Jetzt beginnt die Herbstsaison für Pilzesammler
Sachverständiger Thomas Brendel gibt Tipps zum Sammeln sowie für den Transport und die Zubereitung

Gibt Tipps rund ums Pilzesammeln: Thomas Brendel ist Pilzsachverständiger für den Bereich Gifhorn und Wolfsburg.Foto: privat
Gifhorn/Wolfsburg. Nein, die Pilzsaison startet nicht gerade jetzt. Denn sie läuft laut Thomas Brendel, Pilzsachverständiger für die Region rund um Wolfsburg und Gifhorn, das ganze Jahr über. Was jetzt aber beginnt, ist die bei Pilzsammlern so beliebte Herbstsaison. Wenn es das optimale Zusammenspiel zwischen Temperaturen und Feuchtigkeit gibt, könnte es ein guter Pilzherbst werden, ist der Experte überzeugt.

„Es sollte nicht wärmer als 25 Grad werden und nicht unter fünf Grad kalt sein. Außerdem brauchen wir Regen - aber nicht zu viel. Es gab schon ein paar Stellen im Kreis Gifhorn, an denen gute Funde standen“, sagt Brendel. Schon im Frühjahr habe es ausgesehen, dass wegen des vielen Regens ein guter Pilzherbst anstehen könnte. Der trockene Sommer habe diese Hoffnung dann erst einmal wieder zunichte gemacht. Aber noch sei nicht alles verloren. Denn: „Pilze halten sich nicht an theoretische Vorgaben. Passt das Wetter, kommen sie“, betont Brendel

Die Herbstsaison zeige sich vor allem an den Wegrändern und auf Wiesen. „Wenn der Riesenschirmling und der Riesenbovist zu sehen sind, weiß ich, es geht los.“ Wobei: „Wer weiß, wo er suchen muss, und sich mit Pilzarten auskennt, der findet das ganze Jahr über etwas.“ Und das Interesse am Pilzsammeln habe seit Corona zugenommen, weil viele Menschen in den betreffenden Jahren in der Natur unterwegs gewesen seien. „Leider ist aber über die Jahrzehnte das Wissen um die Pilze verloren gegangen“, weiß der Experte.

Dabei seien diese seltsamen Gebilde extrem wichtig für die biologischen Zusammenhänge. „Ohne sie gebe es kein Brot, kein Bier. Aber wir würden in Laub und Totholz ersticken, weil sich diese Materialien im Wald nicht mehr zersetzt würden“, sagt Thomas Brendel. Pilze sind übrigens zwar näher mit Tieren als mit Pflanzen verwandt - sind aber weder noch. Sie bilden ein eigenes biologisches Reich. Sie sind zwar wie Pflanzen sesshaft, können aber keine Photosynthese betreiben. Also müssen sie sich wie Tiere durch die Aufnahme organischer Substanzen ernähren.

Aktuell sind weltweit rund 150.000 Pilzarten bekannt und wissenschaftlich beschrieben. Experten schätzen, dass mehr als drei Millionen Arten noch unbekannt sind. Etwas „kleiner“ geht es dann in Deutschland bei den Großpilzen zu. „In ganz Deutschland gibt es etwa 8.000 Großpilzarten“, sagt Thomas Brendel. In Niedersachsen seien es nur noch 3.000 Arten. Rund 200 davon sind Speisepilze, weitere 130 Arten Giftpilze, die manchmal „nur“ Bauchschmerzen verursachen. Aber bei rund 15 Arten kann ein Verzehr auch potentiell tödlich enden.

Thomas Brendel rät, sich vor dem Sammeln genauer mit den Speisepilzen auseinanderzusetzen. „Jedes Jahr ein oder zwei neue Arten lernen“, sagt er. Aber er bewertet auch Sammlungen - allerdings nicht per Telefon oder Bild für Speisezwecke. „Das ist verboten“, sagt er. Wer also seine Sammlung überprüfen lassen möchte, könne - nach Terminvereinbarung - gern zu ihm nach Bergfeld kommen. Der Service ist in der Regel kostenlos. „Aber Spenden sind gern gesehen. Schließlich muss ich meine Aus- und Weiterbildung zum Sachverständigen selbst bezahlen.“ Brendel bietet zudem unter www.drömlings-pilze.de Schulungswanderungen an.

