Engpässe bei Medikamenten
inzwischen chronisch
Probleme nicht nur für Diabetiker, Krebspatienten und Epileptiker:
Apotheker sehen noch keine Lösung

Da wäre Ihr Medikament gewesen: Apotheker Thorsten Stoye und seine Kollegen im Kreis Gifhorn haben damit zu kämpfen, Probleme durch Lieferengpässe zu lösen.Foto: Sebastian Preuß
Gifhorn. Das Gesundheitssystem im Dauerstress: Allein in der Stadt Gifhorn fehlen acht Hausärztinnen oder Hausärzte, immer wieder gibt es technische Probleme mit dem E-Rezept, und Lieferengpässe bei Medikamenten sind längst chronisch geworden. Apotheker Thorsten Stoye hat eine lange Liste an Präparaten, wo bei ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen Alarmstufe rot schrillt - zumal Bürokratie die Problemlösung nicht erleichtert.

Neulich hatte Stoye wieder so einen klassischen Fall. Bei einer Patientin mit einer Blasenerkrankung konnte er mit dem verschriebenen Medikament nicht dienen - es war nicht zu haben. „Wir haben dann recherchiert und der Praxis der Frau einen anderen Wirkstoff empfohlen, der das gleiche bewirken könnte.“ Die Praxis habe dem dann auch zugestimmt.

Ein typisches Beispiel für a) Lieferengpass und b) bürokratischen Aufwand. Stoye zufolge würde es in vielen Fällen schon helfen, wenn er und seine Branche solche alternativen Wirkstoffe herausgeben könnten, ohne mit den Ärzten Rücksprache halten zu müssen. In Hochphasen der Corona-Pandemie sei das schon möglich gewesen und habe sich bewährt. Dazu müsste die Bundesregierung den Apotheken die Handlungsspielräume wieder entsprechend erweitern. „Es würde uns und den Praxen Zeit sparen.“

Gelegenheit, Improvisiertalent unter Beweis zu stellen, hätten Stoye und seine Kollegen genug. Blutdrucksenker, die zeitweise nicht zu haben sind: „Die Liste wird leider länger.“ Dass es bei Antibiotika immer wieder zu Engpässen kommt, sei ein Dauerthema. Bei Insulin und auch Herz-Kreislauf-Mitteln gebe es ebenso Lieferschwierigkeiten.

Oder bei neurologischen Präparaten. Das sei oft besonders problematisch, sagt Stoye. Es seien mitunter Präparate dabei, die er nicht einfach so austauschen könne, weil die Wirkstoffe individuell auf den jeweiligen Patienten eingestellt seien.

Tricky wird es auch bei Inhalations-Medikamenten für Lungenerkrankte. Da müssen die Betroffen zuweilen nicht nur auf ein neues Mittel, sondern gleich noch auf ein neues Anwendungssystem umgestellt werden. „Das ist für Patienten sehr ärgerlich“, weiß Stoye. Etwa wenn ein Dosierspray-Patient nun ein Pulver bekommt.

Regelrecht gefährlich sei es aktuell bei onkologischen und neurologischen Präparaten, etwa für Epileptiker, bei denen es inzwischen langfristige Lieferengpässe gibt. „Ausgerechnet bei den Mitteln, bei denen man es nicht will“, seufzt Stoye.

Die Herstellung der zentralen Wirkstoffe erfolgt in wenigen Fabriken in Fernost, auf die die ganze Welt zugreift, und der demografische Wandel hin zu immer älteren Menschen verstärke den Bedarf: Die Ursachen sind Stoye zufolge altbekannt und dennoch nicht in absehbarer Zeit eingestellt. Fabrikbau in Europa? „Das lässt noch auf sich warten“, winkt der Apotheker aus Gifhorn ab. Er habe jedenfalls noch kein Datum gehört, ab wann wichtige Medikamente innerhalb der EU produziert werden könnten.

Bis dahin bleibt den Patientinnen und Patienten wohl kaum anderes übrig, als die Ratschläge der Fachleute zu beherzigen. Wichtigster Tipp: Rechtzeitig Rezepte einholen und einlösen, damit man einen Puffer habe. Auf den letzten Drücker sei zwar gewollt, damit Medikamente nicht gehamstert würden, aber könne beim Einzelnen eben zu Problemen führen.

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