Die Zugbegleiterin wird stutzig, als sie ihren Scanner das Display des Smartphones erfassen lässt. Dieses D-Ticket ist nicht online, sondern abfotografiert. Sie bittet den jungen Mann um seinen Ausweis. Er hat angeblich nur eine Bankkarte dabei. Ohne Lichtbild, und in seinem Fall mit einem anderen Namen als auf dem vermeintlichen D-Ticket. Der junge Mann fährt wohl noch gut damit, dass er lediglich beim nächsten Halt aussteigen muss. Er hätte auch ein Fall für die Bundespolizei werden können. Laut Zugpersonal eine typische Masche, und neben einem Ausweis werde auch gern der eigene Name „vergessen“. Das Zugpersonal in der Region bekommt kaum noch ein Papierticket zu sehen. Über die drei in der Region verfügbaren Apps hat der Verkehrsverbund Region Braunschweig (VRB) laut Sprecherin Gisela Noske inzwischen rund 33.000 Deutschland-Tickets verkauft. Laut Branchenverband beziehen allerdings 30 bis 40 Prozent der Ticketinhaber ihre Abos über weitere Kanäle. Die Eisenbahnunternehmen, die die Strecken in der Region Gifhorn, Peine und Wolfsburg betreiben, sprechen davon, dass jeder zweite Passagier inzwischen ein D-Ticket habe.
Mit der Beliebtheit des D-Tickets sei auch die Mogel-Quote deutlich nach oben gegangen, berichtet ein Zugbegleiter. Das bestätigt auch Enno- und Erixx-Sprecherin Saskia Lackner. „Das kommt immer wieder vor, häuft sich und ist sehr mühselig.“ Häufig versuchten die Schwarzfahrer, D-Tickets anderer Leute als eigene auszugeben – sowohl mit weitergereichten Karten, als auch mit Screenshots. Diese Fotodateien sind laut Noske häufig manipuliert. „Allerdings fliegen solche Fälschungen schnell auf, da die Handytickets über mehrere Sicherheitsmerkmale verfügen und digital ausgelesen werden.“
Die Bundespolizei kann auf Nachfrage „keine validen“ Aussagen zu dem Phänomen machen, da nicht alle Fälle bei ihr zur Anzeige kommen. „Sofern die Bundespolizei von oben genannten Sachverhalten Kenntnis erlangt und sich hierbei im Einzelfall ein Straftatverdacht ergibt, treffen die Beamtinnen und Beamten alle erforderlichen Maßnahmen und leiten ein Ermittlungsverfahren ein“, so Sprecher Ronny Bergmann vom Bundespolizeipräsidium Potsdam.
Screenshot gilt nicht – auch nicht für ehrliche D-Ticket-Abonnenten, die sich solche Aufnahmen als Reserve vorhalten. Zum Beispiel, wenn Zug und Bus kein W-Lan haben und das Handy im Funkloch ist. Auch wenn das Highspeed-Volumen gerade aufgebraucht ist, machen Nutzer schon einmal die Erfahrung, dass die VRB-App über mobile Daten nicht mehr online geht. „Nach den Tarifbestimmungen des VRB ist ein Screenshot kein gültiges Ticket, da nicht ersichtlich ist, ob es sich um ein reales oder ein gefälschtes Ticket handelt“, begründet Noske. „Eine Ticketprüfung auf Echtheit funktioniert nur in der Online-Version.“
„Sollte einmal aufgrund einer schlechten Verbindung das Onlineticket nicht angezeigt werden, können sich unsere Kunden im Nachgang für das kontrollierende Verkehrsunternehmen bestätigen lassen, dass sie über ein gültiges Ticket verfügen“, rät Noske. Zunächst werde ein Beförderungsentgelt (EBE) in Höhe von 60 Euro fällig, wenn kein gültiges D-Ticket – sei es als Karte oder auf dem Smartphone – vorgezeigt werden kann, erläutert Westfalenbahn-Sprecherin Xenia Depner die Vorgehensweise. „Das Original kann anschließend, beispielsweise im Westfalenbahn Kunden Center, innerhalb von 14 Tagen nachgezeigt werden. Die Nachreich-Frist steht auf dem Beleg, den Fahrgäste bei einer Ticketkontrolle erhalten.“
Wenngleich es zuweilen bei der Internet-Verbindung haken mag, so haben wenigstens die Züge von Enno, Abellio und Westfalenbahn kostenloses W-Lan, sodass in den meisten Fällen die Chance besteht, sicher das Online-D-Ticket vorweisen zu können. Im Erixx dagegen ist die D-Ticket-Kundschaft wie bei vielen Bussen auf die mobilen Daten angewiesen – und immer wieder aufgeschmissen. Das soll sich aber demnächst ändern. Laut Lackner werden die Züge des Erixx Niedersachsen ab Mitte oder Ende März ebenfalls W-Lan haben.