Aber auch die Wiedergutmachung hatte ihre Zeit gedauert. Zehn Jahre Auseinandersetzungen und Widerstände waren der Eröffnung voraus gegangen, „doch mit Unterstützung von Zivilgesellschaft und dem Betriebsrat der damaligen Preussag Stahl AG konnte die Gedenkstätte durchgesetzt werden“, erinnert der Arbeitskreis Stadtgeschichte. Dieser schloss im Januar 1992 mit dem Konzern einen Vertrag zur Nutzung eines Teils der historischenRäumlichkeiten.
„Heute können wir auf 30 Jahre erfolgreiche Gedenkstättenarbeit zurückblicken“, heißt es weiter. Bei der Eröffnung 1994 entstanden enge Verbindungen zwischen den Überlebenden und der Gedenkstätte. „Diese wurden durch ihre regelmäßigen Besuche in Salzgitter, aber auch den ständigen Kontakt von Vereinsmitgliedern des Arbeitskreises aufrechterhalten.“Mit Elke Zacharias bekam die Gedenkstätte ein Jahr nach der Eröffnung die erste hauptamtliche Leiterin. Seit 1996 besuchen alle neuen Auszubildenden der Salzgitter Flachstahl GmbH (SZFG) die Gedenkstätte. Im Jahr 2000 lief das erste Azubi-Seminar zur Vorbereitung der Gedenkstunde. Die SZFG-Lehrlinge stellten damals 3.000 farbige Stahl-Winkel her. Die Farben standen für die verschiedenen Haftgründe im KZ. Zur Gedenkstunde wurden die Winkel auf dem ehemaligen Appellplatz ausgelegt und zeigten eindrücklich die Menge der dort inhaftierten Menschen.
Mit der Wahl von Hasan Cakir zum Betriebsrat 2006 intensivierte sich die Zusammenarbeit zwischen Gedenkstätte und der Salzgitter AG weiter. Ein Jahr später wurde die Gedenkstätte unter anderem mit zwei Seminarräumen erweitert. Es folgte ein Ausbau des pädagogischen Angebots: Schulklassen kamen, Jugendprojekte und Bildungsurlaube wurden organisiert.
Seit 2010 findet jährlich ein Seminar mit Auszubildenden der SZFG in Vorbereitung auf die Gedenkstunde statt. 2013/14 entstand in diesem Rahmen das Denkmal „HINGESCHAUT?“, das seitdem den Gedenkort weithin sichtbar macht. Auch die finanzielle Grundlage konnte 2014 mit dem Vertragsschluss zwischen der Stadt Salzgitter, der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und dem Arbeitskreis Stadtgeschichte zur institutionellen Förderung auf eine sichere Basis gestellt werden.
2019 wurde die Gedenkstätte nochmals erweitert. Mit den neuen 1000 Quadratmetern Ausstellungsfläche startete das Projekt „Neugestaltung“. Seither umfasst die Gedenkstätte den ganzen ehemaligen Block IV, das ehemalige Krankenrevier und den nach 1945 errichteten Anbau. Nach intensiven Recherchen, neuen Erkenntnissen und viel Arbeit durch das Team der Gedenkstätte konnte am 18. Oktober 2022 die neue Dauerausstellung der Gedenkstätte eröffnet werden.
Ein halbes Jahr später wurde der neue Seminarraum eingeweiht. Daraufhin verdreifachten sich die Besuchszahlen im Vergleich zu 2019 im Jahr 2023 auf über 3.000. Auch das Team der Gedenkstätte konnte 2023 dauerhaft um eine von der SZFG finanzierte pädagogische Kraft erweitert werden. Für 2024 konnten eine Stelle für das Archiv sowie eine weitere für die Öffentlichkeitsarbeit besetzt werden.
Diese Errungenschaften waren nur durch die unermüdliche Arbeit der Überlebenden, von Ehrenamtlichen des Arbeitskreises Stadtgeschichte, freiwilligen Helfer:innen, Fördernden und nicht zuletzt den Kolleg:innen der Salzgitter AG und hier besonders dem Betriebsrats der SZFG möglich. Die Entwicklung der Gedenkstätte wird aktuell durch eine Ausstellung in der Gedenkstätte mit Graphic-Novel Zeichnungen, die im Rahmen des diesjährigen Azubiseminars zur Gedenkstunde entstanden sind, gezeigt.
Die Sonderausstellung „30 Jahre Gedenkstätte – Ein Erinnerungsprojekt der Auszubildenden der Salzgitter Flachstahl GmbH“ kann noch bis zum Ende August angeschaut werden. Sie ist im Rahmen des öffentlichen Zugangs am zweiten Samstag im Monat von 15 bis 17 Uhr in der Gedenkstätte zugänglich. Termine sind am 11. Mai, 8. Juni und 13. Juli. Nach Absprache sind auch Führungen möglich. Anfragen per E-Mail an besuch@gedenkstaette-salzgitter.de.