Mit Nahrungsmitteln und alkoholhaltigen Getränken im Wert von 170 Euro wollte jetzt ein 42-Jähriger einen Discounter an der Hamburger Straße verlassen, ohne zu bezahlen. Doch die Ladendetektivin hatte ihn bereits auf dem Schirm. Sie stellte den Dieb, die alarmierte Polizei nahm ihn fest. Am nächsten Tag fiel laut Polizeisprecherin Marie-Charlott Seffer schon das Urteil im beschleunigten Verfahren: 60 Tagessätze sind nun fällig für den Mann.
2014 verzeichnete Gifhorns Polizei 405 Ladendiebstähle, darunter 37 unter erschwerten Bedingungen, weil die Täter zum Beispiel Sicherheitsetiketten entfernten oder die Ware aus verschlossenen Vitrinen nahmen. 2022 lag die Zahl bei 380, davon 36 Diebstähle unter erschwerten Bedingungen. 2023 ging es kräftig nach oben: 457 Fälle insgesamt, davon 61 unter erschwerten Bedingungen.
Modenhauschef Fritz Becker hat das vorige Jahr in der Tat in keiner guten Erinnerung, was Ladendiebstähle angeht. „Das war gefühlt eine Katastrophe“, sagt auch Michael Metz vom Ceka-Kaufhaus über 2023. Er hat daraus schon Konsequenzen gezogen: Seitdem ist der Nebeneingang dicht. „Das war ein Schlupfloch.“
Zeitweise und in unregelmäßigen Abständen, um nicht berechenbar zu sein, sei auch ein Ladendetektiv vor Ort, sagt Metz. Weitere Vorkehrungen will er nicht verraten. Becker setzt unter anderem auf Videoüberwachung und Prämien für seine Belegschaft, wenn diese Taten verhindert oder Täter entlarvt. Dabei sei aber durchaus Vorsicht geboten, weiß der Chef. In einem Fall habe der Dieb auch ein Messer im Rucksack dabei gehabt.
„Es ist schon auffällig, wenn die Leute mit einem Rucksack reinkommen und sich umschauen“, sagt Becker. Es lohne sich hinzuschauen, dann falle auch mal auf, dass jemand mit zwei Teilen weniger aus der Umkleidekabine wieder rauskomme. T-Shirts werden eingesteckt, Jacken einfach übergezogen, so Becker. Eine Mutti, die ihrem kleinen Kind Diebesgut zusteckt, zum Beispiel in dessen Rucksack? „Dass Kinder instrumentalisiert werden, ist schon Standard“, sagt Becker.
Die ausgetretenen Schuhe stehen unter dem Hocker oder in der Kabine, die neue Ware ist weg: Das ist laut Metz ein Klassiker. Auch Sicherheitsetiketten werden rausgebrochen, die Ware verschwindet dann in Tüten oder Taschen.
Knapp 89 Prozent der Fälle im vorigen Jahr hat die Polizei aufgeklärt, so Seffer. Die Quote lag 2022 bei 87 Prozent, 2014 bei fast 93 Prozent. Für Fritz Becker ist das nur der halbe Trost. 90 Prozent der Verfahren würden eingestellt, ist sein Eindruck. „Das ist ein Teil der Wahrheit. Und wir haben viel Aufwand.“
Wenn Diebe in Geschäften Erfolg haben, dann sind nicht die Kaufleute Opfer. Bei Taschendiebstählen bleiben die meisten Fälle unaufgeklärt, weil die Opfer das häufig nicht sogleich merken, sagt Liane Jäger vom Präventionsteam der Gifhorner Polizei. Da kommen sie und ihre Kollegen ins Spiel. Denn in diesem Punkt sei Prävention das A und O. Und Aufklärung: Wie Taschendiebe vorgehen, weiß Jäger genau und teilt dieses Wissen gern mit deren potenzieller Zielgruppe.
Taschendiebe seien entweder spontan am Werk, weil die Gelegenheit gerade günstig sei. Oder es seien professionell agierende Banden, die in ganz Europa aktiv sind, sagt Jäger. Diese arbeiteten oft mit bis zu fünf Leuten an einem Opfer. „Sie wechseln binnen weniger Tage ihre Tatort-Städte, fallen also an einem Tag in der Stadt/dem Landkreis XY ein und sind genauso schnell wieder weg und in der nächsten Stadt/dem Landkreis aktiv“, sagt Jäger. „Brennpunktzeiten sind in den Einkaufszentren die Stunden vor dem Ladenschluss, während Aktionstagen (zum Beispiel Schlussverkäufe) und in der Vorweihnachtszeit.“ Viele Tatverdächtige seien übrigens unter 18 Jahre.
Die meisten Opfer sind ältere Frauen, die die Täter mit einem „Repertoire an Tricks äußerst kreativ und erfolgreich“ angehen, so Jäger. Im Geschäft fragen sie ihr Opfer nach einer bestimmten Ware, und wenn es hilfsbereit danach sucht und somit abgelenkt ist, räumen sie die Tasche am Einkaufswagen aus.
Jäger kennt noch dreistere Beispiele, nämlich den Taschenträger-Trick: Diese Täter „spähen insbesondere ältere Frauen beim Einkaufen aus und bieten ihnen scheinbar hilfsbereit an, den Einkauf nach Hause zu tragen. Dort eilen sie mit der Tasche die Treppe hinauf, während der ältere Mensch nicht so schnell hinterherkommt, oder sie nehmen unterwegs die Geldbörse heraus, stellen die Tasche vor der Tür ab und kommen dem Opfer freundlich grüßend entgegen.“