Nein, das Zugunglück 2022 war keine Katastrophe. Nicht einmal das Hochwasser zum Jahreswechsel stuft der Landkreis als solche ein, obwohl Hunderte von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helfern an mehreren Stellen im Kreisgebiet Sandsäcke gefüllt und gestapelt sowie Heimbewohner evakuiert hatten. Was eine Katastrophe sei, regele das Niedersächsische Katastrophenschutzgesetz, sagt Rüger. Eine Bedingung sei, dass der Landkreis die zentrale Leitung zur Bekämpfung übernehme.
Das sei beim Hochwasser nicht der Fall gewesen, so Rüger. Bei den punktuellen Ereignissen in Müden, Schwülper, Weyhausen und Neudorf-Platendorf zum Beispiel hätten die Kommunen die Regie behalten, und der Landkreis habe sie mit seinen Mitteln unterstützt. Der Landkreis habe die Lage beobachtet – und festgestellt, dass Gifhorn im Gegensatz zu anderen Landkreisen in Niedersachsen unterhalb der Katastrophenstufe blieb. „Wir haben ja sogar unsere Sandsack-Füllmaschine an Verden ausgeliehen.“ Und die Technische Einsatzleitung an Celle.
Wie so oft in den vergangenen Jahren schrammte der Landkreis also an einer Katastrophe vorbei. Flüchtlingskrise, Corona, Gasmangellage auf der einen Seite, Orkanschäden, Flächen- und Moorbrände auf der anderen: „Tatsächlich sind wir in den vergangenen zehn Jahren fast dauerhaft unter der Katastrophenstufe tätig. Das ist ein Hamsterrad. Sie werden nie fertig“, sagt Rüger. Der Klimawandel werde das weiter verschärfen, ist sich Hagenbach sicher. Dennoch haben beide kein Unwetter-Ereignis als mögliches Katastrophen-Szenario in ihrer Prioritätenliste ganz oben.
Ja, Waldbrände sehen sie weiterhin als Gefahr für den Landkreis Gifhorn als Hochrisikogebiet dafür. Aber eine Katastrophe? Damit rechnen Rüger und Hagenbach eher weniger. „Man hat seine Lehren gezogen“, sagt Rüger über die Konsequenzen aus der Katastrophe von 1975: Löschbrunnen gebaut, Feuerwachtürme aufgestellt – inzwischen automatisiert mit Kameras –, bessere Fahrzeuge und Ausrüstung angeschafft, Brandschutzschneisen in Wälder geschlagen. „Unsere Feuerwehren sind so viel besser aufgestellt“, sagt Rüger. Die Folge: Seitdem blieb es bei Entstehungsbränden, und nicht einmal den Moorbrand bei Neudorf-Platendorf vor zwei Jahren musste der Landkreis als Katastrophe einstufen.
Also was dann? „Wir erstellen gerade den Sondernotfallplan Stromausfall“, sagt Rüger. Bei einem Kongress in Berlin habe man eine Fachfirma kennengelernt, deren Konzept sich in der Bundeshauptstadt bereits bewährt habe. Ende des Jahres soll das Konzept für den Landkreis Gifhorn stehen. „Ein langfristiger, großflächiger Stromausfall ist das Wahrscheinlichste, das uns treffen kann“, sagt Rüger. „Die Experten fragen nicht, ob er kommt, sondern wann er kommt.“
Ob durch Hackerangriff oder Unwetter ausgelöst: Fest steht für Rüger, dass sich nicht nur der Landkreis und andere öffentliche Stellen auf so einen Blackout einstellen müssen, sondern jeder für sich. Er empfiehlt deshalb allen Bürgerinnen und Bürgern, sich den Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zu besorgen, der auch beim Landkreis als Broschüre ausliege. Darin gibt es auch eine Checkliste für persönliche Sachen, die jeder zuhause vorhalten sollte – von der Hausapotheke über Dokumentensicherung bis hin zu genug Getränkevorrat. Informationen gibt es auch auf der Homepage des Bundesamts unter www.bbk.bund.de.
Im Fall der wahrscheinlichsten Katastrophe rät Rüger dringend dazu, genug Batterien zum Beispiel für Taschenlampen und Radio vorrätig zu halten. Das Smartphone werde nicht lange Strom haben, die Mobilfunkmasten zum Beispiel hätten nur einen Puffer über etwa zwei Stunden – danach seien auch sie stromlos. Informationen gebe es dann am ehesten über den guten alten Rundfunk auf UKW.