Gifhorner kritisieren lange
Wartezeiten bei Fachärzten
Außerdem reiche die ambulante Pflege nicht aus – Umfassende Meinungen aus dem Gesundheitskompass

Zu wenig Fachärzte, zu wenig Hausarztpraxen, die noch Patienten aufnehmen: Die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Gifhorn schildern ihre Sorgen und Nöte in Sachen Gesundheit.Foto: Olaf Fuhrmann
Gifhorn. Der Gesundheitskompass: Mit dieser Umfrage gehen das Redaktionsnetzwerk Deutschland und die Aller-Zeitung den Bedürfnissen der Menschen in Sachen medizinischer Versorgung auf die Spur. Mehr als 25.000 Menschen haben sich bundesweit beteiligt. Aus dem Landkreis Gifhorn kamen auch viele individuelle Anmerkungen abseits der allgemeinen Fragestellungen.

Eine Person aus Gifhorn kritisierte das Pflegesystem: „Ambulant Pflegebedürftige werden stiefmütterlich behandelt. Hausarzt macht keine Hausbesuche, Fachärzte sind nicht oder nur unter gravierenden Schwierigkeiten erreichbar, angehörige Pflegepersonen werden vergessen, wenn die Kombi-Pflege das Pflegegeld aufbraucht, sie aber dennoch die Hauptarbeit machen und daher nicht arbeiten gehen können. Pflegeplatz im Heim ist nicht bezahlbar aus gesetzlicher Rente, Medikamente nicht lieferbar.“ Eine weitere Einwohnerin oder ein weiterer Einwohner der Kreisstadt merkte an: „Die Pflegesituation sollte unbedingt reformiert werden, auf allen Gebieten wie Arbeitszeiten, Personal, Anzahl der Pflegenden, die Kosten der zu Pflegenden usw.“

Eine weitere Person aus Gifhorn ging noch weiter und hinterfragte das gesamte System: „Dokumentationsaufwand und Aufwand für Betreuung stehen in keinem vernünftigen Verhältnis! Krankenkassen sollten die Interessen der Patienten vertreten, aber sie sind ein reines Finanzmanagement. Die vielen Krankenkassen sind überflüssig und kosten unnötig Geld! Mangel an Medikamenten wurde verursacht durch Geldgier und Missmanagement. Auch Apotheken sind meines Erachtens überflüssig, die Versorgung mit Medikamenten sollte beim Arzt erfolgen. Pflegekräfte sind unterbezahlt, Fachärzte sind überbezahlt. Jeder Patient sollte einen (zumutbaren) Eigenanteil an den Kosten tragen müssen.“

Eine Gifhornerin oder ein Gifhorner ärgerte sich über ungünstige Bedingungen für Praxen: „Egal, wohin man kommt, heißt es ‚zu wenig Personal‘. Oft gibt es nur schlechte Parkmöglichkeiten, zu weit weg für kranke Patienten. Ohne Hilfe ist es oft sehr schwierig für Ältere.“

Aus Adenbüttel kam der Wunsch nach weiteren Augenärzten, die Anfahrtswege seien weit und die Wartezeiten lang. Eine Person aus Bergfeld schloss sich der Kritik an, jedoch allgemeiner: „Es wäre schön, Termine beim Facharzt zeitnah zu bekommen. Es müsste bei Patienten mehr auf Vorsorge geachtet werden, etwa auf Übergewicht und Rauchen.“ Aus Gifhorn kam der Wunsch nach mehr Fachärzten: „Es fehlen mehr Fachärzte. Die vorhandenen werden von den ganzen älteren Menschen hier in der Stadt blockiert, man bekommt kaum Termine. Es ist hier in Gifhorn alles auf die ältere Generation ausgerichtet.“ Auch aus Meinersen kam eine entsprechende Anmerkung: „Facharzttermine zu bekommen ist nur mit langen Wartezeiten möglich, teilweise bis zu sechs Monate und länger.“ Eine Bürgerin oder ein Bürger aus Gifhorn schrieb: „Wirklich unfassbar lange Wartezeiten auf einen Facharzttermin. Lungenarzt 12 Monate, Kardiologie 7 Monate, Dermatologie 7 Monate.“ Ein Mensch aus Isenbüttel sah ebenfalls Bedarf an Fachärzten: „Zu lange Wartezeiten auf einen Termin, zu wenig Kinder- bzw. Jugendpsychologen, Psychotherapeuten, zu wenig Hausärzte.“

