Fällt der Blick vom Marktplatz Westhagen auf die westliche Fassade des BFZ, dann muss sich das Auge erst an die neuen bunten Flächen gewöhnen. Geometrische Figuren mischen sich mit wolkenartigen Gebilden und formen sich zu einer künstlerischen Einheit. Der Künstler Sebastian Roese (44) schüttelt eine seiner Spraydosen und bringt ein wenig hellgrüne Farbe auf. „Das macht Spaß, an der frischen Luft zu arbeiten“, sagt er lächelnd, während er vor dem mehrere Quadratmeter messenden Kunstwerk steht.
Die Motive für die beiden Werke entwickelte der Künstler in Workshops zusammen mit Schülern der Oberstufe und des Albert-Schweitzer-Gymnasiums. Roese schätzte, nachdem er bereits seit drei Tagen an dem Kunstwerk gearbeitet hat, dass er insgesamt noch vier bis fünf Tage benötigen und am jetzigen Wochenende fertig sein wird. Zwei wesentliche Details fehlten zu Wochenbeginn noch: Der Schriftzug auf der linken Seite auf dem „Stadtteilbibliothek“ zu lesen sein wird und auf der rechten Seite „Stadtteilsprechstelle“. Die beiden Schriftzüge werden einmal die ausgedienten Schilder ersetzen, die vorher an den Wänden hingen.„Das ist eigentlich kein Graffiti mehr, sondern abstrakte Kunst“, sagt Roese mit Blick auf seine Werke am BFZ. Allerdings mische sich in die geometrischen Figuren auch Realismus: Das werde an den wolkenartigen Figuren auf blauem Himmel deutlich. „Diese Sequenzen sind am aufwendigsten umzusetzen“, erzählt der 44-Jährige. Seine Auftragstellung lautete, den Lebensraum und das Ambiente am Westhagener Marktplatz aufwerten. „Es sollte harmonisch mit dem Gebäude sein und einen Bezug zu der Umgebung herstellen“, erläutert Roese. Daher zeigen die künstlerischen Arbeiten auch eine Silhouette, die als Skyline der Gebäude am Marktplatz gedeutet werden kann.
Auch das Thema Freiheit griffen der Künstler und die Schüler auf. Sie wird durch die Figuren symbolisiert, die wie Vögel und Drachen anmuten. „Mit den Jugendlichen habe ich auch viel über die Farbkonzepte gesprochen. Da gab es verschiedene Ansätze“, sagt Roese. Die Workshops seien seit Ende 2023 gelaufen. „Da wurde intensiv über vieles nachgedacht. Die Themen Natur, Vielfalt, Geometrie und Zukunft wurden von den Schülern eingebracht.“
Über seine Technik verriet der 44-Jährige, dass er sich grundsätzlich von oben nach unten durch ein Kunstwerk arbeite. Bei der Farbgebung, wie zum Beispiel beim Himmel, werde von dunkel zu hell gearbeitet. Die Schwierigkeit bestehe darin, „homogene“ Flächen zu erzeugen – dafür dürfe die Farbe nicht verlaufen, und das sei mit einer Sprühdose nicht ganz so einfach umzusetzen. Vor allem bei Verläufen zahle sich die jahrelange Erfahrung aus.
Der Wolfsburger Künstler ist in der Stadt kein Unbekannter. Der 44-Jährige hatte bereits im Auftrag der Stadt Wolfsburg die Fassade am „Das West“ im Stadtteil Mitte-West und die Wände der Leonardo-da-Vinci-Schule verschönert. Auch beim Projekt „Kips“, Kunst in der Porschestraße, hat der Wolfsburger mitgewirkt. Im zarten Alter von zwölf Jahren nahm Roese zum ersten Mal eine Farbdose in die Hand und ist seitdem in der Graffiti-Szene unterwegs. Seit seinem 20. Lebensjahr fertigt er Auftragsarbeiten an: Sowohl für Firmen und Privatleute, als auch für das Rathaus. Zudem ist Roese Mitglied im Wolfsburger Kunstverein „CreArte“ und sowohl auf Instagram als auch mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten.