Vertreter der Landesforsten, des Kampfmittelbeseitigungsdienstes und des Staatlichen Baumanagements Braunschweig, das mit den Arbeiten beauftragt worden war, hatten zum Ortstermin geladen. Die Gräser wiegen sich auf der „Neuen Wiese“ im Beinroder Holz, die Blätter der Bäume rascheln im Wind. Am Waldesrand zwitschern die Vögel. Nichts deutet darauf hin, dass hier viele Granaten, Infanteriegeschosse, Reste von Reizstoffen und andere Munitionsteile jahrzehntelang im Boden lagerten.
Auf einer Fläche von 18,3 Hektar, das entspricht rund 26 Fußballfeldern, wurden unter aufwändigen Sicherheitsauflagen, die Einsatzkräfte trugen spezielle Anzüge und zum Teil Atemschutz, insgesamt 368.152 Kampfmittel gefunden und geräumt, das entspricht einem Gewicht von 40 Tonnen.
„Die Aktion ist gut und ohne Zwischenfälle verlaufen“, berichtete Claudia Kunrad vom Kampfmittelbeseitigungsdienst Niedersachsen. Sie hatte den zweijährigen Einsatz in dem Waldstück zwischen Lehre und der A39 geleitet. Die Experten waren insgesamt 95 Wochen auf der „Neuen Wiese“ beschäftigt, bis sie alles eingesammelt hatten.
Hier ein paar Zahlen: 69.700 Kampfmittel, davon 67.700 Zünder, wurden gefunden und eingesammelt. Munition für schweres MG im Kaliber 13-15 mm, wurden ebenfalls auf dem Waldstück sichergestellt. 21 Zentimeter lange Sprenggranaten, 430 Splitterbomben, 530 zwei Zentimeter große Granaten und 178 Granaten (7,5 Zentimeter) waren auch darunter.
Auch die Alliierten Streitkräfte hatten ihre Spuren hinterlassen: 124 Spreng-Nebelgranaten in der Größe von fünf Zentimetern konnten sichergestellt werden. Insgesamt konnten in den zwei Jahren 40,4 Tonnen Kampfmittel, dazu zählen auch Fragmente, eingesammelt werden, davon machte Infanteriemunition einen Anteil von 5,1 Tonnen aus.
Ebenfalls heikel war die Bergung von tausenden Tonkruken. In diesen Gefäßen hatten sich sogenannte „Übungsluftkampfstoffe“, heute bekannt als Reizstoffe – eine Art Tränengas – befunden. Die Experten vom Kampfmittelbeseitigungsdienst mussten für deren Beseitigung Atemschutz tragen.
Außerdem wurden 27 Fässer mit 810 Litern Inhalt vom Gelände abtransportiert. Alle gefundenen Kampfmittel wurden anschließend bei der GEKA, der Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten, in Munster entsorgt.
Darüber freute sich der „Hausherr“ des Waldes bei Lehre, Andreas Baderschneider, Leiter des Forstamtes Wolfenbüttel. „Wir sind sehr froh, dass die Räumung abgeschlossen wurde, denn es ist kein angenehmes Gefühl auf alten Munitionsresten zu sitzen.“ Da alles ohne Probleme lief, sei die Erleichterung groß.
Die Vorbereitungen dafür starteten vor acht Jahren. Michael Lücke von den Landesforsten Niederachsen erläuterte die Vorbereitungen. Die „Neue Wiese“ ist ein Schutzgebiet. „Es war eine komplexe Angelegenheit, das Projekt naturschutzrechtlich abzuarbeiten“, blickte Lücke zurück. Ein Gutachten des niedersächsischen Landesamtes für Wasserbau und Küstenschutz sei nötig gewesen, um überhaupt anfangen zu können.
Kammmolche mussten am Einwandern mittels Zäunen gehinderten werden, Kartierungen für Vogelarten wie den Neuntöter waren ebenso nötig wie für den Specht und die Nachtigall. Im Jahr 2017 wurde eine erste Konzeption erstellt. Martin Kötter, vom Ingenieurbüro IFAH aus Garbsen, war mit den Planungen für die Räumung beauftragt worden.
In dem Bereich des Waldstückes bei Lehre gab über zwei Dutzend Trichter, in denen sich verschiedene Munition befand. Sicherheit habe daher eine große Rolle gespielt. Besonders als es um die Beseitigung der Reizstoffe ging. „Das fand vorwiegend in den Wintermonaten statt, weil es bei niedrigerem Temperaturen weniger flüchtig ist“, erläuterte Kötter.
Die Räumungsmaßnahme wurde in drei Abschnitte geteilt. „Wir haben im Jahr 2020 in dem Bereich angefangen, der uns unkritisch schien“, so Kötter. 73 Kampfmittel wurden in sechs Wochen gefunden sowie 4,4 Tonnen Fragmente und Teile.
Im zweiten Abschnitt hatte das Team dann richtig zu tun: 61.422 Kampfmittel wurden geborgen. „Viele Zünder waren dabei, die in Handarbeit aus dem Boden gepult werden mussten“, so Kötter. Insgesamt räumten die Arbeiter 16,5 Tonnen in 19 Wochen ab. Granaten von bis zu einem Meter Länge und über 100 Kilo Gewicht mussten abtransportiert werden. „Einige Funde mussten gesprengt werden, weil sie nicht transportfähig waren“, berichtete Sprengmeister Robin Oelke vom Kampfmittelräumdienst.
Im dritten Abschnitt schließlich kamen die schon erwähnten Tonkruken, gefüllt mit Reizstoff, zu Tage. 2.450 Stück an der Zahl, darüber hinaus 27 Fässer gefüllt mit Bruchstücken und Erdreich. Den gesamten Fund in Lehre ordnete Martin Kötter als „nicht intensiv“ ein, „da gibt es in Niedersachsen ganz andere Funde.“ Dennoch kostete die Räumung insgesamt 3 Millionen Euro.