Aus Calberlah kam der Einwand, dass die Beschäftigten im Gesundheitssystem durch großen Druck und Stress überfordert seien. Zudem sei es im Fall einer Aufgabe einer Hausarztpraxis schwierig, einen neuen zu finden und oft mit langen Wartezeiten verbunden.

Mehrere Wahrenholzer bedauerten, keine Apotheke mehr im Ort zu haben. Eine Person aus Wesendorf kritisierte die Bürokratie: „Der übermäßige bürokratische Aufwand im Gesundheitswesen belastet Ärzte und Ärztinnen und mindert die Effizienz der Versorgung.“

Zwei Gifhorner zeigten sich nicht mit der Privatisierung von Krankenhäusern einverstanden: „Aus meiner Sicht war es ein großer Fehler, dass die seinerzeit kommunalen Krankenhäuser aus der Verantwortung genommen und an gewinn- und börsennotierte Unternehmen verscherbelt wurden. Gesundheitsversorgung ist staatliche Aufgabe und sollte nicht von Kapitalgesellschaften gemanagt werden“, kritisierte die erste Person. Die zweite schlug in eine ähnliche Kerbe: „Daseinsvorsorge gehört wieder ausschließlich in öffentliche Hände und darf keinesfalls gewinnorientiert durch private Unternehmen ausgeführt werden. Das ist genau das Grundübel unserer gestiegenen Kosten im Gesundheitswesen. Aktionäre verdienen unter Gewinnanteilen an der Krankheit von Patienten. Letztere müssen dafür dann auch noch höhere Krankenkassenbeiträge zahlen. Das System ist ungerecht und muss zwingend geändert werden. Das Patientenwohl und die Gesundheit aller muss im Vordergrund stehen und wieder bezahlbar sein.“ Auch aus Hankensbüttel kamen ähnliche Töne: „Private Altenheime und Krankenhäuser achten stets auf Rendite. Niemals auf Menschen, Angestellte und deren Gesundheit.“

Eine Person aus Meinersen wünschte sich die Gleichbehandlung gesetzlich und privat Versicherter: „Beamte sollten in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert werden, damit bei der Terminvergabe alle gleich behandelt werden.“

Eine Wasbüttelerin wünschte sich bessere ÖPNV-Anbindungen: „Ich muss nämlich immer das Auto nehmen.“ Das sieht eine Person aus Meinersen genauso: „Ein guter ÖPNV wäre gut, um Termine bei der Ärztin auch ohne Auto wahrnehmen zu können. Aber das kann man im Landkreis Gifhorn absolut vergessen.“ Eine Person aus Gifhorn schilderte ebenfalls lange Wege: „Zu meinem Hausarzt fahre ich nach Groß Schwülper, zu meinem Zahnarzt und zum Gynäkologen nach Isenbüttel. MRT etc. werden großteils in Braunschweig durchgeführt. Psychologische Betreuung fand in Meine statt. Ich selber wohne in Gifhorn Stadt.“

Eine Person aus Gifhorn pochte auf einer besseren Kommuni­kation: „Die Kommunikation zwischen Praxen, Zentren und Krankenhaus muss unbedingt verbessert werden! Ich musste die Ergebnisse von einer Praxis zur anderen bringen.“ Auch aus ­Osloß   kam ein entsprechender Wunsch: „Einführung eines ­günstigen oder kostenlosen Krankentaxis für Transporte zu den Arztpraxen oder ins Krankenhaus für notwendige Versorgung/ ­Behandlung bei chronischer ­Erkrankung oder im akuten Krankheitsfall.“ 

