Bücher, Menschen und Sensationen
im Boldecker Land
Christel Röpke tritt nach 46 Jahren als Leiterin der Samtgemeindebücherei in Weyhausen zurück

Buch und Mensch: Christel Röpke hat die Entwicklung des Büchereiwesens im Boldecker Land begleitet und entscheidend geprägt.Foto: Jörg Rohlfs
Weyhausen. „Ich wollte etwas schaffen für die Samtgemeinde, einen Treffpunkt für Kommunikation“, sagt Christel Röpke, die 1970 als junge Lehrerin nach Weyhausen an die damalige Grund- und Hauptschule kam, dort den Grundstein legte für das Büchereiwesen in der Kommune und eben dies 55 Jahre lang aktiv begleitete. Vor kurzem hat die 79-Jährige die Leitung der Samtgemeindebücherei abgegeben.

Sie ist in Braunschweig geboren und aufgewachsen. Ihre Verbindung zum Buch entstand früh: „Mein Vater war in Leseclubs. Im Haus waren immer viele Bücher. Und wir wohnten im östlichen Ringgebiet, da gab es eine öffentliche Bücherei, das war selten damals“, erinnert sich Röpke. Ebenso wie an die sonntäglichen Besuche im Symphoniekonzert mit dem Vater. Sie habe schon immer gelesen, fast alles - aber keine Krimis: „Das ist nicht so meins.“ Was das Schöne ist am Lesen? „Es regt die Fantasie an. Man kann mit dem Kopf wandern gehen.“

Mit Blick auf den Siegeszug der digitalen Medien meint die Frau, deren Großmutter in Braunschweig die „Frauenhilfe“ gründete, es sei „schlimm, dass alle rumdaddeln“. Für sie ist es wichtig, ein Buch in der Hand zu halten: „Das kann ich weglegen und wieder aufschlagen.“ In Braunschweig studierte sie Geschichte, Politik und Deutsch auf Lehramt. Fürs Referendariat im Rahmen der Ausbildung schickte man sie an die aus eine Klasse bestehende Grundschule im 200-Seelen-Ort Hanstedt II bei Uelzen. Weil sie die einzige Lehrkraft vor Ort war, blieb sie nicht lange.

In Weyhausen war sie nicht allein. Und es gab Bücher. Dass die in Schränke gestopft auf dem Schulflur standen, ging aber gar nicht. Christel Röpke sortierte und katalogisierte, um sie fortan an die Schüler auszuleihen. Um den wachsenden Lesehunger der Kinder stillen zu können, kümmerte sie sich auch um den Nachschub. Dabei half auch die Bücherei in der Kreisstadt Gifhorn. Mit Gründung der Samtgemeinde Boldecker Land 1972 wurde diese ihre Ansprechpartnerin.

Sechs Jahre später konnte die Bücherfreundin die erste Samtgemeindebücherei eröffnen, seinerzeit noch in einem Klassenraum der Grundschule. 1983 veranstaltete sie den ersten Bücherflohmarkt für Schulkinder, ein Dutzend weitere folgten bis 2016. Und um möglichst viele Kinder ans Lesen heranzuführen, initiierte Röpke 1998 mit ihrem seinerzeit fünfköpfigen Büchereiteam den ersten Vorlesewettbewerb für die Viertklässler der Grundschulen im Boldecker Land. Bis 2019 fand er in der Folge jährlich statt.

Denn auch das ist etwas, was sie gern tut: organisieren, zum Beispiel Veranstaltungen. „Deshalb und weil ich immer grüße - ich kann mir gut Gesichter merken - kennt mich auch jeder hier. Ich bin ein bunter Hund“, behauptet sie von sich selbst, und erinnert sich: „Zweimal im Jahr gab es Geld für Bücher.“ Dann fuhr sie zu Thalia nach Wolfsburg oder zur Buchhandlung Dänzer in Gifhorn und suchte neue Lektüre aus. „Der alte Herr Dänzer“ kam tags darauf nach Weyhausen, um den Einkauf abzuliefern: „Dann hat er immer noch einen Kaffee getrunken oder zwei und wir haben uns unterhalten.“ Denn es ist nicht nur das Buch oder dessen Plural, was Röpke mehr als ein halbes Jahrhundert tun ließ, was sie tat, sondern vor allem die Freude am persönlichen Kontakt mit Menschen.

Auch Kindergärten kamen, was Röpke freute. Die Anzahl der registrierten Nutzer war Ende der 1990-er-Jahre auf 2000 Kinder und Erwachsene angestiegen. Mit 6300 Bänden platzte die Bücherei aus allen Nähten. 1999 beschloss die Politik also den Bau einer Bücherei als Anbau ans Schulzentrum. Die wurde Ende August 2000 eröffnet. In der Folge gab es in der Samtgemeindebücherei auch Lesungen von Kinderbuch- und anderen Autoren und Autorinnen. „Es war immer spannend, mit ihnen zu reden”, erinnert sich Röpke an unterhaltsame Abende vor oder nach den Lesungen, die wie gewünscht Menschen zusammenbrachten.

Mit Rat und Tat und Wohlwollen für ihre umfängliche ehrenamtliche Tätigkeit stets verlässlich an ihrer Seite wusste sie Ehemann Hartmut: „Er hat mich immer ziehen lassen, wenn ein Event war.“ Neben seiner Arbeit als Rechtspfleger am Wolfsburger Amtsgericht sei es auch ihm ein Anliegen gewesen, einen „kulturellen Beitrag” für die Samtgemeinde zu leisten. Mehr als 20.000 Bücher hat er für die Bücherei foliert und in vor-digitalen Zeiten mit Buchkartentaschen und Fristzetteln versehen. „40 Jahre lang hat er alles mitgetragen.“ Anfang diesen Jahres nach schwerer Krankheit und „fast einem Jahr im Krankenhaus“ verließ Hartmut Röpke im 81. Lebensjahr im Beisein seiner Familie diese Welt.

Christel Röpke macht weiter. Auch in der Samtgemeindebücherei, nicht mehr in der ersten Reihe, dort steht jetzt die langjährige Mitstreiterin Marion Kagelmann, aber im Team. Und sie hofft, dass die Samtgemeinde endlich Abhilfe schafft bei den seit Jahren bis kniehoch feuchten Wänden „ihrer“ Bücherei.

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