Doch nicht nur zur eigenen Sicherheit, sondern auch zum Schutz der Natur sind bei der Pilzsuche dringend die folgenden Regeln einzuhalten:

Rücksichtsvolles Pilzsuchen: Brut- und Setzzeit beachten, Tiere nicht stören, keine Pflanzen oder jungen Bäume platt treten. Außerdem heißt es: Das Moos nicht umdrehen und das Myzel, das heißt die fadenförmigen Zellen, die das verzweigte, weißliche Pilzgeflecht im Boden bilden, nicht beschädigen. Grundsätzlich besteht in Deutschland ein Waldbetretungsrecht, aber es gibt Ausnahmen beispielsweise bei Jagden und Holzerntearbeiten. Zu beachten ist außerdem, dass keine Pilze zerstört werden, die nicht gesammelt werden, weil sie giftig oder beschädigt sind. Denn sie erfüllen dennoch wichtige Aufgaben in der Natur und können zudem Nahrung für Tiere sein.Klare Verbote: Nicht in ausgewiesenen Naturschutzgebieten sammeln - das ist verboten und kann zu hohen Geldstrafen führen. Verboten ist ebenfalls das Sammeln in ausgewiesenen Biotopen und an Naturdenkmälern. Pilze, die unter Artenschutz stehen, dürfen nicht gesammelt werden. Auf Privatgeländen ist das Sammeln ohne Genehmigung der Grundstücksbesitzer verboten. Dazu gehören auch eingezäunte Waldflächen.Achtsames Sammeln: Nichts essen, was Sie nicht zu 100 Prozent kennen! Schimmelige Pilze sind nicht zum Verzehr geeignet. Ein frischer Speisepilz fühlt sich knackig an. Pilze mit weißen Lamellen sollten Anfängerinnen und Anfänger meiden. Darunter befinden sich tödliche und giftige Arten. Keine gefrorenen Pilze sammeln - durch das Auftauen können Bakterien und Keime eindringen, die aus Speisepilzen unverträgliches Essen machen. Tipp: Es gibt auf den Winter spezialisierte Arten wie den wilden Austernseitling, der Kälteanreize benötigt. Spuren von Schneckenfraß weisen übrigens nicht zwingend auf bekömmliche Pilze hin - Tiere haben ein anderes Verdauungssystem als Menschen und vertragen im Gegensatz zu uns rohe Maronen oder Knollenblätterpilze.Korrekte Ernte: Bereits bekannte Pilze werden kurz über dem Boden abgeschnitten. Ein unbekannter Pilz sollte vorsichtig aus dem Boden herausgedreht werden. Nur wenn der komplette Fruchtkörper und alle Merkmale zu sehen sind, lässt der Pilz sich bestimmen. Die unbekannten Pilze sollten nicht mit den bekannten und essbaren zusammen gelagert werden. Eine Sortierung in unterschiedliche Transportbehälter muss noch vor Ort erfolgen - ein Knollenblätterpilz im Korb beispielsweise kann die ganze Sammlung an leckeren Maronen verderben.Richtiger Transport: Pilze bitte nicht in einer Plastiktüte transportieren. Sie sollten vielmehr luftig liegen und in möglichst nicht zu viele Lagen aufeinander. Weidenkörbe sind dafür gut geeignet. Leicht angefeuchtete Tücher unter und auf den Pilzen bewahren die Frische.Richtige Zubereitung: Waldpilze sollten nie roh gegessen, sondern vorher unbedingt 15 bis 20 Minuten erhitzt werden - bei mindestens 70 Grad. Anders als Zuchtchampignons sind rohe, wilde Pilze oft giftig – selbst die nussig schmeckende Marone verursacht ungekocht Magen-Darm-Beschwerden. Ein paar alte Tipps verweist Pilzsachverständiger Thomas Brendel übrigens ins Reich der Mythen: Zwiebeln oder Silberlöffel mitkochen, damit