Beim jüngsten Fall in der Fußgängerzone erlebten die fünf Menschen in dem Fahrstuhl plötzlich ein ständiges Auf und Ab. Eigentlich wollten sie doch ins Erdgeschoss fahren nach der Podiumsdiskussion zu den Sorgen des Mittelstandes in Zeiten der Krise – und gerieten dabei eine ganz eigene Krise. Statt die Türen zu öffnen, fuhr der Aufzug nach der kurzen Abfahrt wieder rauf. Wieder runter und wieder rauf. Immer wieder.
Zu fünft gefangen im Fahrstuhl: „Es wurde immer wärmer“, schildert eine Betroffene die Situation. Und die Reaktion in der Gegensprechanlage der Notruftaste habe „eine gefühlte Ewigkeit“ gedauert. Eine Frau neben ihr habe rote Flecken im Gesicht bekommen. Selber sprang bei ihr das Kopfkino an: „Die Angst vor der Panik. Tausend Gedanken gehen einem durch den Kopf. Kann das Ding abstürzen, kriegt man bald keine Luft mehr?“ Was ist, wenn sie selbst Panik kriegt – oder ein anderer? „Du bist so ausgeliefert.“
Dr. Klaus-Achim Ehlers kann das nachempfinden. Vor vielen Jahren steckte der Hauarzt zusammen mit weiteren Leuten nach einem fröhlichen Abend im Hotel in München in einem Aufzug fest. „Und wir mussten alle Wasser lassen“, erinnert er sich. Man habe sich seinerzeit selbst befreit, die Türen aufgedrückt und sei in das untere der Geschoss gekrabbelt. „Das ist ganz sicher nicht zu empfehlen“, sagt er heute. In seinem Ärztehaus in der Torstraße ist auch ein Aufzug, der Notdienst sei in Braunschweig und in kurzer Zeit vor Ort. Für den Fall der Fälle habe er auch einen Notschlüssel und könne Eingesperrte befreien. Aber die Sicherheitssysteme greifen ihm zufolge.
Laut Ehlers ist das Problem rein psychisch, wenn Menschen in einem Aufzug eingesperrt sind – auf engem Raum und dann auch noch mit anderen, möglicherweise fremden Leuten. „Das erste ist: Ruhe bewahren“, rät Ehlers. Für die Betroffene aus dem Volksbank-Aufzug ist das leicht gesagt. „In der Theorie mag das klappen, in der Praxis sieht das ganz anders aus.“ Ehlers räumt ein, dass es in so einer Ausnahmesituation nicht einfach sei, sich auf andere Gedanken zu bringen. Aber: „Man muss sich klarmachen: Es kann nichts passieren.“
Allein die Stadt hat in ihren Gebäuden sieben Aufzüge. Wie viele es insgesamt in Gifhorn gibt, weiß weder das Rathaus noch die Feuerwehr. Laut Ortsbrandmeister Uwe Michel werden es aber immer mehr, denn allein die Barrierefreiheit-Vorschriften sorgten bei Neubauten dafür. Im vorigen Jahr befreiten er und sein Team fünfmal Menschen aus Aufzügen. Auffällig sind dabei die am Bahnhof Gifhorn.
Immer wieder berichtete die AZ in der Vergangenheit über Probleme mit den Aufzügen dort. Laut Bahnpressestelle liegen die letzten Defekte nicht allzulange zurück: Der Aufzug für die Bahnsteige 3 und 5 streikte am 29. Februar, der am Bahnsteig 4 am 30. Januar und der für die Bahnsteige 1 und 2 am 13. Dezember. Über bahnhof.de könnten Kunden im Internet aktuell erfahren, ob Aufzüge defekt sind. Die Aufzüge am Bahnhof Gifhorn sind anno 2011 und somit wöchentlich dran bei der Prüfung der Funktionsfähigkeit und durchschnittlich vier Mal im Jahr zur Wartung. Einen Austauschtermin gebe es noch nicht, aber im Durchschnitt seien Aufzüge alle 15 Jahre fällig.
Dass die Feuerwehr eingreifen müsse, sei eine Ausnahme, so die Bahnpressestelle weiter. Oft seien es Betroffene, die die 112 wählten. Ansonsten seien die Vertragspartner der Bahn innerhalt von 30 bis 40 Minuten vor Ort. Die Bahn ziehe die Feuerwehr nur dann hinzu, wenn zum Beispiel große Hitze, kleine Kinder oder gebrechliche Menschen im Spiel seien und somit „Gefahr in Verzug“.
Im Fall der Podiumsdiskussions-Besucher löste sich das Problem, bevor ein Techniker einschritt. „Auf einmal fuhr der Aufzug wieder“ – und entließ die erleichterten Insassen ins Erdgeschoss. Für die Volksbank Brawo ist der Vorfall damit nicht abgeschlossen, wie Sprecher Daniel Dormeyer versichert, auch wenn zu keiner Zeit eine Gefährdung der Nutzenden vorgelegen habe. „Kurz nach Auftreten des Defekts haben wir Kontakt zum Wartungsunternehmen aufgenommen und parallel den Fahrstuhl für die Nutzung gesperrt.“ Das bleibe der Aufzug solange, bis das defekte Bauteil ausgetauscht sei.
Mit dem Aufzug habe die Volksbank bislang keine Probleme gehabt, so Dormeyer. Die letzte Wartung sei am 31. Januar dieses Jahres gewesen, die jüngste der jährlichen TÜV-Prüfungen im Juli vorigen Jahres. Die Betroffene kann inzwischen über das Abenteuer auch mal schmunzeln – beim nächsten Mal werde sie aber die Treppe nehmen.