Hülsen leitet seit einem Jahr bei Venito Diakonische Gesellschaft für Kinder, Jugendliche und Familien gGmbH im Auftrag des Landkreises die Sucht- und Drogenberatung. Gifhorn ist dem Diplom-Sozialpädagogen und ausgebildetem Suchttherapeuten bestens vertraut, beim vorherigen Träger war er schon mehrere Jahre tätig. Er vermutet, dass er und sein Team in der Beratungsstelle gerade einmal 10 Prozent der betroffenen Süchtigen oder Suchtgefährdeten im Blick haben.
Zur jüngsten Diskussion um den Verkauf von Lachgas, Einweg-E-Zigaretten und Kiffer-Zubehör an 24-Stunden-Verkaufsautomaten an öffentlichen Straßen hat Hülsen eine klare Haltung. Dass bedenkliche Dinge so verfügbar und präsent gezeigt werden, sei „nicht hilfreich“. Lachgas tauche als konkrete Problematik zwar nicht in der täglichen Arbeit auf, „aber den Verkauf zu unterbinden, ist schon wünschenswert“, sieht er die Politik am Zug. Wer in jungen Jahren aus Neugier Lachgas probiere, mache so eine erste Rauscherfahrung, die sogar als lustig empfunden werden könne. „Gefährlich“, warnt er.Das Suchtmittel Nummer eins allerdings ist der Alkohol. „Der ist für Kinder überall viel präsenter. Alkohol ist das größte Problem“, gibt Sven Hülsen zu bedenken. Dabei sind Bier, Wein und harte Spirituosen das Suchtmittel schlechthin, das einen Großteil der Arbeit der Beratungsstelle ausmache. Das Hinübergleiten vom gemütlichen Feierabendbier bis zur Person, die sprichwörtlich an der Flasche hängt – die Grenze, ab wann Trinken zu einer gefährlichen Sucht wird, sei schleichend. Gesellschaftlich sei es ja geradezu anerkannt, „am Wochenende Erholung im Alkohol“ zu finden.
Wann ist der Kipppunkt? Wer im Job auffällig werde wegen einer Alkoholfahne, den Führerschein im Zuge einer Trunkenheitsfahrt verliert, durch aggressives Verhalten auffalle, von Partnerin oder Partner mit Trennungsabsichten wegen des Trinkens konfrontiert werde, den führe oft der „äußere Druck dazu, zu uns zu kommen“, so Hülsen. Am häufigsten passiere das bei Menschen mit Mitte 30. Wer sich öffnet und die Experten um Rat fragt, kann neben dem Erstgespräch in der so genannten Motivationsgruppe herausfinden, wie groß die eigene Suchtproblematik ist.Auch der Anteil derer, die verschreibungspflichtige Medikamente – oftmals Beruhigungsmittel – im Übermaß einnehmen, sei vergleichsweise hoch. Auf dem Schwarzmarkt käme man zu vergleichsweise günstigen Preisen an solche Mittel. Hülsen wünscht sich: „Das müsste man mehr reglementieren.“
Quer durch alle Altersschichten gehe die Suchtproblematik, die übrigens auch Online- und Glücksspiel umfasst. Möglicherweise ist eine Personengruppe gar nicht so recht im Blick – Ruheständler, die erst nach dem Arbeitsleben mit dem Trinken beginnen. Auffallen würde das eher selten, weil sie nicht mehr in festen Strukturen leben. Hier lasse dann entsprechend der äußere Druck nach, sich Hilfe zu suchen.