsanwälte und Behörden beschäftigt. Und falls das Gebäude abgerissen wird, schlägt er vor, Teile der alten Scheune für den Monumentendienst zur Verfügung zu stellen. „Dieser Dienst hat das Ziel, historische Baustoffe zu sichern“, weiß Spandau.

Ziegel und Fenster der Scheune aus Edemissen könnten so noch bei einer Sanierung eines anderen historischen Gebäudes zum Einsatz kommen.

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