Die Rechnung ist simpel: Große Fußballturniere bedeuten häufig bei den Fans einen größeren Bierdurst und das bedeutet mehr Umsatz für die Brauereien. Es wird von den Sommerfußballturnieren profitiert, besonders wenn dann noch das Wetter passt. Das sei nach Meinung des Geschäftsführers der Wittinger Brauerei noch nicht der Fall. „Das wechselhafte Wetter im Juni hatte einen deutlich negativen Einfluss auf die Absätze“, sagt Schulz-Hausbrandt.
Eine starke Auswirkung der Fußball-EM in Deutschland mit damit verbundenen höheren Verkaufszahlen an Bier wird nicht wahrgenommen. „Die Absätze waren gut, aber nicht überragend. Wir haben auch mit keinem Mehrabsatz durch die EM geplant“, sagt der Geschäftsführer. Das hätte mehrere Gründe. Vergünstigungen anderer Getränkeanbieter und die Ferienzeit verändern den Markt. „Die nationalen Brauereien bieten im Handel Preisaktionen zu solchen Großveranstaltungen. Dazu verbringen sehr viele Menschen ihren verdienten Urlaub außerhalb des Vertriebsgebiets“, sagt Schulz-Hausbrandt.
Viele Liter Bier werden auch in den Kneipen und Lokalitäten beim Public Viewing verzapft. In der Gastronomie wird auf Zapfbier aus Fässern gesetzt. Gibt es in diesem Zusammenhang eine Verschiebung im Verkauf von Flaschenbier zu Bierfässern? „Das nehmen wir so nicht wahr. Die Relation zwischen Fass- und Flaschenbier ist wie zum Zeitpunkt vor dem Turnierstart“, sagt Schulz-Hausbrandt. Auch sei das Wittinger Bier nicht vermehrt in die Gastronomie oder zu Orten, an denen Public Viewing stattfindet, geliefert worden.Einige Brauereien nehmen sich vor, besondere Bierkreationen zum Fußballturnier auf den Markt zu bringen. Die Wittinger Brauerei hat keine speziellen Produkte extra für die Heim-EM in den Verkauf gebracht. Neue Angebote gibt es dennoch. „Wir haben im Mai das ,Heide Craft Helle’ veröffentlicht“, sagt der Geschäftsführer der Wittinger Brauerei. Unter der Marke „Heide Craft“ werden kaltgehopfte Bierkreationen angeboten. Bei dem neuen Getränk handele es sich um einen spritzig frischen Gerstensaft mit mildem Geschmack.
Die aktuelle Entwicklung auf dem Biermarkt geht auch an der Wittinger Brauerei nicht spurlos vorbei. „Das Geschäftsjahr lief bislang annähernd nach Plan, allerdings kämpfen auch wir mit dem insgesamt schrumpfenden Bierkonsum“, sagt SchulzHausbrandt. Dennoch wird das Brauerzeugnis literweise in Flaschen und Fässer gefüllt. Das Pils ist nach wie vor mit Abstand das meistverkaufte Wittinger-Bier. „Aktuell gibt es bei uns keine Störungen in den Lieferketten, deswegen läuft die Produktion bislang ohne Probleme.“
Viele Brauereien müssen sich mit dem sinkenden Konsum arrangieren. Die Produktionskosten würden weiterhin auf einem sehr hohen Niveau liegen. Energie und Reinigungsmittel wie Laugen und Säuren seien teuer, aber auch die Preise für Rohstoffe, Glasflaschen und Biergläser seien seit der Ukrainekrise angestiegen. So schnell werden die Lichter in Wittingens Privatbrauerei aber nicht ausgehen. „Die Branche steht vor zahlreichen Herausforderungen, denen wir uns aber gewachsen sehen“, verspricht der Geschäftsführer.
Auch wenn es zur aktuellen Fußball-EM in Deutschland zu einem möglichen Anstieg des Bierkonsums bei den Deutschen kommen könnte, ist die Entwicklung deutlich zu sehen. Weniger Absatz in den Brauereien und steigende Kosten können keine guten Voraussetzungen für die Zukunft sein. Ein negatives Beispiel gibt die Privatbrauerei Härke aus Peine ab. Nach einer Insolvenz im Jahr 2013 wurde die Peiner Brauerei von der Einbecker AG übernommen.
Gebessert hatte sich die Situation anschließend nicht. Bereits während der Covid-Krise war die Wirtschaftlichkeit des Standortes in Peine intensiv geprüft worden, doch der Braubetrieb wurde beibehalten. Die verschlechterten Rahmenbedingungen und die fehlende Erholung der Absätze hatten Folgen: Der Braubetrieb in Peine wurde Ende 2023 eingestellt. Die Biere der Marke Härke werden seither in Einbeck hergestellt.