Thomas Müller kam aus der Nordstadt geradelt, ein Helm auf dem Kopf. „Die Strecke über die Allerbrücke nutze ich etwa sechs Mal in der Woche. Und vor Kurzem hielt mich ein Mann an und sagte mir, dass ich absteigen müsse. Zuerst konnte ich es gar nicht glauben“, erzählte der Wolfsburger.
Auf beiden Seiten der Brücke, jeweils rechts und links, stehen die Schilder. Die Fahrräder müssen geschoben werden. Die Brücke über die Aller wurde der Stadt Wolfsburg zufolge 2022 instandgesetzt und es wurde ein neuer Belag aufgetragen. „Diese Arbeiten umfassten auch die Instandsetzung des Geländers. Da das Geländer nicht die für Radwege auf Brücken vorgeschriebene Höhe von 1,30 Metern besitzt, ist die Brücke entsprechend beschildert. Mit der Beschilderung ist die Brücke als Gehweg ausgewiesen. Ein neues Geländer hätte einen Eingriff in die Statik der Brücke bedeutet und war aufgrund der Gesamtkosten nicht darstellbar“, teilte ein Sprecher mit.
Müller hat sich informiert: „Die Geländer sollten eine Höhe von 1,20 bis 1,30 Metern haben. Allerdings haben die anderen Brücken in Wolfsburg, über die Fahrradfahrer noch fahren dürfen, auch ein Geländer, das 1,20 Meter hoch ist – oder soll ich lieber sagen, niedrig ist“, so der Zweiradfahrer. Ein bisschen Sarkasmus schwingt mit. Müller hat das Geländer gemessen.
Fünf Fahrradfahrer fuhren über die Brücke. Eine Frau hielt an und fragte, warum, Thomas Müller mit dem Zollstock fotografiert wurde. Müller erklärte den Sachverhalt. Die Dame, die ihren Namen nicht nennen wollte, antwortete: „Dass wir absteigen müssen, wusste ich bisher nicht. Und ich verstehe es auch nicht.“
Müller kann es auch nicht nachvollziehen: „Warum müssen wir hier absteigen und bei der Brücke, die zum AOK-Stadion führt, nicht. Gab es schwere Unfälle? Ist jemand in die Aller gefahren?“ Er fragt sich ebenfalls, wie es mit kleinen Kindern auf dem Laufrad funktionieren soll und ob ein Lastenfahrrad, das mit Kindern rund 80 Kilogramm wiegt, geschoben werden soll. Für den Familienvater sei es eine „Farce“ und er möchte Antworten von der Stadtverwaltung. „Anstatt einfach Schilder aufzustellen, sollte sich die Stadt in anderen Orten informieren, wie gute Konzepte für Radfahrer umgesetzt werden. Ansonsten bekommt man die Menschen niemals aus den Autos“, so Müller.
Viele Fahrradfahrer fahren täglich über die Allerbrücke. Thomas Müller wartet daher auf die erste Kontrolle. „Das Fahren mit dem Fahrrad auf einem Gehweg kann ein Bußgeld zwischen 55 und 100 Euro bedeuten“, sagt der Sprecher der Stadt Wolfsburg.
Thomas Müller vermutet, dass es der Stadt jetzt erst aufgefallen ist, dass die Geländer der Brücken für Radfahrer zu niedrig sind. „Die Brücken werden bestimmt nach und nach kontrolliert. Ich bin gespannt, wie lange ich noch über die anderen Brücken in Wolfsburg fahren darf“, so Müller. Er fährt jetzt nicht nur mit dem Fahrrad, um Besorgungen zu machen, sondern auch um die anderen Brückengeländer zu messen. „Wenn ich mich auf den Sattel schwinge, habe ich immer einen Zollstock dabei.“