Seit gut zwei Wochen sind die Roder von Ernst Lütje aus Wasbüttel auf Tour. „Wir sind zwei, drei Wochen früher dran als voriges Jahr.“ Das sei auch gut so, denn inzwischen laufe der Vorrat aus der eher mittelmäßigen Ernte 2023 aus. „Das spiegelt das Gesamtbild wieder. Anders als in den anderen Jahren gibt es keine Alt-Ernte mehr.“ Und das bei einer guten Nachfrage aus der Pommes- und Chips-Industrie, die inzwischen auch weniger aus ihrem Stammproduktionsland Belgien einkaufen könne, wo es Einbrüche bei der Ernte gebe.
Wer 28. Juni bei Edeka in der Gifhorner Innenstadt auf die Preisschilder geschaut hat, machte eine Spanne von 1,79 bis 2,33 Euro pro Kilogramm Speisekartoffeln oder Speisefrühkartoffeln aus. Klaus-Dieter Böse vom Kreislandvolk hatte zu diesem Zeitpunkt 75 Euro pro 100 Kilogramm als Preis für den Landwirt vermeldet. „Das ist ein Tagespreis, der kann morgen schon bei 65 Euro liegen.“ Und es gebe auch Abzüge hier und da einzukalkulieren. Dennoch könnten die Landwirte gerade zufrieden sein. „Wir hatten auch schon einmal nur 20 bis 25 Euro.“
„Bei knapper Ware ist der Preis hoch“, fasst Böse die Gesetze des Marktes zusammen. „Wir versuchen, preisstabil zu bleiben“, sagt Lütje. Sein Kollege Henning Kuhls aus Neubokel, der in etwa einer Woche mit der Ernte loslegen will, rechnet damit, dass die Kartoffelpreise „bis August auf hohem Niveau“ bleiben dürften. Danach würden die Karten neu gemischt. Garantien gebe es aber nicht. Beide Landwirte verweisen darauf, dass die Entwicklung von vielen Faktoren abhänge, nicht zuletzt vom Wetter. Da wären konkrete Prognosen reine Glaskugelleserei. Mit seinen Frühkartoffeln ist Lütje gerade zufrieden: Der Ertrag sei Durchschnitt, aber die Qualität „sehr gut“.
Abwarten müssen sie auch, welche Auswirkungen die Überschwemmungen vor wenigen Wochen in Süddeutschland und die daraus resultierenden Ernteausfälle dort auf den bundesweiten Markt haben – wobei laut Lütje Niedersachsen das Hauptanbaugebiet für Kartoffeln in Deutschland ist.
Rüdiger Fricke von der Gifhorner Geschäftsstelle der Landwirtschaftskammer sieht in der Krautfäule das größere Problem. Zumal der Handel signalisiere, dass die entsprechenden Pflanzenschutzmittel gerade knapp würden. Ernteausfälle mag er nicht vorhersagen – Stichwort Glaskugelleserei –, aber er bleibt zuversichtlich: „Ich glaube nicht, dass wir ein Versorgungsproblem kriegen.“
Auch Kuhls hat die Krautfäule im Blick, warum auch immer sie jetzt plötzlich Probleme bereite: „Eigentlich war es kein Krautfäule-Wetter.“ Das wäre laut Böse „warum und feucht“ gewesen – eine Kombination, die die Knolle eben nicht vertrage. Die Folge dieser aktuellen Bedrohung: „Da muss man die Bestände regelmäßig beobachten“, sagt Kuhls.
Laut Böse ist der Kartoffelmarkt nicht ganz einfach, siehe die Tagespreis-Schwankungen. Und er sieht einen leichten Trend weg von der Speisekartoffel. Viele Kunden greifen ihm zufolge eher zu Nudeln, weil sie diese nicht schälen müssten. Das sieht Fricke ähnlich. Der Pellkartoffelmarkt werde jedenfalls nicht steigen, dafür ein anderer. Die Knolle finde jetzt – und gerade jetzt zur Fußball-Europameisterschaft – einen anderen Absatz: Pommes und Chips seien gefragt. „Es verschiebt sich einfach ein bisschen.“