Die 26-jährige Angeklagte hatte bereits neben ihrer Pflichtverteidigerin Platz genommen, als kurze Zeit später der 24-jährige Angeklagte in Handschellen, begleitet von zwei Justizbeamten, in den Saal gebracht wurde. Der junge Mann verbüßt eine Strafe in einer Jugendvollzugsanstalt.
Doch der Reihe nach: Im Juli 2023 hatte die heute 26-Jährige zusammen mit ihrem Verlobten versucht, den Betreiber einer Spielhalle in der Wolfsburger Stadtmitte zu erpressen. Das Paar forderte 15.000 Euro von dem Spielhallenchef, für den sie einst gearbeitet hatten. Bei dem Versuch der Erpressung blieb es. Zu einer Geldzahlung kam es nicht.
Laut Anklageschrift des Staatsanwalts bekam der Spielhallenbetreiber von der Angeklagten im Juli 2023 eine Nachricht auf das Smartphone. Er wurde per Whatsapp aufgefordert, monatlich 15.000 Euro zu zahlen, sonst werde einer seiner Läden „gef.ckt“. Außerdem schrieb sie: „Deine Geschäfte habe ich im Auge, Wolfsburg ist klein.“
Einen Tag später tauchte die junge Frau bei ihrem Opfer persönlich in Spielhalle auf und überreichte dem dortigen Betreiber ihr Mobiltelefon. Am anderen Ende war der 24-jährige Angeklagte, der zu dem Zeitpunkt eine Strafe in der JVA Hameln verbüßte. In dem Telefonat drohte der Angeklagte damit, dass der Spielhallenchef in einen Kofferraum gepackt werden und seine Kinder mitgenommen würden, wenn er nicht das geforderte Geld an die Angeklagte überreiche.
Die Beschuldigten zeigten sich geständig. Über ihre Anwälte ließen sie mitteilen, dass es eine Riesendummheit gewesen sei. Wie es zu dem Plan gekommen war, wisse der 24-Jährige nicht mehr genau. Beide hatten früher in der Spielhalle gearbeitet. Irgendwie sei wohl unter dem Einfluss von Drogen der Plan entstanden, den Besitzer über den Tisch zu ziehen.
Was sich genau zwischen den beiden Angeklagten und dem Erpressungsopfer abgespielt hat, welche Motivation es für die Erpressung außer Geld noch gegeben haben könnte, das ließ sich vor Gericht nicht erhellen. Weder die beiden Angeklagten machten dazu auf Rückfrage des Richters nähere Angaben noch das Opfer, der als Zeuge geladen war, konnte etwas zur Aufklärung beitragen. Eine Entschuldigung lehnte der Spielhallenbetreiber jedenfalls vor Gericht ab und durfte den Zeugenstand nach weniger als fünf Minuten schon wieder verlassen.
Die junge Frau blieb während der ganzen Verhandlung eher stumm. Als der Richter fragte, ob die beiden noch verlobt seien, herrschte zunächst eine sekundenlange Stille, bevor der 24-Jährige schließlich mit „Ja!“ antwortete. Manchmal kann ein Schweigen mehr sagen als Worte.
Der Angeklagte hat Drogenprobleme. Das räumte er unumwunden ein. Seine jetzige Lebenslage sei auf den regelmäßigen Konsum von Cannabis und hin und wieder auch Kokain zurückzuführen. Er wolle eine Therapie machen und von seiner Sucht endlich loskommen. Er möchte ein normales Leben führen. Er hat einen Hauptschulabschluss und möchte als Friseur arbeiten. Als er von diesem Beruf sprach, lächelte der 24-Jährige das einzige Mal während der Verhandlung.
Seine vermeintliche Verlobte hat keine Ausbildung und keinen Schulabschluss und lebt aktuell von Bürgergeld. Im August steigt sie in einen neuen Job ein. Beide Angeklagten haben bereits Kinder. Die junge Frau kann ihre Kinder alle zwei Wochen sehen. Der Nachwuchs des Angeklagten lebt bei der Kindsmutter.
Beide Angeklagten sind bereits vorbestraft. Die junge Frau hatte Einträge im Zentralregister wegen Bedrohung und Beleidigung. Der junge Mann hat mehr auf dem Kerbholz: Er sitzt in Haft wegen versuchtem Totschlag und versuchtem Schwangerschaftsabbruch. Dafür bekam er vom Jugendrichter fünfeinhalb Jahre Haft – damals noch als 20-Jähriger – aufgebrummt. Außerdem kommen noch Einträge wegen Körperverletzung, Drogenhandel und Falschgeld dazu.
Der Staatsanwalt forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung für den 24-Jährigen und neun Monate Haft auf Bewährung für die 26-jährige Angeklagte. Beide hätten sich geständig gezeigt, seien zugleich aber schon vorbestraft. Dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt in Haft saß, deute auf „erhöhte kriminelle Energie“ hin, so der Staatsanwalt.
Der Verteidiger schloss sich der Staatsanwaltschaft bezüglich des 24-Jährigen an. „Es wäre vermessen, hier Bewährung zu fordern“, sagte er. Die Rechtsanwältin sprach sich für eine Geldstrafe von 1500 Euro anstatt der Bewährungsstrafe für ihre Mandantin aus.
In seinem Urteil folgte der Richter der Staatsanwaltschaft. Der 24-jährigen Angeklagte muss für ein Jahr ins Gefängnis. Die 26-jährige Angeklagte bekam eine achtmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung.