Ein späterer Unterrichtsstart sei an niedersächsischen Schulen grundsätzlich machbar, heißt es aus dem Kultusministerium. Das Land gebe nur wenig vor: Der Unterrichtsbeginn soll in der Regel nicht vor 7.30 Uhr liegen. Im Übrigen sind die Schulen frei in der Gestaltung des Unterrichtsbeginns und der Unterrichtszeiten. Heißt: So ein Modellprojekt wie in Dänemark ist denkbar, wenn die Schulen es wollen. Landesseitig gibt es hierzu aktuell keine Pläne“, sagt Pressesprecher Ulrich Schubert.
Wenn die Schulen es wollen: Leona Kötke, Gesamtschuldirektorin der IGS Sassenburg, hat da so ihre Zweifel, ob ein späterer Unterrichtsbeginn wirklich zu mehr Leistungsfähigkeit führt. Die Kinder müssten zudem am Nachmittag länger in der Schule bleiben. „Aktuell starten wir um 8.15 Uhr. Bei einem Start zur zweiten Stunde um 9 Uhr können wir keine deutliche Leistungssteigerung verzeichnen. Wir merken jedoch einen Leistungsabfall am Nachmittag“, sagt sie. „Die Kinder hätten zudem noch weniger Zeit, Hobbys nachzugehen. Zu den längeren Unterrichtszeiten am Nachmittag kämen bei vielen Kinder auch noch die Fahrtzeiten nach Hause hinzu. Die Vorbereitung auf Klassenarbeiten und bei den höheren Jahrgängen auch die Hausaufgaben müssten in den Abendstunden erledigt werden.“ Ein weiterer Aspekt: „Bei vermehrt eingeschränkten Kita-Betreuungszeiten ist es für Lehrkräfte dann zwar morgens einfacher, ohne Frühdienst auszukommen, der späte Nachmittag ist so jedoch nicht abgedeckt - dies hätte möglicherweise zur Folge, dass noch mehr Lehrkräfte in Teilzeit gehen müssten, um die eigenen Kinder versorgt zu wissen.“
„Ein späterer Unterrichtsstart wäre generell zu begrüßen, damit sich Berufs- und Schülerverkehr weniger überlagern. Damit können starke Besetzungen reduziert werden“, sagt VLG-Geschäftsführer Stephan Heidenreich. Die Staffelung von Schulanfangszeiten sei ein geeigneter Weg, Schülerspitzen zu entzerren und starke Auslastungen von Bussen am Morgen zu reduzieren. Neben diesem Effekt seien auch wirtschaftlich positive Effekte zu erwarten, wenn der gleiche Bus am Morgen für mehrere Fahrten hintereinander eingesetzt werden könne. „Im Fazit stehe ich dem positiv gegenüber, allerdings ist ein ausreichend langer Vorlauf zur Detailbetrachtung erforderlich.“
„Offenbar waren wissenschaftliche Erkenntnisse zur eingeschränkten Leistungsfähigkeit von Jugendlichen am frühen Morgen ausschlaggebend für den Test an dänischen Privatschulen. Als Vater kann ich bestätigen, dass ein späterer Beginn zu einer positiveren Grundstimmung führt. Vermutlich ergibt sich in der Folge auch ein besseres Lernverhalten. Der Übergang von Jugendlichen in ein Studium, das Ausbildungs- oder Berufsleben ist häufig ein großer Schritt, der automatisch viele Veränderungen mit sich bringt. Am wichtigsten ist es, interessierte Jugendliche mit den passenden Betrieben und Berufsprofilen zusammenzubringen. Ob die Schule regulär vor 8 Uhr oder um 9 Uhr startet, dürfte bei der optimalen Berufswahl nur eine untergeordnete Rolle spielen. Der Arbeitsbeginn vieler Betriebe ist auch heute schon für viele Jugendliche in der Anfangszeit eine Herausforderung“, sagt Tim Faß, Vorstandsmitglied der Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg.
Emma Lou Menges, Gifhorner Kreisschülersprecherin, würde eine einheitliche Regelung für den Schulstart ab 8 Uhr begrüßen. „So werden Ungleichheiten, wenn eine Schulform um 7.30 Uhr startet und eine andere um 8 Uhr, verringert. Leicht abweichende Schulzeiten sind dennoch wichtig, um eine Überlastung des ÖPNV zu verhindern.“ Ein früher Unterrichtsbeginn mit frühem Schulende sei hilfreich, damit Kinder und Jugendliche sich nachmittags erholen und in die Gesellschaft einbringen könnten: „Ob eine Ruhephase zuhause, Engagement im Ehrenamt, Familienzeit oder Sport: Diese Phasen im Alltag sind notwendig, um mentalen Erkrankungen und Überlastung junger Menschen entgegenzusteuern. Freizeit ist für die Persönlichkeitsentwicklung und Selbstreflektion ein wesentlicher Bestandteil. Diese Zeit wird durch einen längeren Schulaufenthalt beschnitten.“ Für einen späteren Schulstart spräche der Biorhythmus, Jugendliche ab zwölf Jahren bräuchten mehr Schlaf. Und Klausuren, die später am Tag geschrieben würden, hätten einen besseren Notendurchschnitt.