Prinzipiell versuche die Stadt Wolfsburg zwar, durch präventive Maßnahmen Schulverweigerungen zu bekämpfen. Dennoch lasse sich der Trend zunehmender Bußgeldverfahren durch unentschuldigtes Fehlen in der Schule nicht leugnen, so die Stadt auf Anfrage. „Die Zahl der Meldungen und Bußgelder ist in den vergangenen beiden Jahren gestiegen“, erklärt der Sprecher der Stadt Wolfsburg, Florian Reupke. Zum Vergleich: Seien es 2022 noch 119 Bußgeldverfahren gewesen, stiegen sie im vergangenen Jahr bereits auf 246 an.
Für den Umgang der Schulen mit Schülern, die dem Unterricht fernbleiben, gibt die Stadt Wolfsburg klare Richtlinien vor. Nach dem ersten unentschuldigten Fehltag würden die Erziehungsberechtigten informiert. Ein Gespräch soll über mögliche Ursachen des Verhaltens aufklären. Würde sich nichts ändern, bekämen die Eltern einen Brief mit Hinweis auf die Schulpflicht und mögliche Konsequenzen bei einer Verletzung. Bei langanhaltender Schulverweigerung erhielte der Schulträger eine Meldung, der diese an die Bußgeldstelle weitergebe, um ein entsprechendes Verfahren einzuleiten. Parallel dazu nehme das Jugendamt Kontakt mit der betroffenen Familie auf.
Auch am Wolfsburger Albert-Schweitzer-Gymnasium bleiben Schüler dem Unterricht fern. Oft aber auch nur stundenweise. Schulleiter Thomas Lohmann betont, dass es meist darum ginge, dass unliebsame Fächer gemieden würden. Die Gründe: Emotionale Barrieren, wie beispielsweise Angststörungen oder der hohe Leistungsdruck der Eltern, seien mitunter der Grund für die Abwesenheit der Kinder und Jugendlichen. Das digitale Klassenbuch soll helfen. Denn es gewähre nicht nur Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern, sondern auch Eltern einen Einblick in die Fehlzeiten ihrer Kinder. „Es ist wichtig, das Schulschwänzen zu erkennen und entsprechend zu handeln“, unterstreicht Lohmann.
Zur Unterstützung der Betroffenen gebe es auch ein spezielles Programm, das sogenannte „Schulische Eingliederungs-Management“. „Mithilfe einer langwierigen Betreuung wollen wir die Barrieren und Ängste von Betroffenen abbauen“, erklärt Lohmann. Stufenweise sollen die Schülerinnen und Schüler wieder am Unterricht teilnehmen. Zunächst zwei Stunden am Tag. Mit der Zeit würden diese jedoch kontinuierlich gesteigert. Dabei kenne der Schulleiter die besonderen Herausforderungen, mit denen Betroffene zu kämpfen hätten. „Es ist in der Regel schwierig, Anschluss an den Unterrichtsstoff zu finden und zu sehen, dass die Mitschüler fachlich schon wesentlich weiter sind“, sagt er.
Auch an der Hoffmann-von-Fallersleben-Realschule zeigt sich eine eindeutige Tendenz: „Wir merken ganz klar, dass mehr Kinder und Jugendliche unentschuldigt in der Schule fehlen“, betont Schulleiterin Almut Henkel. Der typische Schulschwänzer mache sich zwar morgens auf den Weg zur Schule, jedoch ohne dort tatsächlich anzukommen. Laut der Schulleiterin sei das Gemeinschaftsgefühl durch die Corona-Zeit verloren gegangen. Es gebe viele Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer, die sich nur noch in der virtuellen Welt mit Gleichgesinnten treffen würden.
Henkel sieht die Zunahme von Schulabsentismus in der psychischen Belastung von Kindern und Jugendlichen begründet. Aber auch Streitigkeiten mit Klassenkameraden oder Lehrkräften könnten eine Barriere darstellen. Viele der Schülerinnen und Schüler würden sich vor scheinbar unlösbare Aufgaben gestellt sehen. Um Betroffenen zu helfen, brauche es ein multiprofessionelles Team aus Eltern, Lehrkräften und Schulpsychologen. „Mir ist es wichtig, dass die Jugendlichen die Schule als eine Art Zuhause ansehen“, unterstreicht Henkel.
Im Klassenrat und den Verfügungsstunden würden die Lehrkräfte die Probleme der Schülerinnen und Schüler aufarbeiten und gemeinsam nach geeigneten Lösungen suchen. Zudem sollen besondere Aktivitäten, wie Projektwochen, Tagesausflüge oder gemeinsame Frühstücke, das Klassenklima untereinander stärken.
Doch das Schulschwänzen bringe schwerwiegende Konsequenzen mit sich. Jeder versäumte Tag ohne Entschuldigung bedeute im Mündlichen die Note sechs. Das gelte auch für Klassenarbeiten - vor allem aber sei der verpasste Unterrichtsstoff nicht zu unterschätzen. Dadurch steige der Druck des Einzelnen. „Es ist wichtig, diese Spirale zu durchbrechen und den individuellen Hebel bei Betroffenen zu finden“, sagt Almut Henkel.