Aus Meinersen wurde der Wunsch nach alternativen Behandlungsmethoden laut: „Die Mediziner handeln zu pharmalastig und haben wenig Kenntnisse bezüglich der ganzheitlichen Medizin. Das würde auch Kosten ersparen.“

Eine Person aus Obernholz kritisierte das Pflegesystem: „Gewisse Leistungen sollte es nur für Einzahler geben. Krankenkassen zusammenschließen, Kosten senken. Wer ein Leben lang malocht hat, muss kostenfrei gepflegt werden können im Alter.“

Eine Rühenerin sorgte sich um die Aufnahme in eine Praxis: „Gleichwertige Subvention von Arztpraxen (Bestand und Neu). Pflicht zur Aufnahme von Patienten, welche wohnhaft in Praxisnähe sind.“ Dieses Problem sah auch ein Mensch aus Gifhorn: „Hausarzt wechseln nicht möglich! Nicht privat versichert, also lange Wartezeiten und damit verbundenen schlechte Versorgung!“

Auch aus Wagenhoff wurde eine entsprechende Sorge laut: „Hausärzte sind rar und ich fahre 16 Kilometer, ohne eine Versorgung im Notfall zu haben. Für Hausbesuche zu weit entfernt und die näher gelegenen Praxen nehmen oftmals keine neuen Patienten auf. Ganz besonders schlimm finde ich, dass kinderlose ältere Menschen sehr alleine gelassen werden.“ Eine Person aus Weyhausen schrieb: „Ich habe eine tolle Hausärztin, leider hört sie demnächst auf und ich weiß jetzt schon nicht, wo ich eine neue Praxis finde, die mich aufnimmt.“

Eine Entlastungsmöglichkeit sah eine Person aus Gifhorn: „Hausarztpraxen könnten durch Verzicht auf die Pflicht zur Vorlage einer Krankschreibung ab dem 1. Tag entlastet werden. Dass bei Kindkrank-Tagen ab dem 1. Tag ein Attest benötigt wird, ist absurd.“

Ein Mensch aus der Kreisstadt wollte den Fokus auf den arbeitenden Bevölkerungsteil legen: „Ich bin der Meinung, dass zu wenig Menschen in das Sozialsystem einzahlen und zu viele davon profitieren müssen. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Die Menschen, die in Lohn und Brot stehen, müssen immer mehr und immer länger arbeiten, obwohl sie dieses teilweise gar nicht mehr können. Darauf wird keine Rücksicht genommen.“

Eine Person aus Ehra-Lessien wünschte sich mehr Unterstützung bei Transporten: „Ich finde es nicht gut, dass man die Fahrt, wenn man aus medizinischen Gründen nicht selber fahren darf, selber zahlen und organisieren muss (Augenarzt oder Darmspiegelung mit Narkose).“

Lob und Kritik für die Gifhorner Helios-Klinik hatte eine Person aus der Kreisstadt: „Krankenhaus Gifhorn: Überlange Wartezeit bei Einweisung ins Krankenhaus (in der Notaufnahme). Pflegekräfte haben keine Zeit für Information usw. Ärztliche Versorgung recht gut.“

Eine Person aus dem Landkreis Gifhorn zog einen internationalen Vergleich: „Mit der Erfahrung von 7 Jahren China bin ich enttäuscht vom deutschen Gesundheitssystem allgemein. Einen Hausarzt zu finden, ist sehr schwierig; der jetzige Arzt ist sehr belehrend und frei von Empathie. Verordnet Vorsorgeuntersuchungen gefühlt nach businesscase ohne nennenswerte Erläuterungen. Telefonische Erreichbarkeit nahezu nicht gegeben. Differenzen zwischen einer Facharztpraxis und der genannten Hausarztpraxis werden auf dem Rücken der Patienten ausgetragen. Extrem lange Wartezeiten, keine Nutzung von Buchungsportalen runden das Bild ab.“

Eine Bürgerin oder ein Bürger aus dem Landkreis Gifhorn gab an, enorme Angst davor zu haben, krank zu werden: „Ich habe Angst vor dem Krankenhaus.“

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