diese sich verfärben, wenn sich Giftpilze im Topf oder der Pfanne befinden, sei „Blödsinn“.Ideale Lagerung: Am besten ist es, Pilze frisch zu verarbeiten. Geht das nicht, gilt für sie das gleiche wie für rohen Fisch oder frisches Fleisch: ab in die Kühlung! Wenn die Pilze länger als einen Tag lang aufbewahrt werden sollen, müssen die Fruchtkörper vorgegart und anschließend kühl aufbewahrt werden. Bereits gebratene Pilze lassen sich ebenfalls gut im Kühlschrank lagern und ohne Sorge für einen späteren Verzehr wieder aufwärmen. Für eine längere Lagerung ist es möglich, die Pilze einzufrieren oder zu trocknen und anschließend zu Würzpulver zu vermahlen. Auch hier gibt es eine klare Ansage vom Pilzsachverständigen Thomas Brendel: „Die meisten Pilzvergiftungen entstehen durch falsche Lagerung und Zubereitung oder weil die Pilze zu alt sind.“ Diese drei Punkte seien für rund 90 Prozent der Fälle verantwortlich - nur die restlichen zehn Prozent der Fälle kämen durch Giftpilze zustande.Angemessene Menge: Es gilt, nur für den Eigenbedarf und nie mehr Pilze zu sammeln, als am gleichen Tag verarbeitet werden können. „Pro Person maximal zwei Kilogramm“, sagt Thomas Brendel. Bei besonders geschützten Arten wie den beliebten Steinpilzen ist es sogar gesetzlich verboten, mehr Pilze mitzunehmen. Aber auch bei anderen Arten können - je nach gesammelter Menge und Art - hohe Strafen drohen.Angemessene Menge, die Zweite: Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (Mykologie steht für Pilzkunde) empfiehlt, neue Pilzarten zuerst in kleinen Mengen zu genießen, um eine Unverträglichkeit auszuschließen. Pro Woche sollten nicht mehr als 250 Gramm Waldpilze gegessen werden. Denn Pilze sind generell schwer verdaulich, sie speichern zudem Schwermetalle, Radioaktivität und Umweltgift. Diese Ablagerungen werden regelmäßig untersucht. Thomas Brendel: „In der Region Gifhorn-Wolfsburg sind die Werte im Rahmen.“Pilze im Garten: Nicht nur im Wald stehen Pilze - sondern auch im eigenen Garten. Thomas Brendel rät, wenn Kleinkinder auf dem Grundstück unterwegs sein sollten, öfters mal im Garten stehende Pilze abzupflücken - vor allem die giftigen, die dann entsorgt werden sollten. „Kleinkinder nehmen alles in den Mund. Da ist es die beste Möglichkeit, Pilze regelmäßig abzupflücken. Umgraben bringt nicht viel, die Pilze sind spätestens zwei Jahre später wieder da.“ Die Kontrollgänge sollten zeitlich nicht zu weit auseinander liegen. Denn Pilze kommen oft über Nacht aus dem Erdreich hervor, wenn Temperatur und Feuchtigkeit passen.Hier gibt es Hilfe: Pilzsachverständige wie Thomas Brendel können vor dem Verzehr von Waldpilzen zu Rate gezogen werden. Auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) finden sich Kontaktdaten für jede Region. Brendel ist erreichbar unter Telefon (01 51) 12 44 97 71 sowie per E-Mail an myko68@t-online.de.Passieren kann trotz aller Achtsamkeit natürlich immer etwas. Im Notfall sind der Hausarzt (beziehungsweise die Notaufnahmen der Kliniken) Anlaufstellen sowie das Giftinformationszentrum-Nord für Niedersachsen in Göttingen, Notrufnummer (05 51) 192 40.
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