Sie denke dabei vor allen an Menschen im Rollstuhl, aber auch an Mütter mit Kinderwagen oder ältere Menschen mit Rollatoren, die Bücher für ihre Enkelkinder ausleihen möchten. Aus Sicht des Kollegiums fehle eine Rampe, ein Treppenlift oder ein Aufzug, um das Problem zu lösen. Doch dies ist nicht der einzige Kritikpunkt der Lehrerschaft. „Auch die höherstehenden Bücher sind nicht für jeden erreichbar“, ergänzt Gatzke.
„Wir stehen allen Menschen offen“, heißt es auf der Webseite der Stadtbibliothek. Dem kann das Kollegium der Friedrich-von-Schiller-Schule jedoch nicht zustimmen. „Wir finden, dass die Stadtbücherei unter den aktuellen Umständen nur den Menschen offen steht, die in der Lage sind, Treppenstufen zu überwinden“, so die Förderschullehrerin.
Dabei besuche jede der acht Klassen der Primarstufe einmal im Jahr das Bilderbuchkino in der Wolfsburger Stadtbibliothek. Anschließend hätten die Kinder die Möglichkeit, sich Bücher auszuleihen. „Für meine Klasse ist das nicht so dramatisch, weil alle Treppenstufen gehen können“, sagt Marei Gatzke.
Doch für mindestens drei Klassen, in denen sich Kinder mit Rollstühlen befänden, müsse dieser Ausflug gänzlich ausfallen. Schließlich wiege ein elektrischer Rollstuhl mehrere hundert Kilo und könne daher nicht so ohne Weiteres getragen werden.
Gatzke vermutet, dass sogar noch mehr Schülerinnen und Schüler betroffen sein könnten, die aufgrund von Bewegungseinschränkungen oder einer Kleinwüchsigkeit, keine Treppen steigen können. Das sorgt für Unmut an der Friedrich-von-Schiller-Schule. „Der Zugang zu literarischer Bildung fällt dadurch für einzelne Personen komplett weg“, sagt sie, „Wo es keine Barrierefreiheit gibt, fehlt auch die Inklusion.“
Bücher, die sich in den Regalen der Bibliothek nur auf halber Höhe befinden sowie eine inklusionsfreundliche Alternative zu den Treppen blieben für die Förderschullehrerin aktuell nichts weiter als ein Traum. „Mich ärgert das wirklich. Kinder mit Beeinträchtigungen müssen ohnehin schon auf so viele Erlebnisse verzichten“, sagt Gatzke wütend, „Jetzt wird ihnen auch noch die Möglichkeit genommen, eine Bücherei zu besuchen.“
Die Stadtverwaltung reagiert mit Verständnis auf die Beschwerde. „Die Kritik ist berechtigt, aber auch der bisherige Standort der Kinderbibliothek war nicht vollständig barrierefrei“, gibt Pressesprecherin Christiane Groth zu bedenken.
Im Alvar-Aalto-Kulturhaus sei es wesentlich, Lösungen im Einklang zwischen Denkmalschutz und funktionalen Anforderungen zu finden. „Wir gehen hier schrittweise vor, ohne das Ziel der Barrierefreiheit aus den Augen zu verlieren“, erklärt sie. Speziell für Klassen mit mobilitätseingeschränkten Kindern biete die Stadtbibliothek gerne Angebote in anderen Räumlichkeiten an, die auch atmosphärisch hergerichtet würden.
„Den grundsätzlichen Wunsch nach einem Aufzug teilt auch die Stadtverwaltung“, verrät Groth. Um die Bücher nur auf halber Höhe auszustellen, reiche der Platz jedoch aktuell nicht aus. Doch die Pressesprecherin unterstreicht die Hilfsbereitschaft der Mitarbeitenden vor Ort.