Ortstermin in Leiferde: Wolfgang Kasimir und Udo Reichelt sitzen im Wohnzimmer des 70-Jährigen. An den Wänden zahlreiche Urkunden, in den Schränken Aktenordner, Medaillen, Schleifen, auf den Regalen Pokale. „Das ist nur ein Teil, vieles bekomme ich hier gar nicht mehr unter“, sagt Kasimir. Dabei sammelt er erst seit 2009 Preise ein. Sein Partner Reichelt ist sogar erst seit 2019 dabei. Rund 80 Tiere hat die Zuchtgemeinschaft aktuell. „Klein, aber fein. Großzüchter haben manchmal mehrere Tausend Vögel“, verdeutlicht das Duo. Vier Rassen züchten die beiden Männer: Trompeter, Nordholländer, Agi und Cress.
Von der Straße aus lässt nichts vermuten, dass in dem kleinen weißen Haus in Leiferde das nach eigener Aussage weltweit erfolgreichste Züchterduo von Kanarienvögeln residiert. Das Duo untermauert diese Aussage mit Zahlen, die Titelliste am Ende der Karriere ist beeindruckend: 13Mal Weltmeister, neunmal Vize-Weltmeister, siebenmal WM-Bronze, fünfmal Europameister, 38 Mal Deutscher Meister, 19 Mal Niedersachsenmeister. „Bei den Weltmeistertiteln stehe ich persönlich mit 13 Titeln in der weltweiten Rangliste auf dem ersten Platz. Mein direkter Konkurrent hat zehn Titel – und kann mich nicht mehr einholen, da er mit der Teilnahme an Weltmeisterschaften aufgehört hat“, sagt Wolfgang Kasimir. Udo Reichelt steht mit sieben Weltmeistertiteln persönlich auf dem vierten Platz in der Rangliste. Siebenmal war bereits das Fernsehen da, um über die beiden Männer zu berichten.
„Wir haben alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Aber es ist anstrengend, jedes Jahr seine Titel zu verteidigen und sich an der Spitze zu halten“, sagt Kasimir. Und er bekennt: Inzwischen sei er etwas ausgebrannt, nicht zuletzt auch wegen seines Alters. Und wegen der doch ganzjährig schönen, aber durchaus anstrengenden Arbeit. „Im Januar starten wir mit der Nachzucht für die Meisterschafts-Saison, die von Oktober bis Januar läuft. Im Sommer haben wir die Mauser – irgendwie ist immer etwas.“ Und Nachzucht muss sein – denn Vögel, die einmal einen Titel errungen haben, dürfen laut Kasimir nicht noch einmal an einer Meisterschaft teilnehmen.
Die Faszination für Kanarienvögel hat Wolfgang Kasimir und Udo Reichelt schon vor Jahrzehnten ergriffen. Reichelt beispielsweise hatte „irgendwie als Hobby immer schon Vögel.“ 2011 zog der Sülfelder dann nach Leiferde, traf dort einen alten Bekannten wieder – Kasimir. Beide hatten als Jugendliche Fußball gegeneinander gespielt - und sich dann für Jahrzehnte aus den Augen verloren. 2019 bildeten sie schließlich die Züchtergemeinschaft, vorher war Reichelt gemeinsam mit seiner Frau bei den Meisterschaften als Fan an Kasimirs Seite.
Auch Kasimir hatte bereits als Jugendlicher Kanarienvögel. Doch Fußball war ihm 45 Jahre lang wichtiger. 2005 hörte er dann damit auf, dem Leder hinterherzujagen. „Und ich brauchte ein neues Hobby“, sagt er. Da war doch was ... Mit seinen Kanarienvögeln fuhr Kasimir dann 2009 zur ersten Meisterschaft. „Die war in der Slowakei. Ich wurde gleich zweifacher Europameister. Da hatte ich Blut geleckt. Und ein Jahr später bei der Weltmeisterschaft in Portugal wurde ich zweifacher Vize-Weltmeister. Da hat das Schicksal seinen Lauf genommen.“ Das Ergebnis findet sich an den Wänden sowie in Schränken und Regalen in Form von Trophäen.
Dort sollen bald noch einige wenige Medaillen die Sammlung ergänzen. Die letzte Weltmeisterschaft, bei der Kasimir und Reichelt starten wollen, findet am 24. und 25. Januar in Santa Maria da Feira in Portugal statt. Dort treten sie mit ihren Pariser Trompetern an. Ziel: Titelverteidigung. Bei der WM in Neapel 2023 holte das Duo vier Titel, zwei Vize-Titel und einmal Bronze. Das eigentliche Ziel aber lautet: „Wir wollen als ungeschlagene Meister abtreten“, betont Kasimir.
Und dann? „Irgendetwas, was nicht so anstrengend ist. Vielleicht Schach? Eine Zucht aufzubauen und zu führen ist ja ähnlich, man muss Zug um Zug planen“, sagt Wolfgang Kasimir schmunzelnd. Udo Reichelt muss nicht lange überlegen. „Wahrscheinlich Feuerwehr.“ Das liegt nahe. Immerhin ist er seit 53 Jahren Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Sülfeld.